Vor zwei Wochen wurde an dieser Stelle schon einmal die Idee einer Auf bzw. Abstiegsregelung bei den Six-Nations thematisiert und gleichzeitig prophezeit, dass eine Änderung im Reglement höchstwahrscheinlich in weiter Ferne liegt. Seitdem wird eine Umstrukturierung des Turnieres, dass in seiner derzeitigen Form seit 2000 existiert, fleißig von vielen Experten analysiert und diskutiert. Unter anderem plädieren Ex-England Trainer Clive Woodward und sogar der ehemalige Italien-Coach Nick Mallett für die Relegation. Die Zeit für eine Veränderung scheint reif zu sein, so zumindest die Perspektive von Außen.
Die konstant starken Leistungen der georgischen Mannschaft und die positiven Entwicklungen im deutschen Rugby wurden zuletzt weit über die lokale Presse gelobt und anerkannt. Selbst die etablierte „Times“ in England widmete dem DRV-Team einen langen Artikel in der vergangenen Woche.
Die stetigen Leistungssteigerungen der „kleinen“ Rugbynationen beschäftigt die Verbände zurecht mit der Frage, wo die Reise in Zukunft hinführt. Klar, die WM ist für Mannschaften innerhalb der Weltranglisten Top-20 Positionen das große Ziel. Aber immer nur in Vier-Jahres-Zyklen zu planen ist auf Dauer zu wenig.
Georgien (Platz 12) hat in den letzten neun Jahren, acht mal den European Nations Cup gewonnen und steht sogar vor Italien (Platz 14) in der Weltrangliste. Und dennoch scheint es für die Georgier keinen Weg nach oben zu geben. Unterdessen nimmt Italien in diesem Jahr das 18. Mal an dem europäischen Top-Turnier teil. Bei den bisherigen drei Spielen gab es deutliche Niederlagen – der Wodden Spoon wird höchstwahrscheinlich auch in diesem Jahr nach Rom gehen. Elf Mal landete die Azzurri auf dem letzten Platz und der derzeitige Negativrekord liegt bei 10 Niederlagen in Folge und gerade mal 12 aus 88 Spiele konnten gewonnen werden.
Zwar landete Wales, Schottland und Frankreich auch schon mal auf dem letzten Platz seit dem das Turnier von fünf auf sechs Mannschaften aufgestockt wurde, aber die vergangenen Wochen haben deutlich gemacht, dass zwischen Italien und den anderen Teams enorm hohe Qualitäts-Unterschiede liegen. Trotz der unorthodoxen und durchaus kreativen Spielweise, die das Team von Trainer Conor O'Shea am Sonntag in Twickenham gezeigt hat, reicht es nicht um zumindest einen „loosing bonus point“ zu ergattern.
Nichtsdestotrotz blocken die Orginisatoren des Turniers jeden ernsten Vorstoß einer Regeländerung vehement ab. Die Six Nations sind eine privat organisierte Veranstaltung, unabhängig vom Weltverband und gerade deshalb ist es enorm schwierig effizienten Druck auszuüben. Verständlicherweise wehrt sich vor allem der italienische Verband gegen eine Veränderung. Italien macht 40% des Gesamtumsatzes allein durch die Teilname an dem Six-Nations Wettbewerb. Im Vergleich zu den 7.5 Millionen Euro Jahresumsatz den Georgien erwirtschaftet, konnte der italienische Verband fast das sechsfache einnehmen.
Eine potentielles Ausscheiden aus dem Turnier wäre für Italiens Rugby eine sportliche und finanzielle Katastrophe und schwer zu verkraften. Aber langfristig betrachtet würde es dem Turnier enorm gut tun. Nicht nur weil man endlich den Tier-2 Teams die Chance gibt sich auf höchstmöglichem Niveau zu messen, sondern weil es auch den Druck auf die derzeitigen Teams erhöhen würde – und damit die Qualität des Turnieres nochmals verbessern würde. Die kämpferische Leidenschaft und Ambition mit der einst das italienische Rugby Irland, Wales, Schottland und Frankreich besiegen konnte, würde eventuell wiederkehren. Das Turnier wäre nicht nur an der Spitze sondern auch in der Breite enorm spannend.
Max Lueck, 32, hat seine Rugby-Karriere als Spieler in Brühl angefangen und zog 2007 nach England, um dort Coaching zu studieren. Mittlerweile hat er mit vielen Rugby-Vereinen und Athleten als Trainer und Manager gearbeitet. Derzeit leitet er mit Leidenschaft und Ehrgeiz das Projekt 7 Bamboos Rugby und bloggt regelmäßig für diverse Plattformen und Online Magazine. Weitere Information unter www.7bamboosrugby.com
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