Gelingt es Irland das Kunststück von 2011 zu wiederholen? Damals kam England ebenso mit Grand Slam Ambitionen nach Dublin und kassierte eine Abfuhr!
Der Six Nations Super-Samstag ist nicht der super, wie er es sein könnte. Der Titelkampf ist entschieden, England steht als Gewinner fest. Doch neben der Kleinigkeit des Grand Slams geht es übermorgen auch noch um einen Weltrekord und die Chancen von Frankreich und Wales bei der kommenden WM in Japan!
Schottland - Italien, Murrayfield Edinburgh, Samstag 13:30, LIVE BEI DAZN!
Vor dem Start der diesjährigen Six Nations hätte es sicherlich wenige Beobachter und Experten überrascht, dass vor dem abschließenden Spieltag Italien und Schottland auf den letzten beiden Plätzen verharren. Doch immerhin trennen die Kellerkinder des traditionsreichsten Rugby-Turniers der Welt neun Punkte in der Tabelle und knapp 100 Zähler in der Punktedifferenz. Beide Ziffern sind Zeuge des Aufschwungs der schottischen Mannschaft, die gegen die favorisierten Iren und Wales daheim gewinnen konnte, nur um auswärts zum Teil deftige Schlappen gegen Frankreich und England einzufahren.
Auch spielerisch konnten die Bravehearts erstmals seit langem wieder Glanzlichter setzen. Die Dreiviertelreihe um den Strippenzieher Finn Russel und den Finisher Stuart Hogg verzückte gerade im heimischen Murrayfield die eigenen Fans. Mit einem dritten Sieg könnte das Team vom scheidenden Trainer Vern Cotter noch einen gehörigen Satz in der Tabelle machen, denn selbst die momentan zweitplatzierten Iren sind den Schotten nur einen Punkt voraus. Im besten Falls also würde folgendes Szenario eintreten: Irland verliert gegen England und Wales bezwingt Frankreich, ohne dabei einen Extrapunkt für vier erzielte Versuche einzufahren. Dann würde den Schotten gegen Italien ein Sieg mit vier Versuchen genügen, um mit dem zweiten Platz das beste Resultat seit 2000 einzufahren.
Dass dies gegen Italien gar nicht Mal sonderlich utopisch ist, zeigt die momentane Schwäche der Azzuri. Diese hatten in keinem bisherigen Spiel eine realistische Chance auf einen Sieg und verloren jedes ihrer Spiele mit mindestens drei Versuchen Abstand. Einzig der taktische Kniff gegen England, als Coach Conor O’Shea seine Männer instruierte keine Rucks zu kreieren und damit den englischen Spielaufbau entscheidend stören zu können, hielt die Italiener gegen England lange im Spiel. Erneut ganze 55 Tackles zu verpassen, wie es den Italienern gegen Frankreich passiert ist, würde mit ziemlicher Sicherheit die fünfte Niederlage im fünften Spiel bedeuten.
Dabei hat Englands Coach Eddie Jones den Italienern am vergangenen Wochenende bereits die Blaupause geliefert, wie man die Verteidigung der Schotten aus den Angeln hebt. Der Rekord-Sieg der Engländer, der mit sieben Versuchen und 40 Punkten Abstand heftig ausfiel, beruhte laut England Coach an einer Schwäche in der schottischen Verteidigung. Diese sei gut auf die klassische Schwachstelle vieler Defensiven, die Attacke auf die Innenschulter, vorbereitet. Doch auf kurze Bälle vorm Kontakt auf die Außenseite sei dies nicht der Fall gewesen. Tatsächlich kassierte Schottland bereits in Hälfte eins gegen England gleich drei Versuche nach dem gleichen Schema. Jeweils stürmte Englands Dreiviertelreihe nach erfolgreicher Gasse in vollem Tempo auf die Schotten zu und manipulierte deren Struktur so, dass am Ende jeweils ein ungehinderter Durchbruch stand.
Ob Italien aber in der Lage sein wird, diese Schwäche auszunutzen bleibt fraglich. Der Dreiviertelreihe der Azzurri fehlt schlicht die Klasse, um bei vollem Tempo derart präzise zu operieren. Dementsprechend selbstsicher zeigen sich Schottlands im Vorfeld der abschließenden Partie. Ersatz-Verbinder Duncan Weir meinte, gegen die Azzurri gelte es den Ausrutscher gegen England wettzumachen. Schottlands Assistenz-Trainer Jonathan Humphreys ist sich sicher, dass die Italiener nicht die gleiche Gefahr über die Dreiviertelreihe seien, wie England. Wobei er sich gleichzeitig genötigt sah zu betonen, dass Italien den Schotten anderweitig gefährlich werden könne. Wie genau diese Gefahr aussehe, spezifizierte Humphreys indes nicht. Ein italienischer Sieg, wie beim letzten Aufeinandertreffen an gleicher Stelle 2015, scheint unwahrscheinlich.
