England vor den Six Nations: Erfolgreiche Titelverteidigung und Siegesrekord?
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 3. Februar 2017
Super-Maro: Mit nur 22 Jahren und sieben Länderspielen ist Maro Itoje bereits absoluter Hoffnungsträger
Man muss schon eine Weile zurückblicken um Englands letzte erfolgreiche Six Nations Titelverteidigung zu finden. Es war das Jahr 2001 und ein damals erst 21-jähriger Jungspund führte England von der Verbinderposition aus zur erfolgreichen Titelverteidigung. Sein Name: Johnny Wilkinson und er sollte sich gute zwei Jahre später mit einem Dropgoal in der Nachspielzeit des WM-Finales für immer unsterblich machen.
Wie damals herrscht auch heute im Rugby HQ Twickenham im mondänen Südwesten der englischen Hauptstadt London erneut Aufbruchstimmung. Nach dem blamablen Aus in der Vorrunde der Heim-WM konnte es im Endeffekt für England nur bergauf gehen. Doch in welch ungeahnte Höhen Eddie Jones die Männer mit der Rose auf dem Trikot führen könnte, hatten die wenigsten erwartet.
Denn am Vorabend der Six Nations steht das Rugby-Mutterland vor einem potenziell historischen Turnier. Mit einem Grand Slam - also fünf Siegen aus fünf Spielen - würde die seit dem WM-Aus ungeschlagene Mannschaft von Eddie Jones den Rekord der All Blacks von 18 Siegen in Folge übertreffen. Dabei steht ihr niemand geringeres im Weg als Irland mit dem neuseeländischen Coach Joe Schmidt - der bei vielen Experten in Neuseeland als zukünftiger Coach der All Blacks gehandelt wird. „Joe muss unseren Rekord retten“ so zumindest sieht es die größte Zeitung des Landes, der New Zealand Herald.
Dass England sich tatsächlich anschicken könnte, den Rekord zu brechen, hat die Mannschaft in der bisherigen Amtszeit von Eddie Jones bewiesen. Denn mit dem Grand Slam im Vorjahres-Turnier, der 3:0 Serie gegen den Vizeweltmeister Australien und dem souveränen Auftritt im Herbst hat England unter Jones bisher immer alle Erwartungen übertreffen können. Einzig die zahlreichen Schreckensmeldungen von der Verletztenfront trüben den Optimismus von Englands Rugby-Fans im Vorfeld des Auftakts gegen Frankreich. Mit Frankreich daheim und zu Gast bei den momentan schwächelnden Walisern beginnt die Championship für England zudem mit zwei Spielen, in die man als Favorit geht, die aber dennoch zum Stolperstein werden könnte.
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Englands Kader für die Six Nations
Mit Billy Vunipola, Mako Vunipola, Chris Robshaw und George Kruis fällt für England beim Auftakt des Sechs-Nationen-Turniers gleich der halbe Sturm der Erfolgs-Mannschaft des letzten Jahres aus. James Haskell ist nach einem komplizierten Bruch des großen Zehs noch nicht ganz auf der Höhe. Bisher hat er seit seiner Rückkehr lediglich 60 Minuten Spielzeit auf dem Buckel und kommt am Wochenende höchstens für einen Bankplatz in Frage.
Damit startet England beim Heimauftakt gegen Frankreich mit einer völlig neuen dritten Sturmreihe in das Turnier. Der eigentlich von Jones schon aussortierte Northampton Saint Tom Wood startet auf der Sieben neben Nathan Hughes von den Wasps auf der Acht. Der eigentlich als Zweite-Reihe-Stürmer ausgebildete Shooting-Star Maro Itoje rückt dagegen auf die Position des Blindside-Flankers. Dass der 22-jährige überragende Stürmer der Saracens in der Lage ist auf dieser Position zu spielen, ist klar. Aber ebenso ist es klar, dass sich damit die Balance in der dritten Reihe verschiebt. Gerade Wales dürfte gegen die relativ schwere und damit langsame dritte Reihe versuchen Bälle in den offenen der Engländer zu entwenden. In der zweiten Reihe wird sich nun Joe Launchbury neben Courtney Lawes einreihen, aber auch er kommt gerade erst von einer längeren Verletzung zurück.
In der ersten Sturmreihe bilden Joe Marler, Kapitän Dylan Hartley und Dane Coles die erfahrene Achse, die England im Gedränge Vorteile bringen sollte.
