Wenn es darauf ankam, waren unsere Siebener-Jungs zur Stelle: Gegen Wales gelangen Anjo Buckman und Co. der wichtige Viertelfinal-Sieg. Foto (c) Perlich
Mit den Clermont 7s ist das dritte von vier EM-Turnieren Geschichte. Die deutsche Mannschaft schließt das EM-Turnier auf einem hervorragenden vierten Platz ab. Doch welche Lehren können wir aus den zwei Tagen im französischen Zentralmassiv ziehen?
1. Zwei Siege, vier Niederlagen, dennoch Platz vier - Unsere DRV VII zeigt deutsche Effizienz wenn es darauf ankommt!
Im dritten Turnier der EM-Serie lieferte unsere DRV VII mit nur zwei Siegen die bisher magerste Bilanz ab, könnte man meinen. Denn der vierte Rang zum Abschluss der Clermont 7s ist zugleich die beste Platzierung der DRV-Auswahl in der laufenden Saison - der aktuelle Modus der Grand Prix Serie will es so: Das Viertelfinale, sofern man den Einzug in dieses schafft, ist das mit Abstand wichtigste Spiel im Turnierverlauf.
Mit einem deutlichen Sieg über Portugal und zwei ganz knappen Niederlagen gegen Georgien und Spanien, jeweils nur aufgrund einer verpassten Erhöhung, waren unsere Siebener-Jungs in das Cup-Viertelfinale eingezogen. Fast schon mantraartig hatten es die beiden Nationaltrainer Shepherd und Lane bei den bisherigen EM-Turnieren betont: Am Sonntag früh, also im Viertelfinale, gilt es einhundertprozentig wach zu sein, denn mit nur einem einzigen Sieg schafft man es dann automatisch unter die Top vier.
Anders als in Lodz und Moskau hatten unsere Siebener-Jungs den Trainer-Rat absolut verinnerlicht und ihre beste Leistung für das so wichtige Viertelfinale aufgehoben. Bastian Himmer zeigte die wohl beste Partie eines deutschen Spielers im gesamten Turnierverlauf - in der Defensive mit einem Tackling, das einen sonst sicheren Versuch verhinderte, geklauten Bällen und offensiv mit gleich zwei Versuchen. Wales wurde von der deutschen Mannschaft in allen Belangen dominiert und am Ende spiegelte das Ergebnis von 26:7 den Spielverlauf auch wider.
Gegen die Russen im Semifinale konnte das deutsche Team erst einen frühen 12:0 Rückstand bis zur Pause egalisieren, kassierte dann aber erneut zwei Versuche der Russen und konnte bis zum Abpfiff nur noch verkürzen. Im Spiel um Platz drei gegen die mittlerweile zum Angstgegner mutierte spanische Auswahl war es dann nicht mehr das enge Spiel, das sich beide Teams in der Gruppenphase geliefert hatten.
Nachdem mit Steffen Liebig sowie Kapitän Sebastian Fromm bereits ganz früh im Turnier zwei wichtige Säulen ausgefallen waren und mit Sam Rainger und Jonathan Dawes zwei Spieler ab dem zweiten Spiel angeschlagen waren und deshalb nur noch bedingt eingesetzt werden konnten, mussten neun Spieler die Hauptlast der Spielzeit über das Turnier hinweg tragen. In der Schlussphase gegen Russland und im ungleichen zweiten Duell mit Spanien musste die deutsche Mannschaft schlicht dafür Tribut zollen.
Im Nachgang an das dritte EM-Turnier fasste DRV-Sportdirektor Manuel Wilhelm seine Gedanken wie folgt zusammen: „Wir hätten natürlich gerne das eine oder andere Spiel mehr gewonnen, aber im Endeffekt muss man sagen: Platz vier, bestes Saisonresultat und damit auch der vierte Rang in der Gesamtwertung und in der Clermont-Wertung vor den Franzosen bei ihrem Heimturnier, die mit ihrer World Series Mannschaft gespielt haben.“
2. Ein weiteres Mal wurde die Tiefe im Kader der DRV VII getestet und das Ergebnis kann sich sehen lassen
Neben den kurzfristigen Ausfällen im deutschen Kader während des Turniers (Liebig, Fromm) hatte man bereits zuvor auf die langfristig verletzen Max Calitz, Tim Biniak, Phil Sczcesny sowie den noch rekonvaleszenten Pierre Mathurin - allesamt Teil des Kaders, der noch vor knapp drei Monaten in Hongkong überzeugen konnte. Da diese Spieler auch diejenigen waren, die bei unserer DRV VII die meisten Versuche erzielen konnten, kann man mit dem vierten Platz gut leben.
In den letzten beiden Jahren konnten über das damals gestartete Entwicklungsteam kontinuierlich mehr und mehr Spieler an den Kader herangeführt werden. Quereinsteiger, wie Ex-Leichtathlet Johannes Schreieck im Vorjahr und Sprinter Joshua Tasche, der in Moskau nur zwölf Monaten nachdem er mit dem erstmals einen Rugby-Ball in der Hand hatte sein EM-Debüt geben konnte. Tim Lichtenberg ist in seiner zweiten richtigen EM-Saison absolut etabliert im Team.