Frankreich - Wales, Stade de France Paris, Samstag 15:45, Live bei DAZN!
Für Frankreich geht es am Samstag um deutlich mehr als nur den möglichen zweiten Platz bei der diesjährigen Ausgabe des „Tournoi“, wie die Six Nations bei unseren Nachbarn jenseits des Rheins genannt werden. Frankreich droht - im Falle einer deutlichen Niederlage gegen Wales - das Abrutschen im World Rugby Ranking aus den Top 8 heraus. Das käme, so kurz vor der Auslosung der Gruppen für die nächste WM, dem Lostopf drei und damit einer möglichen Todesgruppe gleich. Wales dagegen kommt mit Oberwasser an die Seine. Den Walisern unter Interims-Coach Rob Howley war gegen Irland die große Überraschung gelungen. Nachdem man gegen England bereits kurz davor war ein deutlich besser eingeschätztes Team zu bezwingen, vollendeten die Waliser ihren Coup am vergangenen Freitag. Zwar ist der Titel nach der unnötigen Niederlage gegen Schottland außer Reichweite, doch auch ein zweiter Platz würde in Wales als Erfolg gewertet. Außerdem könnte Wales im Falle eines Sieges und einer gleichzeitigen irischen Pleite gegen England auf Rang vier der Weltrangliste rutschen. Da bis zur Auslosung der Gruppenphase für die WM 2019 keine weiteren Spiele mehr anstehen, würde dies bedeuten, dass Wales den drei besten Teams der Welt aus dem Weg gehen kann.
In Wales wurde indes die öffentliche Kritik an Coach Howley, der in dieser Lions-Saison den eigentlichen Cheftrainer Warren Gatland vertritt, dennoch größer angesichts dessen Personal-Entscheidungen. Dieses Spiel sei eine weitere verpasste Chance dem jungen Verbinder Sam Davies von Beginn an heranzulassen urteilte Rugby-Journalist Andy Howell. Der junge Osprey gilt als Wales beste Offensiv-Waffe seit langem und das größte Nachrichten-Portal des Landes „Wales Online“ sieht in ihm eine Chance im Jahr 2019 tatsächlich zum Titelkandidaten zu werden. Stattdessen vertraut Coach Howley auf den soliden aber oftmals biederen Dan Biggar. Ebenso wird im Rugby-verrückten Wales häufig gefordert, den konterstarken Liam Williams auf Schluss starten zu lassen und Leigh Halfpenny auf seine frühere Position Außen zu transferieren. Williams gilt mit seiner körperlichen Präsenz als bessere Option die gegnerischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, während Halfpenny vor allem wegen seines präzisen Kick-Spiels in der Startaufstellung ist.
Wales beste Neuentdeckung der diesjährigen Six Nations, Nummer acht Ross Moriaty, behält derweil seinen Platz vor dem wiedergenesenen Stammhalter Taulupe Faletau. Moriaty hat sich als physisch ultra-präsenter Ballträger und Defensiv-Wand auf der Acht etabliert. Seine Rolle in den letzten Wochen ist der eines Louis Picamoles nicht unähnlich. Das Duell der beiden Super-Stürmer verspricht ein sehr interessantes zu werden, zumal Moriaty für Gloucester und Picamoles für Northampton spielen - zwei Vereine die eine ausgeprägte Rivalität verbindet.
Picamoles gilt als gefährlichster Ballträger der Franzosen und mit Sebastien Vahaamahina kommt ein weiterer absoluter Riese in den französischen Sturm. Neben der bereits genannten Gefahr in den dritten Lostopf für die WM-Auslosung zu landen, gilt es für „les Bleus“ auch das momentane Chaos rund um die angedachte Fusion der beiden Pariser Topklubs Stade und Racing ein wenig zu überschatten. Frankreichs Rugby-Community steht immer noch unter Schock und ein Sieg gegen Wales wäre für viele Franzosen Balsam auf die geschundene Rugby-Seele. Interessant wird dabei zu beobachten sein, wie die von der Fusion betroffenen Spieler (Slimani, Brice Dulin, Camille Chat, Eddy Ben Arous) auf die Situation regieren werden. Nationaltrainer Guy Novès jedenfalls sah keinen Anlass Änderungen in seiner Aufstellung vorzunehmen. Vahaamahina bleibt der einzige Neuling in der Mannschaft.