Auf den beiden Spielmacherpositionen setzt Coach Eddie Jones auf die bewährte Kombination Ben Youngs und George Ford, die bereits über fast die gesamte erfolgreiche Amtszeit von Jones ihre Plätze sicher haben. Owen Farrell spielt als zweiter Ballverteiler, kompromissloser Verteidiger und sicherer Kicker auf der ersten Innenposition. Mit Mike Brown und Johnny May stehen zwei weitere bekannte Gesichter auf der 14 und 15.
Größte Überraschung bei Jones Aufstellung gegen Frankreich ist aber wohl die Bevorzugung von Elliot Daly, gegenüber dem bisher gesetzten Jack Nowell. Beide Außendreiviertel sind für ihre spektakulären Laufwege und ihre Finisher-Qualitäten bekannt. Doch Daly vom Tabellenführer der Premiership Wasps hat zudem noch einen absoluten Monster-Stiefel und nagelt gerne Mal Straftritte von der Zehn-Meter-Linie über die Stangen, wohlgemerkt von der eigenen.
TotalRugby-Spieler im Fokus: Maro Itoje
Itoje dürfte wohl für keinen interessierten Rugby-Fan mehr ein Unbekannter sein. Der 22-jährige Sohn nigerianischer Einwanderer und Politikstudent feierte sein Six Nations Debüt bereits im Vorjahr und war direkt in seiner zweiten Partie gegen Wales Man of the Match. Bereits im Alter von 19 hatte das Supertalent sein Saracens-Debüt gegeben. Während der WM-Vorbereitung 2015 war Itoje mit im erweiterten Kader, wurde aber vom damaligen Coach Lancaster nicht für den endgültigen Kader berücksichtigt.
Mittlerweile steht neben Itojes Namen die Zahl sieben und bereits jetzt ist Itoje für Verein und Land nicht mehr wegzudenken. In den Rucks ist Itoje für seine Gegner ein Alptraum, seine Dominanz in den Gassen für sein Alter erstaunlich und als Ballträger unglaublich effektiv, so gut wie immer den Weg über die Vorteilslinie schaffend. Gerade diese Fähigkeit macht ihn in der Abwesenheit der menschlichen Abrissbirne Billy Vunipola zum unverzichtbaren Schlüsselspieler für England.
Trainer-Legende Sir Ian McGeechan lobte im Vorfeld des Turniers Itojes Spielverständnis. Zugleich betonte der ehemalige Schottland- und Lions-Trainer, dass Itoje sein Spiel gar nicht Mal sonderlich umstellen müsse um auf der Sechs zu spielen. Itoje verkörpere ähnlich wie Johnny Gray und Ian Henderson eine neue Art Zweite-Reihe-Stürmer der auf dem Feld eher einem Dritte-Reihe-Stürmer ähnele. Von daher sieht McGeechan Itoje ebenso vor einem erfolgreichen Turnier. Dennoch betont er zugleich, dass auf die anderen beiden Dritte-Reihe-Stürmer Wood und Hughes mehr Laufarbeit zukommen wird, um die ersten Rucks nach den Standards zu sichern. Ungleich mehr Optionen in der Gasse würden diesen Nachteil aber mehr als ausgleichen.
Eine neue Art Zweite-Reihe-Stürmer: Itoje ist mit seinen 22 Jahren bereits ein Vorbild
TotalRugby-Prognose: England unter Eddie Jones ist vom Personal her nicht großartig verändert, im Vergleich zu den Vorjahren. Doch Jones Art mit der Mannschaft umzugehen, hat wahre Wunder bewirkt. Auf alte Traditionen, wie beispielsweise die Übergabe der Trikots durch einen ehemaligen Englnad-Spieler am Vortag einer Partie, hat er schlicht gestrichen. „Wer einen Lawrence Dallaglio braucht um beim Spiel motiviert zu sein, ist hier schlicht falsch“ so der japanischstämmige Australier in der letzten Woche trocken. Auch seine unendliche Geduld angesichts der Undiszipliniertheit von Kapitän Hartley ist eher ungewöhnlich. Doch gerade diese könnte sich zum Problem entwickeln. Hartley könnte mit einem weiteren Ausrastet die Stimmung in Medien und Team kippen lassen, dessen wird sich Jones bewusst sein. Auch wäre es gewissermaßen unverdient, sollte England den All Blacks ihren Rekord zu klauen, ohne den amtierenden Weltmeister zu schlagen. England mag durchaus mit vier Siegen aus den ersten vier Partien nach Dublin anreisen, doch momentan sehen wir die Iren einen Tick stärker an. Joe Schmidts Team wird sich den Titel am letzten Spieltag im heimischen Stadion an der Landsdowne Road sichern, England bleibt nur der zweite Platz.