TR-Vorschau Europacup-Halbfinale: Geht Munsters Traum-Saison nach tragischem Trainer-Tod weiter?
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 19. April 2017
Für Munster-Kapitän O\'Mahoney war sein verstorbener Trainer Foley sein Idol. Seit er Foley eigenhändig zu Grabe getragen hat, spielt der Flanker die wohl beste Saison seiner Karriere. Foto (c) Munster Instagram
An diesem Wochenende werden in Dublin und Lyon die beiden Finalisten des European Champions Cup ermittelt. Die vier verbliebenen Teams wollen am 13.05. im Murrayfield von Edinburgh die höchste Weihe im europäischen Vereinsrugby erringen. Durch die Setzliste nach der Gruppenphase der „Rugby Champions League“ kommt es dabei zu einem Kuriosum: Munster wird im irischen Nationalstadion an der Landsdowne Road, einem der beiden Stadien seines Erzrivalen Leinster, gegen den englischen Meister Saracens um den Finaleinzug kämpfen. Unterdessen wird das eigentliche Heimteam Leinster zwei Flugstunden entfernt in Lyon gegen das französische Top-Team Clermont antreten. Hintergrund: Im Rugby Champions Cup werden die Duelle ab dem Semifinale in „neutralen“ Stadien ausgetragen, da es keine Rückspiele geben wird.
Über die Setzliste wird das nach der Gruppenphase besser platzierte Team immerhin dadurch belohnt, in einem Stadion in der Nähe der eigenen Fanbasis antreten zu dürfen. Im Falle von Munster bedeutet dies, dass eine überwältigende Mehrheit der 52.000 anwesenden Fans am Samstag in Dublin das Stadion in ein rotes Meer, der Farbe der westirischen Traditionsmannschaft, verwandeln wird. Leinster dagegen wird sich in Lyon einer Übermacht von Jaunards-Fans aus Clermont gegenübersehen.
Munster - Saracens Samstag 22. April, 16:15, Aviva Stadium Dublin, Live auf DAZN!
Für Munster Rugby wird diese Saison für immer eine außergewöhnliche, wenn nicht sogar die außergewöhnlichste in der stolzen 138-jährigen Geschichte der Mannschaft bleiben. Das bedeutet etwas bei einem Verein, der einst die übermächtigen All Blacks schlagen konnte. Im vergangenen Oktober war Vereinslegende und Trainer Anthony Foley am Morgen eines Europacupspieltages einem Herzfehler erlegen. Die darauf folgende überwältigende Anteilnahme der riesigen Anhängerschaft Munsters sowie die daraufhin inspiriert aufspielenden Munster-Männern - diese Geschichte hat einfach ein märchenhaftes Ende verdient.
Munster hatte vor guten zehn Jahren seine letzte goldene Ära mit zwei Europapokalsiegen gehabt, jedoch in den letzten Jahren konstant unter den eigenen Möglichkeiten und Erwartungen gespielt. Doch seit dem Tod von Foley schien die Mannschaft aus dem westirischen Limerick nicht mehr zu stoppen. Nur eine Woche nach dem plötzlichen Ableben Foleys erkämpfte sich Munster einen heroischen Sieg in Unterzahl gegen Glasgow in der Champions Cup Gruppenphase - am Tag nachdem mehrere Spieler eigenhändig den Sarg ihres Trainers und Freundes zu seiner letzten Ruhestätte getragen hatten. Es sollten ganze 13 Siege für die Munster-Men in Liga und Europacup folgen.
Welch Achterbahn der Gefühle: Nur 24h nach der Beerdigung ihres Trainers spielten Munsters Männer das Spiel ihres Lebens
Am Wochenende wartet aber auf Munster niemand geringeres, als der amtierende Double-Sieger Saracens. Die Nord-Londoner sind mit ihrem Monster-Sturm eine der gefürchtesten Mannschaften Europas und werden sich von den 50.000 Munster-Fans im Aviva Stadium in Dublin nicht beeindrucken lassen. Immerhin hatten die Titelverteidiger ihren Titel im Vorjahr gegen knapp 60.000 fanatische Franzosen auf den Rängen und Frankreichs damaligen amtierenden Meister Racing 92 auf dem Platz von Lyon geholt.
Für Munster folgten die ersten Wackler in dieser Saison erst nachdem der überragende Gedrängehalb Conor Murray sich bei der irischen Niederlage in Wales während der Six Nations an der Schulter verletzte. Sein Einsatz an diesem Wochenende ist mehr als fraglich. Ein anderer Leistungsträger jedoch steht nach einer Verletzung vor seinem Comeback. CJ Stander, die irische Abrissbirne südafrikanischen Ursprungs, wird wohl gegen Saracens wie gewohnt auf der Acht starten. Immerhin gilt es Englands besten Sturm mit seinem Gegenüber auf der Acht, Billy Vunipola, unter Kontrolle zu halten.
