Der schnelle Lomano Lemeki startete mit drei Versuchen für die Brave Blossoms, aber verpasste verletzungsbedingt das Spiel in Cardiff. © planetrugby.com Von so vielen guten Nachrichten rund um die deutsche Nationalmannschaft begeistert, und von so vielen spanenden Top-Spielen (in Fernsehen oder auf DAZN live zu sehen) verwöhnt, mag der normale deutsche Rugby-Fan verständlicherweise vergessen, dass diesem November viel mehr los war, als man dachte. Ich erlaube mir von den Spielen der so genannten Tier Two Nationen zu berichten. Als „Tier Two“ keine offizielle Definition genießt, muss ich zunächst
erklären, dass ich damit diejenigen Nationen meine, die in Top 18 der Weltrangliste stehen und nicht an geschlossenen Gesellschaften Six Nations bzw. The Rugby Championship teilnehmen. Deutschland möchte (sollte) mittelfristig zu dieser Gruppe gehören und es ist nie zu früh, die Konkurrenz unter Beobachtung zu stellen. In dem ersten Teil wird von den vier Pazifik-Inselnationen Japan, Fiji, Tonga und Samoa berichtet, danach folgt die Nordatlantische „Konferenz“: Georgien, Rumänien, USA und Kanada. Fidji (10. Platz in der Weltrangliste) Mit einem wenig geänderten Kader (in Vergleich zum WM) spielten die „Flying Fijians“ nur zwei echte „Internationals“ und noch mal gegen den namhaften Barbarians RFC, gegen denen es mächtig unten den Rädern ging (7-40). Die Wiederholung des RWC 2015-Eröffnungspiels gegen England war noch weniger erfreulich. Von den in Spitzenform aufgetretenen Gastgebern gab es auf dem Rugbytempel Twickenham überhaupt nichts zu holen (15-58). Zwar haben Nadolo, Nakarawa und Talebula dreimal das Malfeld der Rosen erfolgreich betreten, jedoch ließ die Verteidigung nicht weniger als neun Gegenversuche zu. In letztem Spiel gab es doch – in einem ansehnlichen Spiel – den erwarteten Sieg (38-25) gegen den Lieblingsgegner – die unerfahrene, aber nie aufgebende Japaner. Der imposanten Außendreiviertel Nemani Nadolo hat allein 18 Punkten erzielt, jedoch meisten davon, ungewöhnlich für seine Position, mit dem Fuß. 12.11, Belfast: Barbarians - Fidji 40-7 (28-0) Versuch: Nayacelevu; Erhöhung: Nadolo. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=yUsCiO2fSSI19.11, London: England - Fiji 58-15 (34-10) Versuche: Nadolo, Nakarawa, Talebula. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=emrzDyv0bUY26.11, Vannes (FR): Fidji - Japan 38-25 (21-6) Versuche: Vulivuli, Talebula, 2x Botia, Nadolo; Erhöhungen: 5x Nadolo; Straftritt: Nadolo. Series-Fazit: 1-2. Keine Überraschung. Einer kolossalen Katastrophe ausschließend, wird Fidji ohne Probleme einen der ersten beiden Plätze bei dem kommenden Pacific Nations Cup belegen, und damit die direkte Qualifikation (sprich, ohne Repechage) zum RWC 2019 erreichen. Ob der aktuellen Kader 2019 immer noch in der Lage sein wird, auf Höchstniveau zu spielen, bleibt abzuwarten. Es gibt ja genug Talent, und der Olympiasieg beim Siebener-Rugby belegte soeben das, aber der für seine Selektion umstrittene Coach McKee muss dafür sorgen, dass genug Nachschub Spielzeit bekommt, und zwar genau für die Positionen, die beim Sevens nicht trainiert werden: vordere Reihen und Verbinder. Japan (11. Platz) Ein Jahr nach den berühmten