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Wales vor dem Six Nations Auftakt: Stagnation oder gar Rückschritt?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 31. Januar 2017

Wales alter und neuer Kapitän Alun Wyn Jones löst den drei Jahre jüngeren Sam Warburton ab. Foto (c) Ospreys Instagram
Wales alter und neuer Kapitän Alun Wyn Jones löst den drei Jahre jüngeren Sam Warburton ab. Foto (c) Ospreys Instagram

Der letzte Sieg bei den Six Nations liegt für die Waliser nunmehr bereits vier Jahre zurück. Die Titelverteidigung im Jahr 2013, nach dem Grand Slam im Jahr davor, war wohl der vorläufige Höhepunkt des walisischen Höhenflugs. Zwar konnte Wales seitdem zwei Mal den Angstgegner Südafrika schlagen, zugleich musste man aber auch mit ansehen, wie erst Irland und dann England vorbeizogen. Wales stagnierte, sowohl spielerisch, als auch von den Ergebnissen her.

Die kleine stolze Nation, der bei der WM der ultimative Triumph mit dem Sieg über den Erzfeind England gelungen war, wurde in zunehmenden Maße kritischer mit ihren Helden. Zu wenige Versuche und ein zu durchschaubarer Spielansatz lauten die größten Kritikpunkte von ehemaligen Wales-Größen, die zumeist in aller Öffentlichkeit geäußert wurden.

Selbst die Siege im November über die WM-Halbfinalisten Argentinien und Südafrika konnten dies nicht aufwiegen, zumal zugleich eine demütigende Niederlage gegen Australien und ein glückliches Last-Minute-Unentschieden gegen Japan folgten. So geht Wales nun in diesem Jahr mit spürbar weniger Selbstbewusstsein in das Turnier. Selbst eine Niederlage gegen die Italiener wird in Cardiff und Umgebung befürchtet.

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Der walisische Kader

Ganze sieben Spieler im Wales-Kader sind bisher noch ohne jegliche Länderspielerfahrung, was der höchste Wert unter allen teilnehmenden Nationen ist. Von einem Umbruch zu sprechen wäre angesichts dessen sicherlich alles andere als vermessen. Doch genauso befinden sich in den Reihen der Waliser auch neun Spieler, die mit auf der British and Irish Lions-Tour 2013 waren. Im Jahr der nächsten Lions Tour wollen diese sicher erneut in den elitären Kreis der besten Spieler Großbritanniens und Irlands berufen werden. Allen voran Wales-Kapitän Wyn Jones, Außen George North und Schluss Leigh Halfpenny.

Zum Auftakt in Rom drohen mit Zweite-Reihe-Riese Luke Charteris und Achter Taulupe Faletau gleich zwei ganz große Stützen im Sturm wegzubrechen. Obwohl beide wohl zum zweiten Wochenende des Sechs-Nationen-Turniers zurück sein werden, machen diese beiden Ausfälle die Waliser gegen Italien ein stückweit verwundbarer.

Auf der Verbinder-Position rückt dafür Owen Williams von den Leicester Tigers in den Kader, doch Williams kann ebenso als Ballverteiler auf der ersten Innenposition eingesetzt werden. Ein ebenso ungewohntes Gesicht ist das von Thomas Young, einem jungen Flanker der ebenso in der englischen Premiership, bei den Wasps, spielt. Der Sohn vom jetzigen Wasps-Trainer und ehemaligen Lions- und Wales-Prop Dai Young ist einer der sieben Debütanten. Mit seiner überragenden Form im Trikot des Premiership-Tabellenführers könnte Young viel Druck auf die Platzhirsche in der dritten Reihe - Sam Warburton und Justin Tipuric - ausüben. Er verbindet die essenziellen Fähigkeiten eines modernen Flankers mit viel Geschwindigkeit und technischer Finesse.

Wasps Dai Young könnte aufgrund seiner überragenden Form als Debütant zu einigen Einsätzen bei den Six Nations kommen

Spannend zu sehen sein wird, wie sich der Sturm der Waliser nach dem Kapitäns-Wechsel findet. Sam Warburton, der 2011 im Alter von gerade einmal 22 Jahren die Kapitänsbinde übernommen hatte, räumt nun seinen Posten freiwillig an den 31-jährigen  Alun Wyn Jones, um sich voll auf seine Aufgaben als Flanker konzentrieren zu können. Wales-Interims-Coach Rob Howley konstatierte, dass die Ernennung des Veteranen mit 105 Länderspielen „die Dynamik in der Mannschaft ändere.“ Daran, dass dies ein positiver Effekt sei, ließ Howley dabei keinen Zweifel, denn immerhin habe Wyn Jones schon Wales und die Lions als Kapitän aufs Feld geführt.