Dieser wird Seite an Seite mit seinem wiedergenesenen Bruders Mako auflaufen und Munsters Angriffsmaschinerie zu stoppen versuchen. Owen Farrell wird wie gewohnt die Strippen als Verbinder ziehen und dabei versuchen Chris Ashton auf Außen ins Spiel zu bringen. Dieser erlebt in seiner letzten Saison bei den Saracens gerade seinen dritten Frühling und könnte mit einem einzigen Versuch den Rekord von Vincent Clerc von 36 Versuchen im Europacup überbieten. Ashtons Duell mit den beiden Munster-Außen Simon Zebo und Keith Earls dürfte extrem spannend zu verfolgen sein.
In ihrem fünften Europacup-Halbfinale in Folge werden Saracens nichts unversucht lassen um im insgesamt neunten Duell mit Munster den erst dritten Sieg einzufahren. Sollte ihnen das gelingen, wäre dies zugleich die längste Europacup-Serie ohne Niederlage. Denn momentan stehen die Londoner bei 16 ungeschlagenen Spielen.
ASM Clermont-Auvergne - Leinster Sonntag 23. April, 16:00, Stade de Gerland Lyon, Live auf DAZN!
Während das erste Halbfinalduell mehr vom erbarmungslosen Sturmkampf der beiden Rugby-Schwergewichte Munster und Saracens lebt, können sich Rugby-Feinschmecker am Sonntag auf ein regelrechtes Angriffsfeuerwerk der Dreiviertelreihen gefasst machen. Leinster und Clermont sind in ihren Ligen jeweils diejenige Mannschaft, die die meisten Versuche erzielt. Während Clermont im Schnitt etwas weniger als vier Versuche pro Partie erzielt, liegt Leinster sogar deutlich über dieser Marke. Angesichts solch illustrer Namen wie Morgan Parra, Hosea Gear und David Strettle bei Clermont sowie Johnny Sexton, Robbie Henshaw und Irlands Shooting Star Garry Ringrose bei Leinster dürfte dies keinen geneigten Beobachter verwundern.
Aber auch Neulinge wie Leinsters Adam Byrne, der auf dem Wing in seiner ersten richtigen Saison bei Leinster bisher absolut zu überzeugen wusste, machen Leinster zur momentan besten Mannschaft in der Pro 12. Byrne hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass Irland ab diesem Sommer in der Grand Prix Serie gegen unsere Siebener-Jungs antreten wird. Seine Schnelligkeit und sein blitzschnelles Spielverständnis aus seiner Zeit mit Irlands Siebener-Auswahl hat ihn dabei ein ums andere Mal auch im Fünfzehner im Blau Leinsters ausgezeichnet.
Beim letzten Europacup-Halbfinale vor zwei Jahren konnte Clermont vor 40.000 fanatischen Fans den Favoriten Saracens eliminieren
Clermont ist derweil zweiter in Frankreichs Top 14 und kommt mit viel Selbstbewusstsein im Gepäck in das Halbfinal-Duell mit Leinster. Mit 59:18 aus ASM-Sicht konnten die Männer aus der Michelin-Stadt am vergangenen Wochenende den Vorletzten Grenoble in dessen Stadion verprügeln. Auch ohne den Talisman und besten Spieler Wesley Fofana, den im Februar einmal mehr das Verletzungspech heimgesucht hatte, spielt Clermont momentan in Topform.
Wenig überraschend, dass Ex-Leinster-Größe Gordon D’Arcy seine Mannschaft als Außenseiter sieht. Auch Assistenz-Trainer Stuart Lancaster gibt zu bedenken, dass Leinster seine letzten vier Trips nach Frankreich mit einer Niederlage besiegelte. Doch genauso sehr betont der ehemalige England-Coach wie sehr man in Dublin dem vierten Europacup-Titel entgegenstrebe. Dann läge man mit Toulouse als beste Mannschaft der Geschichte des Europacups gleichauf.
Bitter für Clermont: Mit Noa Nakaitaci fehlt ein weiterer Schlüsselspieler, da sich der fidschianisch-französische Außen beim Viertelfinalsieg über Toulon das Kreuzband gerissen hat. Doch verlassen kann sich Clermont auf seinen fanatischen Anhang. Von den gut 42.000 Zuschauern am Sonntag in Lyon werden gute 35.000 über den offiziellen Fanklub Yellow Army die etwa 170 km von Clermont aus zurücklegen. Bereits vor zwei Jahren hatte der fanatische Anhang seine „Jaunards“ mit mehr als 30.000 lautstarken Fans in Saint Etienne gegen die scheinbar übermächtigen Saracens ins Champions Cup Finale gebracht. Wohl kein anderer Rugby-Verein, mit der Ausnahme von Munster, wird derart religiös vergöttert und das trotz der Tatsache, dass Clermont das Stigma des ewigen Zweiten anheftet. Sollte es am 13.05. in Edinburgh tatsächlich zum Traumfinale Munster-Clermont kommen, dürften die Rängen des Murrayfield erbeben wie noch nie.