Erfolgsrezept oder Totgeburt? Frankreichs ewige Rivalen Stade und Racing stehen vor der Fusion. In der kommenden Woche wird sich dieses historische Ereignis zum 125. Mal jähren. Wir schreiben das Jahr 1892, den zwanzigsten März: Der Vater der modernen olympischen Bewegung, Pierre de Coubertin, pfeift da erste Finale um die französische Meisterschaft im Rugby an. Die beiden Kontrahenten aus der Hauptstadt Paris heißen Stade Français und Racing Club de France. Die Blau-Weißen aus dem mondänen Pariser Westen krönen sich zum ersten französischen Meister im Rugby, doch bereits im folgenden Jahr gelingt dem Rivalen aus dem Zentrum der Metropole die Revanche.
Das ist der Ursprung einer der traditionsreichsten Rivalitäten im Welt-Rugby. Doch nach 125 Jahren scheint es so, als würde dieses Traditionsduell nun ein jähes Ende finden. Nachdem sich Stade Français 2014 und der Rivale aus den Vororten Racing im darauffolgenden Jahr den Bouclier de Brennus, die Meisterschaftstrophäe für Frankreichs beste Mannschaft, sichern konnte, treten die beiden ewigen Rivalen im kommenden Jahr in einem gemeinsamen Team an. Das zumindest war das Resultat eines Communique und einer gemeinsamen Pressekonferenz von Jacky Lorenzetti und Thomas Savare, den beiden Vereinspräsidenten.
Die Ankündigung verursachte Schockwellen im ovalen Universum. Weder in Frankreichs Öffentlichkeit, noch innerhalb der beiden Teams, noch beim Verbandspräsidenten Bernard Laporte hatte man nur die geringste Ahnung. Stade-Veteran Pascal Papé zeigte sich gestern gegenüber der versammelten Presse ebenso verwundert und schockiert, wie sein Kollege Antoine Burbane. Paris Bürgermeisterin Anne Hidalgo schaltete sich ebenfalls in das Politikum ein, hatte die Stadt doch noch vor wenigen Jahre erst €150 Millionen in die Renovierung des Stade Jean-Bouin investiert. Da Racing gerade an seiner neuen Heimat Arena 92 baut, das mit €320 Millionen Baukosten und einer Kapazität von 35.000 Plätzen Europas beste Rugby-Arena werden soll, droht das Investment der Stadt Paris umsonst gewesen zu sein.
Dabei gibt es für den Schritt ein historisches Vorbild. Vom Stade Jean Bouin muss man dafür lediglich auf die andere Straßenseite schauen, wo sich die Heimat vom Fußballklub Paris Saint-Germain befindet. Dieser Klub ist nämlich das Resultat einer Fusion aus dem Jahre 1970. Damals hatte eine Gruppe von Geschäftsleuten die Vereine Paris FC und Stade Saint-Germain zusammengeführt. Doch das Beispiel PSG zeigt genauso, wie schwierig eine derartige Fusion werden kann. Lange Zeit war der Verein eine Art ungeliebtes Kind der Pariser, die nicht als sonderlich sportverrückt gelten. Kurz vor der Übernahme durch eine Investoren-Gruppe aus Katar fanden sich zum Teil keine 10.000 Zuschauer zu Ligaspielen in den Prinzenpark ein. Erst mit dem eingekauften Erfolg und Superstar Ibrahimovic kam auch das Publikum wieder durch die Drehkreuze.
Kurioserweise spielt das reiche Scheichtum auch in diesem Krimi eine entscheidende Rolle. Racing Präsident Lorenzetti gab in einem Interview mit dem französischen Äquivalent des Deutschlandfunk offen zu, mit diesem Schritt einer Übernahme von Stade durch katarische Investoren zuvorzukommen. Sicherlich hätte ein erfolgreicher Lokalrivale mit einer zusammengekauften Truppe aus Stars und Sternchen es dem Bauunternehmer noch schwieriger gemacht, seine neue Arena zu füllen. So wird stattdessen in einer quasi-Übernahme der mit Racing zusammen traditionsreichste Klub der Republik auf dem Altar des kommerziellen Erfolgs geopfert.
Denn Racing hatte, trotz aller Erfolge und Superstars wie Dan Carter in den eigenen Reihen, Probleme sein altes Stadion mit einer halb so großen Kapazität zu füllen. De facto hat der deutlich weniger erfolgreiche Klub Union Bordeaux Bègles aus dem zehn Mal geringer bevölkerten Bordeaux eine höhere Zuschauerzahl als Stade und Racing zusammen. Ob sich das durch diese Fusion ändert wird, bleibt fraglich. Denn innerhalb von wenigen Stunden haben sich online über 50.000 Fans beider Vereine einer Petition angeschlossen, die die Fusion verhindern will.
Denn abgesehen von praktischen Fragen, wie der Heimstätte und den zukünftigen Farben des Klubs ist auch der Aspekt der Wettbewerbsverzerrung ein großes Problem. Wer will verhindern, dass das Duell beider Teams im kommenden Monat im Voraus abgesprochen wird?
Über den zukünftigen Kader soll der aktuelle Trainerstab von Racing entscheiden, was viele Fans von Stade vergraulen dürfte. Sportlich kann diese Fusion durchaus ein Erfolg werden, doch Abseits des reinen Erfolges gibt es keine 24 Stunden nach der Ankündigung mehr Fragen als Antworten.
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