Vier Jahre ist es nun her, da stand den London Wasps das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals. Den damaligen Zustand der "Wasps Holding Ltd" als existenzbedrohend zu umschreiben, wäre reichlich untertrieben! Umso glücklicher waren die Fans und die Verantwortlichen, als praktisch aus dem "Nichts" ein irischer Multimillionär auftauchte, der bereit war den zweimaligen Heinecken-Cup-Sieger zu retten.
Derek Richardson half den "Wespen" nicht nur fürs Erste, sondern spendierte ihnen nebenbei noch ein eigenes Stadion: Die "Ricoh-Arena" in Coventry wurde zum neuen "Wasp's nest", das Wort "London" sogleich aus dem offiziellen Teamnamen entfernt. Den sechsmaligen Premiership-Champion in seiner neuen Heimstätte zu erleben, war für mich Anlass genug, um vor Weihnachten in die englischen "Midlands" zu reisen. Ausgesucht habe ich mir ein European Champions Cup-Match: Wasps-Connacht.
Die "Ricoh-Arena", am nördlichen Stadtrand von Coventry gelegen, ist nicht schwer zu finden. Vier schwieriger wird es schon, wenn man nach einem Parkplatz sucht: Flächen gäbe es genügend, aber irgendwie sind die alle reserviert. So schickt man mich an ein "Green-Gate", hier sei "Cash-Parking" möglich sagt man mir. Was ich allerdings hinter jenem schäbigen grünen Tor sehe, lässt mich zweifeln: Hier schaut es eher nach Schrottplatz als nach einem Parkplatz aus! Nach kurzem Überlegen kann ich mich dazu durchringen, hineinzufahren und merke schnell dass ich richtig bin: Ein Teenager mit Warnweste nimmt mir zehn Pfund ab und weist mich zwischen dreckigen Pfützen und diversen Schrottteilen ein. Neben mir parken sogleich zwei ältere Herren aus London. Einer der beiden meint: "Hier schaut es ja aus, wie am Tag nach der Atombombe!" Ich muss ihm recht geben. Auf meine Frage, ob denn viele Wasps-Fans aus London, regelmäßig den weiten Weg hierher auf sich nehmen meint er: "Das ist eine gute Frage –ich glaube aber eher nicht. Wir zwei kommen auch nicht oft hierher."
Der Vorteil von diesem dreckigen, stinkenden Parkplatz: Ich muss nur die Straße überqueren und bin unmittelbar vor dem Stadion. Wobei "Stadion" gar nicht das richtige Wort hierfür ist. Es handelt sich eher um einen Komplex, der vieles beinhaltet: Ein riesiges Spielcasino, mehrere Bars und Bistros, die „Exhibition-Hall“, ein Hotel und eben ein Rugbyfeld mit Tribünen für 32 609 Fans. Da noch eine gute Stunde bis zum "Kick off" verbleibt, schaue ich erstmal ins Casino. Zockende Fans der "Wespen" mit Trikot und Schal am Roulette-Tisch? Hier, anscheinend kein Problem! Mir ist gerade nicht nach "Gambling", also wechsle ich in die riesige "Exhibition-Hall" und staune nicht schlecht: Das "Fan-Village" ist hier untergebracht und mit "Fan-Village" meinen die Briten wohl: Volksfest! Auf einer Bühne spielt eine Band (komplett im Spieler-Outfit der Wasps) Party-Songs. Die Fans beider Teams stimmen sich mit reichlich Bier auf die bevorstehende Partie ein. Einige, der vielen Gäste aus Irland begeistern mich: Grüne Schuhe, grüne Hose, grünes Jackett, grüne Schminke im Gesicht und eine grüne Perücke! Wie bereits erwähnt: Die Halle ist riesig! So haben hier problemlos, ein Autoskooter, ein Karussell sowie noch weitere Fahrgeschäfte Platz. Die Kinder haben jedenfalls ihren Spaß und man merkt schnell: Das Wasps-Management hat es hier auf das "Event-Publikum" abgesehen!
Genug gesehen, jetzt mache ich mich auf den Weg zum meinem Tribünenplatz. Der Barcode meines "Print at Home-Tickets" gibt das Drehkreuz für mich frei. Gerade noch draußen hat es nach einer "vollen Hütte" ausgesehen, doch jetzt muss ich feststellen: Die Arena wird wohl nicht einmal halb voll und auch so etwas wie Stadionatmosphäre kommt nur spärlich auf. Kaum Anfeuerung, und wenn, dann meist durch Kinder oder die Lautsprecher angestimmt: "Allez! Allez! Allez! …Wasps! Wasps! Wasps!" Dabei erfüllt das Spiel durchaus meine Erwartungen. Spektakuläre Szenen spielen sich im Minutentakt ab und sogar eine Premiere erlebe ich: Der Australier Kurtley Beale absolviert sein erstes Match für die Gastgeber und legt nach sieben Minuten gleich mal einen Versuch. Mit einer knappen 13-10-Führung der Wespen geht es vor offiziell 13 364 Zuschauern in die Pause und ich bin froh darüber: Draußen ist es bitterkalt und zugig! Ich entscheide mich also für Aufwärmen im Fanshop. In der zweiten Spielhälfte nehmen die Wasps das Heft endgültig in die Hand: Mit drei weiteren Versuchen stellen sie die Weichen für einen verdienten 32-17-Sieg und katapultieren sich damit an die Spitze der Gruppe 2 im European Champions Cup. Nur schade, dass sich die Zuschauer nur sporadisch mitreißen lassen –ja, ja: Das "Event-Publikum!"
Eile habe ich ja keine, so bummle ich noch ein bisschen durch die Bars und Bistros. Bei ein paar Bechern Bier wird noch das Spiel der Scarlets in Toulon auf den Screens beobachtet und nebenbei gefachsimpelt. Ich schaue noch einmal in die "Exhibition-Hall", denn für hier wurde das "After-Match-Player-Signing" angekündigt. Zwei Spieler haben sich eingefunden (Kyle Eastmond, den anderen kenne ich nicht) um bereitwillig die Autogramm- und Selfie-Wünsche, der Fans zu erfüllen. Auf "Schlange stehen" habe ich allerdings keine Lust mehr, so verlasse ich schließlich das Terrain. Fazit: Man muss es einmal selbst gesehen haben! Bereut habe ich meinen Ausflug hierher auf keinen Fall!
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