Sportlich hatte der Rugby Club Rotweil in dieser Saison bisher überzeugt. Doch was sich am Samstag im Spiel gegen München abseits des Balles ereignete, widerspricht den Werten unseres Sports.
Erst am vergangenen Wochenende mussten wir uns bei TotalRugby mit den unschönen Vorfällen beim Brandenburger Derby zwischen Velten und Potsdam beschäftigen. Ein bereits auf dem Feld völlig außer Kontrolle geratenes Lokalduell, das in einer Attacke auf den Schiedsrichter nach dem erfolgten Spielabbruch seinen unrühmlichen Höhepunkt hatte. Die Empörung war groß und zurecht schien man sich in der Rugby-Community einig: Solche Vorkommnisse haben mit den Werten unseres Sportes rein gar nichts zu tun.
Doch am vergangenen Wochenende erreichte uns dann zuerst die Meldung, dass im Bundesliga-Duell der Südstaffel zwischen dem HRK und dem TSV Handschuhsheim ebenfalls die Fäuste geflogen waren. Vier rote Karten waren die Folge und damit war der Erweis erbracht - Auch bei den absoluten Top-Klubs des Landes ereignen sich derlei Vorfälle. Ausgangspunkt war ein überhartes HRK-Tackle ohne den Einsatz der Arme, auf das mehrere Löwen derart empört und aggressiv reagierten, dass sich eine wahre Massenschlägerei entwickelte.
Dabei ist das Regelbuch von World Rugby eindeutig und §10 lässt keinen Zweifel daran: Vergeltung oder Zurückschlagen sind ebenso sehr strafbar, wie selbst anzufangen. Zu lange gab es dahingehend im Rugbysport eine falsche Toleranz. Für die eigenen Mitspieler einstehen, indem man zurückschlägt hilft aber schlicht keinem weiter. Rugby ist als Sport mit seinem Regelwerk hart genug. Man kann seinem Gegenspieler ebenso mit einem harten Tackle im Rahmen des Erlaubten wehtun. Dies sollten sich alle in unserem Sport Involvierten zu Herzen nehmen und in Sachen Vergeltung keine falsche Toleranz entwickeln.
Trauriger Höhepunkt in München
Aber leider blieb es nicht bei den Vorkommnissen in Heidelberg. Denn das Geschehen im Zweitliga-Duell zwischen dem gastgebenden München Rugby Football Club und dem Rugby Club Rottweil stellte die vier roten Karten in Heidelberg noch deutlich in den Schatten. Die Partie, die aus sportlicher Sicht überraschend vom Münchner RFC dominiert wurde, fand in der 78. Minute ein vorzeitiges Ende. Erneut gibt es von verschiedenen Beteiligten verschiedene Versionen des Geschehenen, doch so viel steht fest:
- Es entwickelte sich eine Massenschlägerei zwischen beiden Teams - Der Schiedsrichter sah sich gezwungen das Spiel vorzeitig abzubrechen - Ein unbeteiligter Zuschauer landete im Krankenhaus
Speziell letzteres kommt einem absoluten Tabubruch gleich. Auf Münchner Seite wird dem Gast aus dem Schwarzwald vorgeworfen für den K.O. des Zuschauers verantwortlich gewesen zu sein. Weiterhin wurde laut dem RFC auch als der Zuschauer auf dem Boden gelegen habe, weiter auf diesen eingeschlagen. Von Rottweiler Seite wird entgegnet, dass dieser Zuschauer unbeteiligt in das Geschehen eingegriff habe und man sich nur vor ihm habe schützen wollen. Mittlerweile ermittelt die Polizei, zumal laut Aussage des RFC-Präsidenten Helmut Kraiger bei besagtem Zuschauer lebensrettende Maßnahmen eingeleitet werden mussten. Der Gastgeber gibt darüber hinaus an, dass einer der involvierten Spieler auf Rottweiler Seite nicht einmal auf dem Spielberichtsbogen vermerkt gewesen sei.
Zwei der im Spiel involvierten Akteure, Sidney Brenner vom RFC und RCR-Spielertrainer Michael Oswald bestätigen beide gegenüber TotalRugby an, dass die Partie zumindest bis zur Schlussviertelstunde hart aber weitestgehend fair verlaufen sei. Oswald spricht in seinem Statement allerdings lediglich von einem „Tumult" und sieht die Schuld eindeutig bei besagtem Zuschauer. Dieser sei stark alkoholisiert auf das Feld gestürmt und habe dabei einen Rotweiler Spieler körperlich attackiert. In dieser Auseinandersetzung sei der Zuschauer zu Boden gegangen, habe sich aber bereits kurze Zeit später aufgerappelt und zu seinen Kollegen vom MRFC gesellen können.
Ein bis dahin fair geführtes Spiel entgleitet völlig
Brenner hingegen sah gegen Ende der Partie zunehmend Unsportlichkeiten von Seiten der Gäste: „Nach fairen und harten Tacklings von uns wurde öfter nachgeschlagen.“ Darüber hinaus sieht sich der Bruder von Nationalspieler Kehoma Brenner auch dadurch bestätigt, dass ein Vorfall aus der zweiten Hälfte auf Video festgehalten wurde. Darauf ist zu sehen, wie ein Münchner Spieler den Rottweiler Schluss nach einem Befreiungskick anrempelt und dieser daraufhin von hinten zuschlägt und zur Krönung unter den Augen des Unparteiischen eine Schauspieleinlage nachlegt. Genau jener Schluss habe während der Massenschlägerei auf ihn eingeschlagen.
Doppelte Unsportlichkeit: Ein Schlag von hinten und dann die Schauspieleinlage in Fußballermanier
Den genauen Grund für die Vorkommnisse am Ende sieht sich auch Brenner nicht im Stande zu erklären. Doch der Schiedsrichter habe in den letzten Minuten, in der sich das Spiel „zugespitzt“ habe, „keine Kontrolle mehr gehabt“ so die Nummer acht der Münchner. Insbesondere dass auf am Boden liegende Akteure Gewalt angewandt wurde sei Brenner in seiner 25-jährigen Rugby-Karriere noch nicht begegnet. Die Spiele gegen Rottweil seien schon immer hart gewesen aber „so hab ich persönlich auch keine Lust mehr gegen diese Mannschaft anzutreten, aus Angst meiner eigenen Gesundheit zu liebe.“
Für uns von TotalRugby ist es momentan nicht möglich den genauen Hergang der Geschehnisse zu überprüfen bzw. Schuldige auszumachen. Was jedoch feststeht: Gewalt, zumal in dieser Form ist außerhalb von jedem tolerierbaren Rahmen. Derart viele Gewaltexzesse innerhalb von nur einer Woche bereiten uns zudem Sorgen, ob dies nicht sogar ein Trend sein könnte. Das moralische Oberwasser, das man sich in der Rugby-Community gerne gegenüber dem Fußball andichtet, muss auch mit Leben gefüllt werden. Es reicht nicht aus null Toleranz gegenüber Schwalben und Schauspielerei zu zeigen. Nach jedem noch so hartem Kampf am Ende ein gemeinsames Bier zu trinken. Auch Respekt vor dem Schiedsrichter und zumindest der Versuch sich zwischen Mallinien an das Regelwerk unseres Sports zu halten gehört dazu. Erst recht wenn man sich als Betreiber eines Gentleman-Sports sieht.
|