Die Erfolge der DRV VII erfordern unglaublich viel Arbeit hinter den Kulissen, ist es wert diese Erfolge zu gefährden?
Es ist eine Kontroverse, die sich angebahnt hat. Der Bundesliga-Ausschuss hatte einen Spielplan beschlossen, der zu erheblichen terminlichen Konflikten führen musste. Überschneidungen des letzten Bundesliga-Spieltags und des Halbfinales mit den ersten beiden GPS-Turnieren des Sommers, sowie die Terminierung der deutschen Meisterschaft im Siebener-Rugby am Wochenende vor den letzten beiden GPS-Turnieren haben den DRV veranlasst, die Topspieler der DRV VII ab dem März bis zum Ende der für den Verband so wichtigen Grand Prix Serie zu sperren. SCN-Präsident und Ex-DRV-Chef Claus Peter Bach äußerte seine beißende Kritik daran in verklausulierter Form in seiner RNZ-Kolumne in einem wirren Zwiegespräch mit seinem Papagei.
Die EM-Turniere der Grand Prix Serie stellen für den Deutschen Rugby-Verband das absolute Brot- und Buttergeschäft dar. Denn jegliche Förderung über das Bundesministerium des Innern hängt ebensom wie die Spielerförderung über die Sporthilfe, von einem Abschneiden unter den besten sechs Mannschaften des Kontinents in der EM-Serie GPS ab. Die monatelange Vorbereitung, um auf dem absoluten europäischen Topniveau mithalten zu können, würde durch eine Teilnahme der Nationalspieler in der Schlussphase der Bundesliga einerseits durch mögliche Verletzungen und andererseits durch fehlende Trainingszeit mit der Siebener-Gruppe erschwert und gefährdet. Denn was in den letzten Jahren und Monaten gerade auch in der Olympia-Vorbereitung deutlich geworden ist: Das Siebener-Rugby ist immer mehr zu einer Spezial-Disziplin geworden und ein guter Fünfzehner-Spieler zu sein reicht noch lange nicht aus, um es im Siebener zu schaffen. Die Beispiele Quade Cooper, Henry Speight und Stuart Hogg sollten jedem Interessierten genug Anschauungsmaterial in dieser Sache bieten. Deshalb blieb dem DRV auf Anraten der Trainerteams beider Nationalmannschaften keine andere Wahl, als die involvierten Spieler zu sperren. Der entsprechende Brief vom Präsidenten Klaus Blank ging in der vergangen Woche an die Bundesliga Vereine.
Die Falschen werden bestraft
Dass damit besonders diejenigen Vereine bestraft werden, die über gute Jugend- und Trainingsarbeit Spieler für die Nationalteams produzieren, macht die Angelegenheit umso bedauernswerter. Dem RK Heusenstamm, der RG Heidelberg, dem HRK, aber auch den beiden Hannoveraner Vereinen Germania und 78 werden in der entscheidenden Saisonphase viele ihrer wichtigsten Akteure fehlen. Das verzerrt nicht nur den Wettbewerb sondern macht es für die Bundesliga-Vereine noch attraktiver ausländische Spieler anzuheuern, die in den entscheidenden Wochen der Saison verfügbar sind. Aber das wiederum wäre nicht im Sinne des deutschen Rugby, da deutsche Talente auf der Strecke blieben.
Widerstand dagegen war sicherlich vorprogrammiert auf Seiten der Vereine, die jedoch über den Bundesliga-Ausschuss zur Problematik beigetragen haben. Dass dabei einige Klubs an vorderster Front gegen den Entscheid kämpfen, die von der Entscheidung gar nicht, oder nur in geringem Maße benachteiligt sind, da sie keine oder kaum Siebener-Nationalspieler stellen, ist dabei aber umso verwunderlicher. Natürlich wird der Endspurt der Bundesliga gewissermaßen sportlich entwertet, wenn die 25 Kernspieler der DRV VII nicht mehr mit von der Partie sein werden, doch was ist die realistische Alternative? Für einen faireren Bundesliga-Wettbewerb alle Erfolge der DRV VII riskieren? Immerhin klopfen die Jungs um Kapitän Clemens von Grumbkow an die Tore der World Series und hätten damit endgültig den Sprung unter die ganz Großen im Siebener-Rugby geschafft. Eine erhöhte Medienpräsenz und ein massiver Schub für das gesamte deutsche Rugby wäre die Folge. Aber wie schnell die Entwicklung in die gegenteilige Richtung gehen kann, mussten wir bei unseren Siebener-Damen miterleben. Mit dem Abstieg fielen mit einem Mal alle Sportförderstellen der Bundeswehr, sowie große Teile der öffentlichen Gelder weg. Das Team von Nationaltrainer Melvine Smith muss nun von Neuem Aufbauarbeit leisten und zwar in der zweitklassigen Trophy Series.
Eine öffentliche Replik gab der ehemalige DRV-Präsident und Vorsitzende des SCN, Claus-Peter Bach. Dieser nutzte seine Rolle als Sportredakteur bei der Rhein-Neckar-Zeitung, um seinen Unmut über diese Entscheidung kundzutun, wenn auch auf etwas bizarre Weise. Statt seine Kritik offen zu formulieren, lässt Bach in einer Glosse lieber seinen imaginären Papagei zu Wort kommen, der den besagten Brief seines Nachfolgers Blank, in dem die Entscheidung der Spielersperrung angekündigt und erklärt wurde, als "gelebte Volksnähe" verspottet. Blanks Anliegen, den Rugbysport in Deutschland noch populärer zu machen, bezeichnet Bach, bzw. sein Papagei sarkastischerweise als "Wahnsinn", so dass jener Papagei nunmehr ganz "aus dem Käfig" sei.
