Der Kampf um die Lufthoheit war auf dem Heidelberger Museumsplatz nur eines der vielen kleinen Duelle im Derby. Foto (c) Schneckenberger
Der letzte reguläre Spieltag der Bundesliga-Saison war für die beiden Nord-Heidelberger Klubs von besonderer Bedeutung: Denn im brisantesten Derby der Liga ging es nicht nur um die Vorherrschaft im Norden der Neckarstadt, dem Verlierer drohte darüber hinaus auch noch die Relegation. Tatsächlich muss der Sportclub Neuenheim nun, um die Klasse zu halten im Relegationsduell gegen einen noch nicht feststehenden Gegner bestehen. Im Norden sicherte sich der RK 03 Berlin den Halbfinaleinzug, nachdem das Sportgericht den vermeintlichen Berliner Sieg gegen Germania nun doch aberkannt hat.
SC Neuenheim 17 - 18 TSV Handschuhsheim
Es war der Abschied nach Maß, den sich der TSV Handschuhsheim für seinen Trainer Peter Ianusevici, der nach drei Jahren als Löwen-Dompteur an der Seitenlinie seinen Hut nimmt sowie für seinen Sturm-Veteranen Alex Hug gewünscht hatte. Beide konnten in ihrem letzten Spiel für die Löwen in ihrer jetzigen Funktion - Ianusevici will dem Verein künftig erhalten bleiben, Hug wird sich als Trainer um den Löwen-Sturm kümmern - einen Triumph gegen den Erzrivalen feiern. Für die Löwen-Familie heißt es damit auch „Revanche gelungen“ - denn erst vor genau zwölf Monaten hatte der Neuenheimer Sportclub den Löwen den Pokaltitel in ihrem Lions Park vor der Nase weggeschnappt. Nun muss der SC Neuenheim den schwierigen Gang in die Relegation antreten.
Dabei war die Partie auf dem Heidelberger Museumsplatz in der ersten Hälfte gar nicht nach dem Gusto der gastierenden Löwen verlaufen. Die königsblauen Gastgeber waren nach einem schönen Spielzug mit der Dreiviertelreihe, direkt im Anschluss an ein Gedränge, durch durch ihren ungarischen Schluss Jonathan Katona, in Front gegangen. Bis zur Halbzeit sollte sich am Stand von 7:0 nichts mehr ändern. Nach 60 gespielten Minuten dann schien die von Lars Eckert trainierten Neuenheimer endgültig auf der Siegerstraße. Der eingewechselten Valentin Heuser konnte einen Befreiungskick der Löwen, der sich zum ultimativen Bumerang entwickelte, blocken und per Versuch seinen Sportclub mit 14:3 in eine scheinbar komfortable Ausgangsposition bringen.
Doch die Wende kam durch einen unnötige Karte gegen Außen Sebastian Robl, der völlig übermotiviert sein Löwen-Gegenüber aushob und folgerichtig für zehn Minuten vom Feld gestellt wurde. Die Löwen besannen sich nunmehr völlig auf ihre traditionelle Stärke im eigenen Sturm, auf dessen Stärke nach Gassen sich der TSV immer verlassen kann. Zwar hatte SCN-Coach Lars Eckert vor dem Spiel die Devise ausgegeben, den Löwen die Chance auf Paket-Chancen in der 22 tunlichst nicht zu geben und sein Pendant beim TSV angegeben, offenes Rugby spielen zu wollen und nicht nur Pakete kreuz und quer zu schieben - doch warum sollten sich die Gäste selbst einer funktionierenden Waffe berauben? So kam es wie es kommen musste: Der TSV-Sturm in Paketform mit Zweite-Reihe-Stürmer Lukas Rosenthal an dessen Ende gelangte nur drei Minuten nach der gelben Karte für Robl erfolgreich ins Malfeld und konnte keine zehn Minuten vor dem Ende erneut nachlegen. Ein Straftritt zur Gasse wurde per Paket über die SCN-Linie geschoben, aber aufgrund der verpassten Erhöhung war die erstmalige Führung der Gäste mit 15:14 hauchdünn.
Die Schlussminuten sollten dann noch einmal dramatisch werden. Erst kickte der an diesem Sonntag vom Tee sichere Tomas van Gelderen seine Königsblauen per Straftritt zur 17:15 Führung. Doch Löwen-Kicker machte seine verpasste Erhöhung beim zweiten Versuch wieder gut und brachte seinem TSV die hauchdünne 18:17 Führung, die die in weiß gekleideten Löwen bis zur letzten Sekunde erbittert verteidigten.
