Der Berg bebte tatsächlich, dennoch gilt für alle Rugby-Fans auf nach Offenbach und Köln! Foto (c) Seufert-Chang
Die Euphorie kannte nach dem Abpfiff keine Grenzen mehr: Nachdem die deutsche Mannschaft zwei Mal wie der sichere Verlierer aussah, kam das womit nicht einmal die allergrößten Optimisten gerechnet hatten: Der 41:38 Sensationssieg gegen den achtmaligen WM-Teilnehmer Rumänien.
Zu behaupten, dies sei eine Überraschung, wäre eine maßlose Übertreibung, zumal der sich Spielverlauf nie im Sinne der deutschen Mannschaft entwickelte. Nach einem soliden Auftakt mit einem Straftritt auf beiden Seiten, schien sich durch eine gelben Karte für die Rumänen nach einem Scharmützel das Blatt zu Gunsten der DRV XV zu wenden. Verbinder Raynor Parkinson setzte ein Dropgoal und Deutschland lag nach einer gespielten Viertelstunde erstmals vorne.
Doch gerade während dieser numerischen Überzahl zeigte sich Rumänien gnadenlos und legte nach zum Teil einfachen Fehlern auf deutscher Seite gleich zwei Versuche. Ein weiteres Mal kam Rumänien nach langer Druckphase gegen Mitte der ersten Hälfte zum bereits dritten Versuch. Ein wunderschönes Offload von Umaga erlaubte es Außen Dumitru ungehindert einzulaufen. Da Rumäniens Kicker Florin Vlaicu einen absolut perfekten Tag erwischte stand es nun plötzlich 24:6 für den Gast. Deutschland hing sprichwörtlich in den Seilen und mancher Zuschauer mag zu diesem Zeitpunkt eine deftige Klatsche für die deutschen Jungs befürchtet haben.
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Ein Schlüssel zum Erfolg war, dass Deutschland Parität bei den Standards erreichte
Doch obwohl spielerisch an diesem Tag sicherlich nicht alles saß, zeigte die DRV XV in einem unglaublichen Schlussspurt erstmals riesige Moral. Nach einem Turnover konnte Spieler des Spiels Jaco Otto jeden Rugby-Experten Lügen strafen, der den Stürmern das Kicken verbieten möchte. Ein perfekt getretener Bodenroller brachte den rumänischen Schluss so sehr in Verlegung, dass er regelwidrig den Ball ins Aus beförderte und den sicheren Versuch von Soteras Merz oder von Grumbkow verhinderte. Der Strafversuch für Deutschland war die logische Konsequenz.
Nur Minuten später war es erneut Otto, der einen Pass des rumänischen Gedrängehalbs Surugiu abfing und von der Mittellinie unglaublichen Speed für einen Dritte-Reihe-Stürmer bewies. Der zweite deutsche Versuch brachte den in weiß spielenden Gastgeber zurück ins Spiel. Aber ein absoluter Trysaver - also ein Tackle, das einen sicheren Versuch verhinderte - von Schluss Harris Aounallah mit der letzten Aktion der Halbzeit brachte den Bieberer Berg erstmals so richtig zum Beben. Mit einem Rückstand von nur vier Punkten ging es beim 20:24 in die Pause.
Doch auch die zweite Hälfte sollte zur absoluten emotionalen Achterbahn für Fans und Spieler werden. Der Gast kam wild entschlossen aus der Kabine und legte dem eigenen Anspruch entsprechend los. Nach nur zehn Minuten hatte Rumänien gleich zwei weitere Versuche zum eigenen Punktekonto hinzugefügt. Beim Stand von 38:20 von Rumänien befürchtete Sport 1 Kommentator und DRV Sportdirektor Manuel Wilhelm, dass die Partie „nun aus deutscher Sicht entgleisen könnte.“ Rumänien-Außen Dumitru war durch gleich vier Tackles durchmarschiert und trotz vieler hängender Köpfe auf der Tribüne und dem Feld sollte alles anders kommen.
Das deutsche Comeback nahm seinen Lauf in den letzten 20 Minuten der Partie. Einen Straftritt nach einer Unachtsamkeit im Mittelfeld setzte der präzise kickende Parkinson genau an die 5-Meter-Linie und das deutsche Paket funktionierte heute zum bereits zweiten Mal. Deutschland-Außen Marcel Coetzee war es dann, der die deutsche Mannschaft nur vier Minuten vor dem Ende erneut in Führung brachte. Erneut war es das Paket, das die DRV XV in eine hervorragende Position gebracht hatte. Doch kurz vor der Linie musste Sean Armstrong den Ball aus dem kollabierenden Paket nehmen und nachdem von Grumbkow und Parkinson mit viel Druck kurz vor der Linie gescheitert waren, konnte Hilsenbeck den entscheidenden Ball auf Coetzee spielen der nur noch einlaufen musste.
Die Partie war damit noch keineswegs entschieden, denn die letzten fünf Minuten gehörten einzig dem Gast, der sich mehrmals anschickte die deutsche Mannschaft zu überrumpeln. Rumänien hatte es gar über die Linie geschafft, doch im Malfeld den Ball verloren. Als der Gast einen Straftritt statt zum sicheren Ausgleich in der allerletzten Minute zur Gasse an der fünf-Meter-Linie setzte, war der dramatische Höhepunkt dieser Partie erreicht. Alles hing an der folgenden Situation ab und Deutschlands Acht Jarrid Els schickte sich an zum letzten der vielen deutschen Helden zu werden. Er klaute die Gasse der Rumänen und Gedrängehalb Armstrong musste den Ball nur noch ins Aus befördern.
Der Jubel kannte keine Grenzen und selbst im DRV-Team konnten einige Spieler das Erreichte kaum fassen. DRV XV Außendreiviertel Steffen Liebig dagegen hatte den Glauben an den Sieg bereits unter der Woche entwickelt: „Wir wussten, wenn wir unseren Spielplan durchziehen, haben wir hier eine Chance.“ Seine Prophezeiung sollte sich bewahrheiten.
Teammanager der DRV XV Robert Mohr dachte in der Pressekonferenz an die Bedeutung dieses Sieges: „Rumänien in einem Pflichtspiel zu schlagen, also nicht im Kontext eines Freundschaftsspiels, wird dafür sorgen, dass Deutschland auf der Rugby-Landkarte stattfindet.“ Tatsächlich war in Medien national wie international von der deutschen Rugby-Sensation zu lesen.
Nationaltrainer Kobus Potigeter sah sogar noch Steigerungspotenzial: "Das war kein gutes Spiel, taktisch oder technisch von uns, aber dafür haben wir einen unglaublichen Kampfgeist bewiesen."
Die Schockwellen dieses Sieges waren in der ganzen Rugby-Republik zu spüren. Die Potsdamer Adler entschuldigten sich per Facebook bei ihrer Nachbarschaft über die entstandene Lärmbelästigung. In Köln verzeichnete der Orga-Chef des Länderspiels am 11. März Markus Kalkowski einen riesigen Schub in Sachen Ticketnachfrage für die letzte EM-Heimpartie gegen Spanien. „Allein in den ersten beiden Stunden nach dem Abpfiff wurden 250 Karten verkauft, wir rechnen fest mit einem ausverkauften Haus.“ Die Domstadt scheint ganz jeck nach Rugby zu sein. Jetzt muss nur noch die Rhein-Main-Region für das Belgien-Länderspiel, welches erneut in Offenbach stattfinden wird, nachziehen. Denn diese großartige Leistung hatte eine größere Kulisse verdient.
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