TR-Spieler im Fokus: Sam Davies

Die Verbinderposition schien bei Wales in den letzten Jahren eigentlich nie die größte Baustelle zu sein. Mit Dan Biggar, der als solider Ballverteiler und überragender Kicker gilt, hat man bei den roten Drachen eine grundsolide Option, mit der es beispielsweise gelang England aus der Heim-WM zu kegeln. Doch genauso wurde der oftmals als Warren-Ball verspottete einfache Spielstil bemängelt. Kein Überraschungsmoment im Spiel, dafür immer die gleiche Option mit schweren Innendreivierteln, die den direkten Weg durch die Verteidigung suchen. Doch da Wales Cheftrainer Warren Gatland, nach dem dieser Spielstil benannt wurde, nun aufgrund seiner Lions-Verpflichtungen eine Auszeit nimmt, könnte auch seine Taktik vorerst aus der Mode sein.

Sollte Wales, wie von vielen Experten gefordert, tatsächlich auf ein expansiveres Spiel bauen, hätte man die richtige Option als Verbinder parat. Der erst 23-jährige Sam Davies, Teamkollege von Biggar bei den Ospreys, droht nun nämlich Biggar auch im Nationaltrikot den Rang abzulaufen. Denn sowohl mit dem Ball in der Hand, als auch mit seiner überragenden Spielübersicht könnte der schmächtige Davies das Spiel der Waliser attraktiver gestalten.

 

Sam Davies konnte Wales bereits im November mit einem Dropgoal in letzter Sekunde gegen Japan das Unentschieden retten

 

Einen großen Fürsprecher hat Sam Davies in seinem Namensvetter Jonathan Davies. Der legendäre ehemalige Wales-Verbinder und heutige BBC-Experte ist sich sicher: „Er ist der beste in ganz Wales, wenn es darum geht die Dreiviertelreihe ins Rollen zu bringen!“ Aber Davies sieht dennoch auch für Dan Biggar eine Rolle im Wales Team. In als zweiten Ballverteiler auf der Zwölf zu bringen würde seinen Ballverteilerqualitäten nutzen. Das würde dann auf Kosten des Wales-Routiniers Jamie Roberts geschehen, dessen eindimensionales Spiel in letzter Zeit häufiger in die Kritik geraten war.

Aber selbst wenn sich Interimscoach Rob Howley nicht für die konservative Option mit Davies als Start-Verbinder entscheiden sollte, würde Davies immerhin der Back-Up für Biggar sein und könnte von der Bank kommend Spiele für Wales entscheiden.   

TotalRugby-Prognose: Irland-Coach Joe Schmidt bezeichnete Wales vor dem Turnierbeginn als „schlafenden Riesen“, vor dem man sich in Acht nehmen müssen. Ob das nun Tiefstapelei oder eine realistische Einschätzung ist, wird sich erst im Verlauf der nächsten sieben Wochen beantworten lassen. Denn das Wales das nötige Spielermaterial hat, um Titelambitionen zu hegen, steht außer Frage. Doch wie Wales sich auf dem Feld präsentieren wird, mit welchem Spielansatz die Männer von Rob Howley in das Turnier gehen werden bleibt abzuwarten. Schon der Turnierauftakt in Rom könnte dabei zum ersten Gradmesser oder Stolperstein werden. Sollte Wales, wie von Ex-Springbok und Italien-Coach Nick Mallett mit seiner Prognose, dass Wales in Rom verlieren könnte, recht behalten, müsste Wales alle Hoffnungen begraben. Zu stark wirken England und Irland derzeit spielerisch. Wales wird unserer Ansicht nach in diesem Jahr kein Siegkandidat sein. Im Gegenteil, Schottland sitzt den Walisern im Nacken, so dass am Ende im schlimmsten Fall vielleicht nur ein fünfter Platz für die roten Drachen herausspringen könnte.

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