Wohin führt der Weg von Stade Français mit seinem Superstar und Kapitän Parisse (rechts im Bild)?
Der erste April ist nunmehr gute drei Wochen her, doch so manch ein deutscher Rugby-Fan in Deutschland wird sich am gestrigen Abend verwundert die Augen gerieben und zur Sicherheit seinen Kalender überprüft haben. Die französische Rugby-Bibel Midi Olympique - eine zwei Mal wöchentlich erscheinende Rugby-Fachzeitung mit einer Auflage von etwa 100.000 pro Ausgabe - berichtete doch tatsächlich, dass Hans-Peter Wild am Kauf des französischen Top 14 Traditionsklubs interessiert sei. Der Gründer und Financier der Wild Rugby-Akademie, der größte Gönner im deutschen Rugby soll am Kauf des französischen Meisters von 2015 Stade Français Paris interessiert sein?
Doch auf den zweiten Blick scheint diese Geschichte gar nicht Mal derart abwegig zu sein. An der Grundvoraussetzung, dem nötigen Kleingeld, sollte dieser Deal definitiv nicht scheitern. Die Wirtschafts-Fachzeitung Forbes, die mit ihrer alljährlichen Liste der reichsten Menschen der Welt als Referenz gilt, schätzt das Vermögen von Wild nach dem Verkauf von einem Großteil der Wild-Werke an einen amerikanischen Konkurrenten (Capri-Sun verbleibt im Besitz des in Zug residierenden Heidelbergers) auf etwa drei Milliarden US-Dollar in bar. Angesichts des „bescheidenen" jährlichen Budgets von €27,5 Millionen von Stade Français, dem drittgrößten in der höchsten französischen Spielklasse hinter Toulouse und Clermont, könnte sich der 75-jährige dieses Hobby auf absehbare Zeit leisten. Dass Hans-Peter Wild, dessen Vater einst in den Farben des Heidelberger Ruderklubs dem ovalen Ei nachjagte, ein riesiger Rugby-Fan ist, steht ebensowenig in Zweifel.
Als Indiz wird in der Midi Olympique der Besuch von WRA-Manager Robert Mohr und Nationaltrainer Kobus Potgieter bei Stade Français vor zwölf Tagen angeführt. Nach offizieller Lesart waren beide im Rahmen der U18-EM vor Ort. Festzuhalten bleibt aber, dass ein solcher Besuch nichts außergewöhnliches ist. Sowohl Mohr als auch Potgieter waren vor etwa einem Jahr beim anderen französischen Hauptstadtklub Racing zu Besuch, um das Trainingszentrum und die Arbeitsweisen des Spitzenteams genauer unter die Lupe zu nehmen.
Erst im vergangen Monat war der Versuch gescheitert beide Pariser Klubs, Dauer-Rivalen seit dem ersten französischen Meisterschaftsfinale im Jahr 1892, zu fusionieren. Proteste von Fans, Spielern und der Pariser Stadtverwaltung, die den Stadionumbau der Stade-Heimstätte finanziert hatte, führten innerhalb von nur sechs Tagen dazu, dass die Pläne genauso hastig wieder abgeblasen wurden, wie sie verkündet wurden. Doch angesichts der finanziellen Schieflage des Vereins, dessen Besitzer und Präsident Thomas Savare seine Anteile verkaufen will und bis zum 5. Mai Interessenten die Chance gibt, in Verhandlungen zu treten, ist die Zukunft von Stade Français nun völlig offen.
Sollte Wild tatsächlich zum neuen Besitzer von Stade Français werden, wäre dies ein absolutes Novum. „Wird Stade Français nun deutsch?“ titelte beispielsweise die beliebte französische Rugby-Internetseite rugbynistere.com. Doch die ersten Reaktionen in den sozialen Medien in Frankreich waren durchaus positiv. Als alternativer Bieter wurde in den letzten Tagen jene katarische Investmentgruppe genannt, die den Pariser Fußballklub PSG vor wenigen Jahren übernommen hatte. Kurioserweise trennt nur eine einzige Straße die Stadien beider Klubs, jedoch scheint Wild bei Stade-Fans mehr Ansehen zu genießen, als die als verschwiegen geltenden Kataris.
Der Kader des 14-maligen französischen Meisters Stade Kader umfasst so illustre Namen wie den von Italien-Kapitän Parisse, dem Weltmeister von 2007 Morne Steyn, oder Wallabies Gedrängehalb Will Genia. Die Mannschaft befindet sich nach einem schwachen Saisonstart wieder auf dem Vormarsch und liegt als Siebter in Frankreich nur noch einen Platz und drei Punkte hinter den Champions-Cup-Rängen. Im kleineren der beiden europäischen Klubwettbewerbe steht Stade in zwei Wochen gar im Finale von Edinburgh gegen Gloucester. Doch so viel geballte sportliche Power bedeutet eben auch, dass man höchstwahrscheinlich keine deutschen Spieler bei Stade zu sehen bekommen wird. Einzig Damien Tussac hätte wohl die nötige Erfahrung sich bei Stade durchzusetzen. DRV-XV-Verbinder Christopher Hilsenbeck spielt immerhin bei einem Top-Klub der zweiten Liga, müsste bei Stade aber an Frankreich-Verbinder Jules Plisson und Ex-Springboks-Verbinder Morné Steyn vorbei, um an Spielzeit zu kommen.
Das deutsche Rugby könnte jedoch durch einen engere Zusammenarbeit im Jugendbereich oder im Austausch von Fachwissen auf Trainer- und administrativer Ebene profitieren. Sollte dieser Deal tatsächlich stattfinden - wir betonen, dass es sich hierbei bisher nur um unbestätigte Gerüchte handelt - bleibt zu hoffen, dass die Unterstützung von Hans-Peter Wild für das deutsche Rugby nicht zurückgefahren wird.
Die Wild Rugby-Akademie hat auf eine entsprechende Anfrage von TotalRugby noch keine Stellungnahme abgegeben.
|