"Trost für den Zitronenhändler", Glosse von SCN-Präsident und Sportredakeur Claus-Peter Bach aus der Rhein-Neckar-Zeitung vom 29.10.
"...Klaus Blank ist der füsorgliche Präsident des Deutschen Rugby-Verbandes. Der Wahl-Eppelheimer freut sich, dass seine Nationalteams in der abgelaufenen Saison ihre Ziele erreicht haben und hat deshalb einen Brief an die Vereine und Landesverbände geschrieben. "Das ist gelebte Volksnähe" behauptet mein Papagei und geriet ganz aus dem Käfig, als er las, dass Präsident Blank die Chance nutzen und den deutschen Rugbysport noch populärer machen wolle. "Noch populärer? Wahnsinn!" krächzte mein Papagei, der gerne Sport im Fernsehen guckt und bedauert hat, dass das deutsche Rugby 2015 mit 45 Sekunden im Öffentlich Rechtlichen und mit null Sekunden bei den Privatsendern zu sehen war. Damit die Popularität der Nationalteams gesteigert werde, müssten die Nationalteams, so der Präsident ganz logisch, weiter siegen. Und damit das vor allem dem von DOSB und BMI favorisierten Siebener-Rugby Team gelinge, dürften diese Nationalspieler im Frühjahr keinerlei Bundesliga- und Pokalspiele mehr bestreiten. So steht es da, schwarz auf weiß und es ist wohl kein verfrühter Aprilscherz. Was die Bundesliga-Vereine davon halten, wenn sie im Witzemonat, im Mai und im Juni die Halbfinals und die Endspiele ohne ihre Nationalspieler bestreiten müssen, wissen wir nicht. "Wir werden es erfahren" ist sich mein Papagei sicher und findet, sie sollten mit Herrn Blank nicht so streng sein. "Er meint es ja gut".
Weiterhin zielt Bach spöttisch auf das Anliegen den Sport hierzulande beliebter zu machen und versucht dieses ins Lächerliche zu ziehen. Seine Behauptung, dass im deutschen Fernsehen im Jahr 2015 nur 45 Sekunden Rugby auf den öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten und genau gar nichts im Privatfernsehen zu sehen gewesen sei, verwundert dann aber doch schon ein wenig. Denn während der Weltmeisterschaft waren sowohl in Sportstudio, als auch in der Sportschau und der Sportschau-Reportage zahlreiche Beiträge über das Turnier in England gelaufen. Dabei sind auch wiederholt Nationaltrainer Potgieter sowie Präsident Blank selbst zu Wort gekommen und konnten Bezug auf die Entwicklungen in Deutschland nehmen. Auf den Spartensendern der Öffentlich-Rechtlichen waren darüber hinaus auch minutenlange Magazinbeiträge, zum Teil mit lokalem Bezug über das Turnier zu sehen. Die stundenlagen Live-Übertragungen von Eurosport ließ der SCN-Vorsitzende derweil ganz außer Acht, dem Anschein nach, da es ja nicht um das deutsche Rugby ging und die Sendezeit folglich nicht zur Popularität beigetragen könne. Die Heimspiele der deutschen Fünfzehner-Nationalmannschaft konnten waren 2015 über Sportdeutschland in voller Länge und umsonst im Internet zu sehen, genauso wie die GPS-Turniere der DRV VII. Auch das Bezugsjahr 2016 hätte seiner Kritik kein solideres Fundament verliehen. Live-Übertragungen auf ARD und ZDF des Siebener-Wettbewerbs aus Rio, mit bis zu vier Millionen Zuschauern, die Sport 1 Übertragungen der DRV XV Spiele aus dem Frühjahr und bald auch im November lassen die Zahl 45 Sekunden lächerlich klein erscheinen. Insgesamt war in Deutschland in den letzten beiden Jahren wohl noch nie so viel Rugby, wie momentan zu sehen und das ist eine positive Entwicklung, die es nicht kleinzureden gilt.
Doch damit war die Kritik am Vorgehen des DRV und namentlich seines Präsidenten noch nicht vorbei: Die Tatsache, dass nun ab dem "Witzemonat" April keiner der DRV VII Asse in der Bundesliga auflaufen werden, sei "leider kein verfrühter Aprilscherz", so Bach bzw. sein Papagei im weiteren Verlauf der Glosse. Warum diese beißende Kritik über das in Heidelberg häufig gelesene Sprachrohr RNZ öffentlich gemacht wurde, bleibt ebenso nebulös, wie die Frage nach konkreten Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschlägen. Sollen die Spieler der DRV VII eher am 14. Bundesliga-Spieltag auf dem Rasen der Bundesliga-Plätze stehen, als in Lyon im Matmut-Stadion im Duell mit den besten Siebener-Spielern Europas? Ist die Integrität des Bundesliga-Wettbewerb wirklich wichtiger, als die zukünftige Entwicklung unserer momentan wohl erfolgreichsten Auswahlmannschaft?
Wir von TotalRugby begrüßen die schwierige Situation zum Saisonende genausowenig. Sehen aber zu einer anderen Termin-Gestaltung keinerlei Alternative. Die Umstellung der Saison auf das Kalenderjahr wäre eine Möglichkeit diese Problematik zu lösen. Dann hätten zum Saisonfinale hin alle Vereine ihre Topspieler zur Verfügung. Die Siebener-DM kann terminlich noch verschoben werden und wenn einige Vereine aufgrund der Sommerferien nicht in der Lage sind, eine Mannschaft zu stellen, ist dies bedauerlich. Aber immer noch eine bessere Option, als eine Siebener-Meisterschaft ohne die besten Siebener-Spieler zu veranstalten.
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