Im Nachgang waren sich beide Trainer einig: dies war ein würdiges Derby, das beide Teams hätten gewinnen können. Peter Ianusevici sah den Schlüssel zum Sieg seiner Mannschaft in einem „unglaublich hart umkämpften Spiel“ in der besseren Bank, die „der Schlüssel zum Sieg gewesen ist“ so der ehemalige Bundestrainer. Auch für den sich aus dem aktiven Spielgeschehen verabschiedenden Alex Hug hatte Ianusevici nur lobende Worte: „Der Alex hat ein großes Spiel gemacht, ein echter Führungsspieler“ lautete das Urteil des ehemaligen rumänischen Nationalspielers.
Lars Eckert vom SCN gab sich im Anschluss an die knappe Derbyniederlage pragmatisch: „Das Spiel war knapp, leider nicht mit dem besseren Ende für uns.“ Nun gelte es für die Königsblauen das Saisonziel Klassenerhalt über den Umweg Relegation zu sichern. In den zwei Wochen dazwischen bleibt dem SCN immerhin mehr als genug Zeit dafür sich vorzubereiten und in Ruhe abzuwarten auf wen man treffen wird. Die Reise könnte für die Königsblauen nach Aachen, München, Hausen oder Neckarsulm gehen. Auch nach einer durchwachsenen Saison sollte der SCN aber als Favorit im Relegationsduell gehen.
Raus mit Applaus: TSV-Trainer Ianusevici und Sturm-Veteran Hug bei ihrem letzten Spiel in jetziger Funktion
RG Heidelberg 11 - 17 RK Heusenstamm
Für den RK Heusenstamm ging es in diesem Spiel noch um etwas. Den Füchsen drohte, abhängig vom Ausgang des Nord-Heidelberg-Derbys am Folgetag, noch der Gang in die Relegation. Beim RKH hatte man das Chaos im vorigen Sommer, als die Ligazugehörigkeit der Füchse bis zuletzt unklar war, nicht vergessen. Also gingen die Füchse wildentschlossenen in das Duell mit dem Angstgegner, gegen den man seit Jahren kein Land gesehen hatte.
Zwar war die Partie in der ersten Hälfte alles andere als ein spielerischer Leckerbissen, den man von den beiden Siebener-affinen Teams der Liga erwarten hätte können, doch die Gäste zeigten deutlich mehr Biss. Jedes offene Gedränge wurde hart umkämpft, was auch nicht sonderlich überraschen dürfte, fehlten den Füchsen doch die spielerischen Feingeister. Einen ersten Versuch der Gäste nach nur zehn gespielten Minuten und bedingt durch einen haarsträubenden Fehler in der RGH-Defensive konnten die Orange Hearts per Bodenroller von Gedrängehalb Wehrspann und Versuch von Außen Wadlinger wieder gut machen. Beim Stand von 5:7 aus Gastgebersicht ging es in die Pause.
Manuel Müller konnte dann direkt nach dem Wiederanpfiff seine Orangehemden erstmals per Straftritt in Front bringen, doch erst besorgte ein Cross-Kick von Verbinder Zinzan Hees den zweiten Füchse-Versuch, bevor ein weiterer Straftritt den Auswärtssieg für die Füchse endgültig besiegelte. Heusenstamm hatte nicht nur den Klassenerhalt nach einer starken Rückrunde geschafft, man konnte sich darüber hinaus auch noch den inoffiziellen Titel als beste hessische Mannschaft sichern. Trainer Markus Walger zeigte sich gegenüber der Offenbach-Post euphorisch: „Wir müssen nicht mehr in der Relegation nachsitzen, haben zudem den SC Frankfurt 1880 überholt und sind damit das beste hessische Team der Rugby-Bundesliga!“
Siegreiche Füchse im Wohnzimmer des deutschen Rugby
Heidelberger RK 71:0 SC Frankfurt 1880
Beim HRK bot sich, nicht zum ersten Mal in dieser Saison, ein ungewohntes Bild in Sachen Personal. Eigentlich wollte Pieter Jordaan seiner üblichen Tätigkeit als HRK-Trainer an der Seitenlinie nachgehen, doch angesichts der erneut dünnen Personaldecke fand sich der gebürtige Südafrikaner im Klub-Trikot auf statt neben dem Kunstrasen am Harbigweg wieder. Doch auch mit Verletzungen, Siebener-Sperren und sonstiger Unwägbarkeiten hatte der Ruderklub immer noch zu viele Waffen im Arsenal für den SC Frankfurt 1880.