Viel wird von der Leistung von Louis Picamoles abhängen, damit Frankreich der Todesgruppe bei der WM 2019 entgehen kann
Irland - England, Landsdowne Road Dublin, Samstag 18:00, Live bei DAZN!
Vor Beginn des Sechs-Nationen-Turniers hatten die meisten Experten einen Showdown um den Titel bei genau diesem Spiel erwartet. Der Titelverteidiger trifft am letzten Spieltag der Six Nations auf den größten Herausforderer. Und tatsächlich tritt am Samstag-Abend der Tabellenerste beim Zweiten an. Nur leider haben die Iren sich mit der unerwarteten Auftaktniederlage gegen Schottland, sowie der überflüssigen Niederlage in Cardiff am vergangenen Freitag jegliche Titelchancen bereits verspielt.
Gerade deshalb wird Irland vor eigenem Publikum alles daran setzen das Championat versöhnlich abzuschließen. Zumal man dem Erzfeind England gehörig in die Suppe spucken könnte. Denn Englands Nationalmannschaft steht nicht nur vor ihrem zweiten Grand Slam in Folge. Kapitän Hartley und Co. könnten den Weltrekord der All Blacks mit 18 Siegen in Folge übertreffen. Pikantes Detail am Rande: Die Rekord-Serie der All Blacks wurde von eben jenen Iren beendet. Erneut könnte also Irland den Spielverderber spielen. Angesichts der tief sitzenden Antipathie zwischen beiden Mannschaften wäre dies Genugtuung für so manchen irischen Fan.
Bereits 2001 und 2011 war England mit der Ambition sich den Grand Slam zu sichern in die irische Hauptstadt gefahren und jeweils gescheitert. Trotz all dieser Anreize wird Irland bei den Buchmachern als Underdog gehandelt. Auch Irlands namhaftester Rugby-Korrespondent Garry Thornley von den Irish Times sieht England schlussendlich vorn: „Es geht für sie schlicht um mehr.“
Gerade von Thornley ist man derlei Pessimismus nicht gewöhnt. Doch auch auf englischer Seite ist man alles andere als siegessicher. Matt Dawson, Weltmeister mit England 2003, glaubt an die Stärke der englischen Dreiviertelreihe. Dawson ist aber ebenso sicher, dass ein ähnlicher Kantersieg gegen die schnell aufrückende Defensive der Iren nicht möglich sein wird. Dawson sieht Englands Vorteil eher im Sturm. Dort müsse das Momentum generiert werden um mit Anlauf auf Irlands explosives Mittelfeld-Duo Henshaw-Ringrose anlaufen zu können.
Im englischen Camp weiß man die Geschichte nicht unbedingt auf seiner Seite. Denn keine andere Mannschaft hat häufiger die Chance auf einen Grand Slam verspielt. Den Engländern gelang dieses Kunststück ganze sieben Mal. Eddie Jones ließ dementsprechend auch verkünden, dass ihn derlei Geschichten nicht im Geringsten interessieren würden.
Irlands eingespielte Fünfzehn wird am Samstag alles dafür tun Englands Party-Pooper zu sein. Dieses Duell ist sicherlich auch eine Art Ausscheidung für die wenigen begehrten Tickets nach Neuseeland mit den British and Irish Lions. Johnny Sexton wird als der erfahrenere der beiden Zehner ein gutes Spiel haben müssen um die Konkurrenz - Finn Russel, Dan Biggar und nicht zuletzt sein Gegenüber George Ford - auszustechen.
Ebenso interessant dürfte das Aufeinandertreffen der beiden Sturmreihen werden. Dylan Hartley hat seit seiner Installierung als Kapitän Englands eine makellose Bilanz. Doch genauso wird dem Enfant Terrible eine grassierende Formschwäche vorgeworfen. Kaum vorstellbar also, dass Lions-Coach Gatland sich für den gebürtigen Neuseeländer entscheidet. Sein Gegenüber Rory Best, ebenfalls Kapitän seiner Mannschaft, gilt schon eher als Kandidat für die Lions. Doch Bests unterdurchschnittliche Gasseeinwürfe haben Irland in der vergangenen Woche gegen Wales wohl den Sieg gekostet.
|