Nationaltrainer Melvine Smith (unten rechts) mit den Spielerinnen des Trainingscamps am vergangenen Wochenende. Foto (c) Smith
Für die Siebener-Nationalmannschaft der Frauen steht bereits in fünf Wochen die Europameisterschaft an. Bei den beiden Turnieren in Ostrava und Esztergom will das Team von Nationaltrainer Melvine Smith den Aufstieg in die höchste europäische Spielklasse GPS schaffen, nachdem Deutschland im vorletzten Jahr abgestiegen war und den Wiederaufstieg 2016 knapp verpasst hatte. Der ehemalige südafrikanische Profi aus Kapstadt hat sich mit TotalRugby unterhalten und dabei über die Vorbereitungen der Mannschaft, die Spielidee, sowie die weitere Perspektive des Frauen-Siebeners in Deutschland unterhalten.
TotalRugby.de: Hallo Melvine, erst einmal vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, mit uns zu reden. Es sind noch ziemlich genau fünf Wochen bis zum EM-Auftakt im tschechischen Ostrava am 10. Juni. Wie laufen die Vorbereitungen auf das erste Rugby-Europe-Trophy-Turnier?
Melvine Smith: Wir hatten am vergangenen Wochenende ein Trainingscamp in Heidelberg, organisiert auf eigene Initiative der Spielerinnen und des Trainerteams. Das Camp war für uns sehr wichtig, um uns in unserem Spielsystem zurechtzufinden. Außerdem haben wir als Team-Management gemeinsam mit den Spielerinnen uns Ziele gesetzt, wie wir in die EM-Saison gehen wollen und was wir erreichen wollen.
Das Camp dauerte nur einen Tag und auch wenn wir uns eine ganze Weile nicht zu sehen bekommen hatten - konnten wir sehr gut an unserem Angriffssystem arbeiten. Ich bin am Ende des Camps mit einem positiven Gefühl herausgegangen. In dem Wissen, dass alle unsere Mädels an Bord sind und unsere Zielsetzungen voll verinnerlicht haben. Ich selbst bin nun erstmals in der komfortablen Situation in Sachen Nominierungen vor einer schwierigen Wahl zu stehen, da wir sehr viel mehr Tiefe entwickelt haben. Wir könnten mittlerweile selbst den Ausfall von Spielerinnen verkraften, die bis vor kurzem noch als unersetzlich gegolten haben.
Außerdem stehen wir gerade im Kontakt mit der chinesischen Frauen-Nationalmannschaft, die von Mitte Mai bis Mitte Juni in Köln sein wird. Von dort aus wird das Team etliche Turniere in Europa bestreiten und wir wollen bis dahin auch gemeinsame Einheiten mit den Chinesinnen absolvieren. Sollte sich das nicht realisieren lassen, wird unsere Nationalmannschaft erst vier Tage vor Turnierbeginn wieder zusammenkommen.
TR: Im Vorjahr ist die Mannschaft als Dritter in der Abschlusswertung hauchdünn am Wiederaufstieg in die höchste europäische Spielklasse GPS gescheitert. Wie sind die Zielsetzungen in diesem Jahr, ist der Aufstieg weiterhin die Maßgabe?
Smith: Wie du bereits erwähnt hattest, es war sehr eng im letzten Jahr. Wir werden in diese Turniere im Sommer mit der Zielsetzungen es wieder in die Grand Prix Serie zu schaffen. Unter der Annahme, dass wir es schaffen sollten; Die Mädels wissen was dann auf sie zukommen würde - deutlich mehr Arbeit aber nicht unbedingt mehr Budget. Aber natürlich würden wir auf Sponsoren hoffen, die uns eine bessere Vorbereitung ermöglichen könnten.
TR: Mit deiner Erfahrung aus dem Vorjahr und den vielen Scouting-Trips, die den Winter über unternommen hast: Wo liegen die Stärken der deutschen Mannschaft und woran müssen wir arbeiten?
Smith: Woran wir wirklich noch am meisten arbeiten müssen, ist unsere Ausführung der Basics unter Druck. Wenn wir im Spiel unter Anspannung stehen werden unsere Pässe und das Ballfangen direkt schlechter. Aber da wir ein weites expansives Spiel spielen wollen, ist es genau das, was funktionieren muss! Den Ball in den Raum bringen und den Spielfluss fortführen ist unser Angriffs-Prinzip.
Was wir allerdings bereits haben ist die Geschwindigkeit. Alysha Stone kann allen Teams davonrennen und sie hat das schon vor unserem Abstieg gegen die Engländerinnen oder Spanierinnen getan. Steffi Gruber ist eine weitere pfeilschnelle Spielerin die ebenso stark ist. Deshalb müssen wir den Ball auf die Außen bekommen um diese Stärke auszunutzen.
Sollten wir dann aber nicht direkt durchkommen, müssen wir aus dem Außenkanal wieder in die Mitte und unsere Stärke einsetzen. Unsere Stürmerinnen können die Kontaktsituationen dominieren und wenn sie das tun, können wir ihre Stärke im Offload-Spiel nutzen. Wenn wir diese beiden Elemente gut einsetzen, können wir jedes Team auf der Trophy-Tour schlagen.
TR: Das ist ein gutes Stichwort! Wen siehst du als den stärksten Widersacher im Aufstiegskampf?
Smith: Schottland wird sicher wieder der stärkste Gegner. Sie haben mit Scott Wight einen neuen Trainer. Wight ist ehemaliger Spieler der Glasgow Warriors momentan Kapitän der schottischen Siebener-Nationalmannschaft der Herren. Dadurch, dass sich die Frauen GP-Serie und die World Series der Männer nicht überschneiden, kann er bei den Frauen erste Erfahrungen in Sachen Trainertätigkeit machen. Natürlich wird ein guter Spieler nicht automatisch ein guter Trainer, aber er wird bei den Schottinnen sicher einiges bewegen können.
Letztes Jahr haben wir zwei Mal gegen die Schottinnen gespielt und dabei ein Spiel gewonnen und eines verloren. An einem guten Tag haben wir immer eine Chancen gegen sie. Bereits beim ersten Turnier in Ostrava werden sie unser Gruppengegner sein.
TR: Wie siehst du die Perspektive bei den deutschen Siebener-Damen?
Smith: Gut, dass du das ansprichst. Ich habe gerade dem DRV einen Bericht abgeliefert über die Ergebnisse meiner Sichtungen seit dem Ende der letzten Saison. Insgesamt habe ich im Herbst beginnend fünf Sichtungstrainings abgehalten, angefangen in Dortmund mit rund 40 Teilnehmerinnen. Danach ging es nach Hannover, wo 45 Spielerinnen dabei waren, in Heilbronn gar 75, in Berlin 40 und vorletzte Woche beim letzten Training in Bayern waren es wieder 40. Es hätten noch mehr kommen wollen, doch wir mussten die Teilnehmer-Zahlen beschränken.
Bei jedem Sichtungstraining habe ich mindestens vier oder fünf Spielerinnen gesehen, die Kandidaten für einen B-Kader wären. Für diese Spielerinnen wird es ein weiteres Trainingscamp geben. Sie sind die nächsten Kandidatinnen für die Nationalmannschaft, das wird uns auch in Sachen Kadertiefe helfen. Es gibt noch viel Arbeit zu tun, aber diese 18-25 Mädels haben super Voraussetzungen. Damit können wir unser Siebener-Programm auf eine gute Basis stellen. Damit sehe ich für das Siebener-Rugby der Frauen gute Chancen - es wird weiter wachsen und stärker werden.
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