Die Rhein-Main-Rugger von Trainer Karl Savimaki haben nach einer tollen Vorrunde und dem Pokalfinaleinzug eine Rückrunde zum vergessen gespielt. Ein glücklicher Sieg gegen Absteiger Luxemburg ist alles, was beim SC auf der Habenseite zu verbuchen ist. Auch gegen den ersatzgeschwächten Klub zeigten sich die Frankfurter von ihrer lethargischen Seite. Als die 1880-Defensive nach nicht Mal zehn Minuten durch Zweite-Reihe-Hüne Julio Rodriguez erstmals durchbrochen war, nahmen die Frankfurter ihr Schicksal mit recht wenig Gegenwehr hin. Schon zur Pause hatte der HRK den Bonus gesichert und lag mit 31:0 deutlich vorne. Bis zum Abpfiff sollten weitere sechs Versuche folgen.
Damit beendet der HRK die reguläre Saison als Tabellenführer und unterstreicht erneut seinen Führungsanspruch unter den Rugby-Klubs der Republik. Die Wachablösung durch den Meister Pforzheim scheint nur temporär gewesen zu sein, doch das wird der Klub in den Playoffs erst noch beweisen müssen. Frankfurt hingegen darf sich beim TSV Handschuhsheim bedanken, denn ohne dessen Last-Minute-Sieg gegen den SCN, wären die Rot-Schwarzen in der Relegation gelandet. Angesichts der unterirdischen Form wäre der Dritte der Hinrunde damit in akuter Abstiegsgefahr gewesen.
RK 03 Berlin 39 - 10 Hamburger RC
Eigentlich hatte sich der RK 03 den Halbfinaleinzug vermeintlich schon vor zwei Wochen mit dem Nicht-Antreten der Lindener Victoria in Berlin gesichert. Doch als unter der Woche bekannt wurde, dass der vermeintliche Sieg gegen Germania List doch unentschieden gewertet wurde, wie es vor Ort damals alle inklusive der RK-Spieler selbst wahrgenommen hatten, bekam die Partie gegen den HRC neuerliche Brisanz. Denn nur mit einem Sieg würden sich die Hauptstädter ein erneutes Halbfinale daheim sichern.
Erfolgreiche Berliner an der Hamburger Saarlandstraße
Doch mit dem Saisonziel vor Augen ließen es sich die Schwarz-Gelben aus dem Osten Berlins nicht nehmen und gewannen auch an der Alster souverän mit 39:10. Damit gewinnt der RK die Nordstaffel zum zweiten Mal in Folge und bleibt erneut ohne Niederlage. Hamburg dagegen rutscht damit auf den sechsten Rang, doch damit heißt es für die Mannschaft von Trainer Carsten Segert: Mission Klassenerhalt erfüllt! Der Fokus der Berliner richtet sich damit völlig auf die Ausrichtung der Halbfinal- und Finalpartie um die deutsche Meisterschaft. Erneut wird der RK als Underdog gegen Pforzheim antreten, doch die Leistung aus dem Vorjahr und die zuletzt mäßige Form der Pforzheimer Rhinos dürfte den RK optimistisch stimmen.
TSV Victoria Linden 3 - 26 RC Leipzig
Fans der Zebras mussten bis zum letzten Saisonspiel warten, um die bisher beste Saisonleistung ihrer Mannschaft zu sehen. Gegen ambitionierte Leipziger, die die Victoria noch im Hinspiel mit 92:5 abgefertigt hatte, ging die Mannschaft von Trainer Rainer Kumm gar in per Straftritt von Karl Barth in Front. Erst kurz vor der Pause gelangen Leipzig per Versuch die ersten Punkte. Doch trotz des knappen Spielstands von 3:7 sollte den Hannoveraner Gastgebern in Hälfte zwei offensiv nicht mehr viel gelingen.