Allerdings ist diese Entwicklung auch dringend notwendig. Wäre den Spaniern im Finale der World Series Quali von Hongkong nicht der späte Sieg gelungen, hätte die deutsche Mannschaft mit einem Schlag zehn weitere Turniere spielen müssen. DRV Sportdirektor Manuel Wilhelm sieht die DRV VII „gut vorbereitet, was die Kadertiefe angeht“ betont aber zugleich die „Hürde der Qualifikation“, die es zu überwinden gelte.
Einmal auf der World Series angekommen und mit der dann weiterhin wichtigen GP-Serie bedürfte es eines etwa 20-Mann-starken Kaders sowie einer ebenso großen Entwicklungs-Mannschaft - so die Einschätzung des Team-Managements. Sollte der Aufstieg relativ bald gelingen, wird man auch im Siebener-Team nicht darum kommen, auf „Import-Spieler“ zurückzugreifen. Jonathan Dawes etwa, der am Wochenende sein EM-Debüt gab, kommt als fertig ausgebildeter Spieler in die Mannschaft, der dieser direkt weiterhelfen kann.
Weiterhin beschreibt Wilhelm die verstärkten Anstrengungen im U-18-Bereich. Seit diesem Jahr wurden lokale Trainingsgruppen mit den besten Talenten geschaffen. Zwar dürften die Früchte dieser Arbeit erst mittelfristig geerntet werden, aber dann von der gesamten deutschen Rugby-Community. Gut ausgebildete Siebener-Talente, die vielleicht nicht ganz den Sprung auf das World-Series-Niveau, wären für einen Großteil der Bundesliga-Klubs ein absoluter Segen.
3. Zwei von drei Saisonzielen sind fast erreicht, die Siebener-WM muss allerdings abgehakt werden
Hongkong ist für jeden Siebener-Spieler das absolute Mekka. Die steilen Ränge des spektakulären Stadions, die einmalige Atmosphäre im Hexenkessel und das Tete-a-Tete mit den besten Spielern der Welt: Das berühmteste Siebener-Turnier der Welt, genauer gesagt die World-Series-Qualifikation, waren das erklärte Hauptziel der DRV VII. Mit Blick auf Hongkong 2018 darf man nach Platz vier in Clermont erfreut feststellen: Die Mannschaft liegt auf Kurs. Nur die beiden besten Teams der EM, die nicht bereits auf der World Series vertreten sind, qualifizieren sich für Hongkong. Irland hat sich seinen Platz bereits gesichert und unsere Mannschaft steht kurz davor.
Momentan hat die deutsche Mannschaft zwölf Zähler Vorsprung auf den engsten Verfolger Italien und selbst im unwahrscheinlichen Fall eines Sieges der Azzurri beim abschließenden Turnier in Exeter, würde der deutschen Sieben ein siebter Platz reichen, um sich Hongkong 2018 zu sichern. Passenderweise trifft die deutsche Mannschaft in Exeter auf Italien und zwar bereits in der Gruppenphase. Da die anderen Gruppengegner Spanien sowie die daheim sicherlich mit ihrem stärksten Kader antretenden Engländer sind, würde ein Sieg gegen Italien bereits ein riesiger Schritt in die richtige Richtung sein.
Das zweite Saisonziel - unter die besten sechs Teams Europa zu kommen - um sich wichtige Fördermittel des Bundes zu sichern, ist ebenso in Reichweite. Auch da ist Italien der Maßstab, da die Azzurri auf Rang Sieben unsere Mannschaft überrunden müssten, damit Deutschland das Ziel verpasst.
Die Siebener-Weltmeisterschaft 2017 in San Francisco dagegen müssen die deutschen Rugby-Fans leider abhaken. Die vor uns platzierten Iren, Spanier und Russen, von denen wir zwei überholen hätten müssen, sind leider nicht mehr abzufangen. Der Modus zur WM-Quali wirft für den geneigten Betrachter sowieso Fragen auf. Neben Kenia und Südafrika werden sich beispielsweise zwei weitere afrikanische Teams für San Francisco qualifizieren - dem momentanen Leistungsstand nach zu urteilen Namibia und Uganda - zwei Mannschaften, die vom Niveau her deutlich unter der deutschen Mannschaft anzusiedeln wären. Genauso werden sich aus Südamerika neben Argentinien zwei weitere Teams qualifizieren - Favoriten sind hier Brasilien, Chile und Uruguay - ebenso Teams die unsere DRV VII bereits in Hongkong geschlagen hat oder wohl schlagen würde.
Von daher kann man aus deutscher Sicht ein „positives Gesamtfazit“ ziehen mit der bisherigen EM-Saison auch wenn noch „ein hartes Stück Arbeit in Exeter ansteht“ es Sportdirektor Wilhelm formuliert. Wollen wir hoffen, dass sich unsere Siebener-Jungs in Exeter die Früchte ihrer Arbeit abholen werden.
In Exeter wird die deutsche Mannschaft erneut eine schwere Gruppe vor der Brust haben
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