Heldentaten bei dem Weltmeisterschaft 2015, befindet sich Japan unter der Betreuung des neuen Trainers Jamie Joseph in einer Umbruchsphase, wo die Weichen für die Teilnahme an Heim-Meisterschaft 2019 gesetzt werden. Japan hat die vier Novembertests mit einem Kader gespielt, in dem mehr als die Hälfte der Spieler (17 aus 32) vor der Serie bei Fünfzehnerrugby noch nie nominiert waren – es gab jedoch einige erfahrene Siebener-Spieler, wie Lomano Lemeki. Daher war es verständlich, dass in Vorfeld wenige Kenner Siege erwartet haben, und einige schon auf hohen Niederlagen getippt haben. Diese wurden jedoch nur teilweise bestätigt. Zwar haben die „Brave Blossoms“ die Serie mit einer Heimpleite (20-54) gegen Argentinien gestartet, jedoch revanchierten sie sich mit einem verdienten Sieg in Tbilisi (28-22 gegen Georgien) und mit einem frechen Auftritt auf dem Principality Stadium in Cardiff (30-33 gegen Wales). Das letzte Ergebnis (25-38 v. Fidji) fällt unter der Kategorie „wie erwartet“, besonders, wenn man betrachtet, dass die Angstgegner der Japaner nach dem Twickenham-Debakel scharf waren, einiges gutzumachen. Aber auch in diesem Spiel versteckten sich die Joseph-Schützlinge nicht und lieferten eine furiose Aufholjagd (von 6-35 bis zu 25-35). 5.11, Tokyo: Japan - Argentinien 20-54 (0-28) Versuche: Mafi, Lemeki, Erhöhungen: 2x Tamura; Straftritte: 2x Tamura. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=9KLIZHJyhJc 12.11, Tbilisi: Georgien - Japan 22-28 (12-8). Versuche: Matsushima, 2x Lemeki, Fukuoka; Erhöhung: Tamura, Straftritt: Tamura. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=5v7T92Oo7w4 19.11, Cardiff: Wales - Japan 33-30 (14-13) Versuche: Yamada, Fukuoka, Lotoahea; Erhöhungen: Lotoahea, 2x Tamura; Straftritte: 3x Tamura. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=UhdJu5jatiQ 26.11, Vannes (FR): Fidji - Japan 38-25 (21-6) Versuche: 2x Matsushima, Ilaua; Erhöhungen: 2x Tamura; Straftritte: 2x Tamura. Series-Fazit: 1-3. Das mag unschön erscheinen, aber in Vergleich mit dem in Vorfeld gehandelten 0-4 ist das schon ein Erfolg. Umso mehr, wenn man die Spielweise der aus Debütanten zusammengebastelten Mannschaft betrachtet. Gegen Argentinien gaben am Ende dreizehn (!) Spieler ihre Debuts für die „Brave Blossoms“. Der flinke Siebener-Nationalspieler Lemeki feierte ein erfolgreiches Debut, mit drei Versuchen. Und als Bonus klettert Japan in der Weltrangliste und übernimmt von Georgien den 11. Platz. Tonga (14. Platz) Auch Tonga befindet sich im Umbruch (nicht überraschend, nach dem „Ikale Tahi“ bei dem RWC 2015 den ältesten Kader hatten). Mit vielen neuen Spielen (meistens aus dem neuseeländischen ITM Cup – eine Kehrwende, nach dem zuvor man hauptsächlich auf in Europa spielenden Profis aufgebaut hat) suchte Tonga die ersten Siege in 2016. Und diese kamen – und wie! Klar, es war keine Überraschung, dass sie gegen Spanien und USA gewonnen haben, wobei beide eine viel engere Kiste waren, als man erwartete. Aber die Krönung war der erfolgreiche Auftritt gegen des nach dem Südafrika-Sieg hochfliegenden Italien, auch wenn sie diesmal – ausnahmeweise für eine Tier Two Nation – von einem Schiedsrichterfehler profitiert haben. 