Neuseelands Jerry Collins, Sione Lauaki und Neemia Tialata
Polynesier haben mit ihrer unnachahmlichen, von purer Kraft strotzenden Spielweise einen enormen Einfluss auf den internationalen Rugbysport. Eine neue Theorie besagt, dass sie es ihren Genen zu verdanken haben, dass sie so muskulös, stark und daher mit einem größeren sportlichen Potential gesegnet sind.
Wissenschaftliche Tests versuchen, die Hintergründe für die offensichtlichen Vorteile der Polynesier im Bezug auf natürliche Muskelmasse, Hand zu Auge Koordination und Rhythmusgefühl zu ergründen.
In der anatomischen Abteilung der Otago University (Neuseeland) hat Professor Philipp Houghton viele Jahre damit zugebracht, die Entwicklungsgeschichte von Menschen mit polynesischen Wurzeln zu untersuchen, er hat darüber sogar eine Buch verfasst (People of the Great Ocean).
Houghtons Theorie geht davon aus, dass die Polynesier vor vielen hundert Jahren in kleinen Booten die Pazifischen Inseln besiedelt haben und sich bei diesem Unterfangen den widrigsten Bedingungen wie z.B. bitterer Kälte ausgesetzt sahen.
„Der Pazifik kann ein ziemlich ungemütlicher Ort werden, insbesondere für Leute, die mit wenig Schutz vor Kälte und Nässe in einer Nussschale auf ihm herumgleiten“, so Houghton.
Prop Neemia Tialata und Dritte Reihe Stürmer Lauaki
„Wir gehen davon aus, dass Polynesier und Fidschianer dies nur überleben konnten, indem sie sich ziemlich schnell den Bedingungen anpassten. Je kräftiger du bist und je mehr Muskeln du hast, desto mehr Wärme vermag dein Körper zu produzieren.“
„Diese ausgeprägte Muskulatur ist ganz typisch für Leute aus kalten Klimaregionen. Skandinavier zum Beispiel sind sehr groß und muskulös und auch die Inuit (Eskimos) sind sehr muskulös, wenn auch nicht unbedingt sehr groß. Dagegen sind die Leute aus den heißeren Regionen der Erde meist eher klein, oder wenn sie groß sind, sind sie zumindest meist relativ schmächtig.“
„Wenn man sich die Aborigines, Afrikaner oder Menschen aus den tropischen Regionen in Asien anschaut, sticht einem dies besonders ins Auge. Durch das verhältnismäßig geringe Körpergewicht heizen sich ihre Körper nicht so stark auf.“
Houghton geht davon aus, dass nur die stärksten der polynesischen „Eroberer“ überlebten und wenn sie eine Insel erreicht hatten, wurden einige sesshaft. Diejenigen, die noch Kraftreserven hatten, zogen weiter. So entwickelte sich eine enorm kräftige Population.
Zunächst war es also der Evolutionsdruck, welcher die Insulaner dazu veranlasste große Muskelpakete zu bilden, dabei ist außerdem auffällig, dass die Skelettmuskulatur der Polynesier zum großen Teil aus sogenannten „Fast-Twitch“-Muskelfasern (auch als weiße quergestreifte Muskulatur bezeichnet) besteht.
Diese zeichnen sich durch eine anaerobe Energiegewinnung aus, d.h. sie verstoffwechseln vergleichsweise wenig Sauerstoff, wodurch Menschen mit vieler solcher Fasern in der Lage sind, immer wieder für kurze Zeit große Mengen an Energie zur Verfügung zu haben und sich in kurzen Pausen fast vollständig erholen zu können. Das ist natürlich gerade für eine Sportart wie Rugby, aber auch in Sprintsportarten, Gewichtheben, oder Boxen extrem vorteilhaft.
Houghton ist der Meinung, dass der große Anteil an „Fast-Twitch“-Muskelfasern ein weiterer entscheidender Faktor für das Überleben von Lomus Vorfahren war, die Anforderungen an ihr Muskelkorsett waren klar umrissen, es ging in erster Linie darum, den Körper mit Wärme zu versorgen und dafür ist diese Art von Muskulatur ideal. Das könnte also der Grund dafür sein, dass die polynesische Bevölkerung auch heute noch mehr von ihnen hat, als z.B. Asiaten oder Europäer.
Doch dieses Muskelprofil hat auch seine Schattenseiten – was einst ein Vorteil war, wird unserer Tage, da die wenigsten noch Kälte leiden müssen, von vielen Experten als entscheidender Faktor für zahlreiche Zivilisationskrankheiten, wie z.B. Herzinfarkte, Diabetes, Gicht und Fettsucht – die vor allem in der polynesischen Bevölkerung überdurchschnittlich stark verbreitet sind – gesehen.
Das relativ neue Phänomen von immer mehr Polynesiern, die sich im Spitzensport einen Namen machen, ist der Tatsache geschuldet, dass die Polynesier ihr genetisches Potential lange Zeit auf Grund ihres Lebensstils nicht ausschöpfen konnten.
Houghton sagt: „ Aufzeichnungen belegen, dass auf den Inseln sehr oft Nahrungsknappheiten herrschten, welche entweder Trockenperioden oder Naturkatastrophen geschuldet waren. Obwohl die Polynesier schon seit einigen Jahren vorwiegend keinen Hunger mehr leiden müssen dauert es eine Weile, bis sie unter diesen verbesserten Vorrausetzungen ihr volles körperliches Potential entfalten können. Man kann diesen Trend sogar in der westlichen Welt beobachten, auch dort ist die heutige Jugend sehr viel größer und kräftiger als noch ihre Großeltern – es handelt sich dabei um ein weltweites Phänomen.“
Nicht zu unterschätzen ist auch die besondere Vorliebe der Polynesier für Taro, welches wie z.B. die Kartoffel sehr viel Stärke enthält. Kombiniert mit einer ausgewogenen Ernährung, wie sie jungen Sporttalenten heute schon in der frühsten Kindheit zu eigen wird, gelingt es der neuen Generation polynesischer Sportler, ihr Potential besser zu entfalten.
Jonah Lomu räumte selbst ein, dass das professionelle Umfeld bei den All Blacks und die dort vermittelte Lebenshygiene mitentscheidend für seine körperliche Entwicklung waren.
Interessanterweise sind junge Polynesier, die einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, immer noch deutlich muskulöser als die wohlgenährte Jugend in den USA oder Europa, so Houghton. Studien an körperlich inaktiven Erwachsenen polynesischer Abstammung in Neuseeland ergab, dass selbst diese dem Durchschnitt der europäischen Bevölkerung im Bezug auf Arm-, Bein- und Brustumfang deutlich überlegen sind.
Houghton sieht die Polynesier auf Augenhöhe mit den für ihre große Muskelmasse bekannten Afroamerikanern und Nordeuropäern.
„Auch die starke körperliche Konstitution der Afroamerikaner ist einem Selektionsprozess geschuldet. Es wurden konsequent die kräftigsten Afrikaner als Sklaven genommen, da man sich von ihnen eine höhere Arbeitskraft versprach und die modernen Afroamerikaner sind die Nachfahren derer, die diese fürchterliche Auslese überlebten“, sagt Houghton.
„Ich bin der Meinung, dass Polynesier von Natur aus die kräftigsten Menschen der Welt sind und darauf sollten sie stolz sein, schließlich haben ihre Vorfahren dafür viele Entbehrungen in Kauf genommen“, so Houghton abschließend.
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