Leipzigs harte Jungs, wie sich die Männer vom RC selbst nennen, konnten erst nach einer roten Karte für die Victoria richtig auftrumpfen
Wieder kam der Victoria die mangelnde Disziplin der eigenen Spieler teuer zu stehen. Erst kassierte René Winkler gelb, bevor Florian Domogalla dann in einem Handgemenge ausholte und rot sah. In der Folge hatten die sächsischen Gäste natürlich Oberwasser und konnten drei weitere Versuche zum 26:3 Endstand erzielen. Für Leipzig ist damit eine mehr als ordentliche Saison beendet. Die Lücke zu den Topklubs schließt sich für den RCL zusehends. Victoria Linden muss, das stand bereits vor diesem Spiel fest, den Ganz in Liga zwei antreten. Die junge Mannschaft von Rainer Kumm musste in dieser Saison viel Lehrgeld zahlen und wird in Liga zwei dennoch zu den Favoriten auf den Aufstieg zählen.
Berliner RC 18 - 31 SC Germania List
Noch vor dem Anpfiff des letzten regulären Saisonspiels bekamen die Hannoveraner Gäste den ultimativen Motivationsschub. Per Sportgerichts-Entscheid wurde dem Team von Trainer Duiane Lindsay nachträglich ein weiterer Punkt zugesprochen. Ein Wertungsfehler hatte den Germanen das Unentschieden gegen den RK 03 gekostet. SCG-Coach Duiane Lindsay hatte sich gegenüber TotalRugby resignierend gezeigt: „Ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass sich da noch was ändert.“ Doch genauso kam es und entsprechend motiviert gingen seinen Männer in die Partie.
Schon nach zehn gespielten Minuten konnte Ben Caister mit einem Durchbruch für den ersten von vier benötigten Germania-Versuchen sorgen. Doch der Elan der Gastgeber verflog relativ schnell und der BRC kam zusehendes in Spiel. Zwei Straftritte reduzierten das Defizit zur Halbzeit auf einen einzigen Punkt. In Hälfte zwei dann das gleiche Bild: Germania List wieder mit dem besseren Start - ein gut angesetztes Paket brachte die Gäste bis tief in die 22, wo Niklas Koch dann per Step den Weg über die Linie fand. Eine gelbe Karte für Kapitän Stefan Mau brachte den SCG nicht aus dem Konzept, im Gegenteil, in Unterzahl legte Maurice Riege nach einem schönen Cross-Kick von Verbinder Koch den dritten Germanen-Versuch. Als Prop Johannes Knittl dann zum so wichtigen vierten Versuch und 26:06 Zwischenstand keine Viertelstunde vor Spielende ablegte, schien die Partie endgültig entscheiden zumal noch das 31:5 über einen schnellen Versuch auf Außen folgte.
Doch die furiose Schlussphase endete mit zwei BRC-Versuchen, einer davon nach einem schnell gespielten Straftritt und ein weiterer durch eine schöne Kombination mit der Dreiviertelreihe. Doch das Aufbäumen der Männer von Danny Stephens kam deutlich zu spät. Was jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Tabelle hat, der BRC hatte sich zuvor bereits Rang vier gesichert. Germania List dagegen hat das Glück, nun im Bundesliga-Halbfinale beim HRK antreten zu dürfen. Wie bereits im Vorjahr, als es für die Hannoveraner in Heidelberg eine deutliche Schlappe gab.
FC St. Pauli 16 - 34 Hannover 78
Der Bus und die Unterkunft in Heidelberg waren bereits gebucht, bei Hannover 78 standen die Zeichen ganz auf Bundesliga-Halbfinale am kommenden Wochenende gegen den HRK. Es fehlte nur noch die Pflichtaufgabe beim FC St. Pauli und die erfüllten die 78er mit Bravour. Doch anstatt sich mit Deutschlands bestem Rugby-Verein messen zu können, geht es für die Hannoveraner vorzeitig in die Sommerpause. Denn nachdem dem Lokalrivalen Germania nachträglich ein Punkt aus dem Berlin-Spiel zugesprochen worden, hatte 78 sein Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand. Zu allem Überfluss konnte die Partie erst mit deutlicher Verspätung angepfiffen werden, da 78 zusammen mit vielen Pfingsturlaubern im Stau stand. Doch auf dem Platz nutzten die schnellen Dreiviertel von 78 die sommerlichen Bedingungen und erfüllten ihren Teil, um doch noch im Halbfinale der Bundesliga antreten zu dürfen. Es sollte aber nicht reichen, da Germania sich in Berlin keine Blöße gab.
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