12.11, Madrid: Spanien - Tonga 13-28 (3-14) Versuche: Faleafa, Hala, Takulua, Vainikolo; Erhöhungen: 4x Takulua. Highlights:https://www.youtube.com/watch?v=qtScZAZcyJg 19.11, San Sebastian (ES): Tonga - USA 20-17 (17-10) Versuche: Vainikolo, Veainu; Erhöhungen: 2x Takulua; Straftritte: 2x Takulua. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=twpnKUA3jrk 27.11, Padova: Italien - Tonga 17-19 (7-3) Versuch: Piutau; Erhöhung: Takulua; 4x Takulua Series-Fazit: 3-0. Bemerkenswert, weil dabei auch ein Tier One Test dabei war. Damit haben die Tongaer geschafft, die Samoaner in Weltrangliste zu überholen und beenden 2016 auf dem 13. Platz. Die schlechteren Auftritte gegen Spanien und USA müssen jedoch analysiert und beseitigt werden, falls Tonga ein direktes Ticket zum RWC 2019 (via Pacific Nations Cup) ergattern will. Die gute Quote beim Kicken ist interessant – alle Versuche wurden verwandelt, und nicht weniger als 10 Straftritte haben maßgeblich zu den Siegen beigetragen. Neben Japan ist Tonga die einzige andere Tier Two Nation, die sich in der Rangliste verbesserte. Samoa (15. Platz) Dass Samoa, das wenige Jahre zuvor den 7. Platz in World Rugby Ranking erreichte und beachtliche Siege gegen Tier One Nationen (Australien, Wales, Schottland) feierte, in einer bergab Bewegung ist, sollte es nun jedem klar sein. In Gegenteil zu anderen Mannschaften, die 2016 benutzt haben, um verschiedene Alternativen zu probieren, scheint Samoa die wichtige 2017 Pacific Nations Cup (die als Qualifikation zum WM 2019 dient) immer noch mit der goldenen Generation anzugreifen (um vielleicht später die Erneuerung zu wagen). Das Problem ist, dass Ü30 Stammspieler wie Avei, Johnston, Fotuali'i, Pisi, Lemi oder Williams altersbedingt ihre einstige Form nicht mehr zeigen. Die Auftritte der Samoaner scheinen noch chaotischer als sonst zu sein, und diesmal kann die individuelle Klasse nicht mehr kompensieren. 8-52 gegen Frankreich und 16-20 gegen genauso schwach spielenden Georgier sind ein deutliches Zeichen. Auch der erwartete Sieg gegen Kanada (25-23) schien eher glücklich als verdient – beachtlich ist, dass die Insulaner nur einen Versuch legten, und der Sieg nur dem Leuila seinem Fuß zu verdanken ist. Hätte sein Kontrahenten Braid einen ähnlich guten Tag erwischt… 12.11, Toulouse: Frankreich - Samoa 52-8 (26-3) Versuch: Lee-Lo; Straftritt: Fa'apale Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=_jHUNOSaFtg 19.11, Tbilisi: Georgien - Samoa 20-16 (17-10) Versuch: Pisi; Erhöhung: Fa'apale; Straftritte: 3x Fa'apale. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=Ck66GltFSxw 25.11, Grenoble (FR): Samoa - Kanada 25-23 (16-6) Versuch: Perez; Erhöhung: Leuila; Straftritte: 5x Leuila; Dropgoal: Leuila. Highlights: https://www.youtube.com/watch?v=OmC-iCYaPa4
Series-Fazit: 1-2. Der glückliche Sieg gegen schwächer platzierten Kanadier reichte nicht aus, um zu vermeiden, dass die Insulaner ein Weltrangliste-Platz verlieren. Noch mehr Sorgen macht jedoch das Spiel von Manu Samoa – ohne eine deutliche Steigerung grüßt die Repechage auf dem Weg zum WM (womöglich mit Reisen nach Sotchi, Krasnodar oder wer weißt wohin sonst).
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