Wo eine Wille ist auch ein Weg.
Es war einiges los am Wochenende in der Rugby-Bundesliga. Unter anderem fanden drei Lokalderbys statt sowie das Duell zwischen Neuenheim und Meister Pforzheim. Das Problem: Außer den Zuschauern auf den Plätzen bekam es kaum jemand mit.
Dabei wäre es so einfach, das zu ändern. Stichpunkt: Liveticker, in anderen Sportarten längst gang und gäbe bzw. mit anderen Vorgaben zur Steigerung der öffentlichen Außendarstellung bereits Standard im Lizenzierungsverfahren. Totalrugby bietet seit Jahren die technischen Möglichkeiten, mit denen die Klubs eine fünfstellige Anzahl an Rubgy-Fans deutschlandweit erreichen können. Kostenlos. Aber: Es wird immer seltener davon Gebrauch gemacht. Die ebenso ernüchternde wie erschreckende Bilanz vom Wochenende: Sechs Erstligaspiele, aber nur drei Liveticker.
Die Begründungen zeigen das ganze Dilemma: Mal sind persönliche Animositäten gegenüber den Machern von Totalrugby wichtiger, als die öffentliche Wahrnehmung, mal herrscht Gleichgültigkeit (Zitat: „Ist doch egal“) und mal war angeblich das „WLAN down“, was in Zeiten von Smartphones (ja, auch mit denen lässt sich der Liveticker bedienen) fast schon komisch klingt. Aber zum Lachen ist das alles nicht. Im Gegenteil, es zeigt eines der Hauptprobleme im deutschen Rugby: Man wundert, ja beschwert sich sogar darüber, dass die Sportart kaum wahrgenommen wird, trägt aber seinerseits kaum etwas dazu bei.
Das Argument der fehlenden Manpower zieht hier nicht. Benötigt wird nur eine Person – und einen Pressesprecher sollte jeder Verein haben. Wenn der aber, wie am Wochenende zum Teil zu beobachten, lieber während der Partie um den Platz schlendert, läuft im wahrsten Sinne des Wortes etwas falsch. Denn: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das zeigen ausgerechnet die in Rugbykreisen so gerne belächelten „Rundballer“, denen man sich all zu gerne überlegen fühlt. Auf fussball.de werden zum Teil selbst zu Kreisligaspielen Liveticker geboten, weil die Vereine das entsprechende Angebot zu würdigen wissen und entsprechend nutzen.
Die Ernsthaftigkeit bleibt in den unteren Klassen zwar manchmal auf der Strecke, aber die Wahrnehmung ist – auch aufgrund des Unterhaltungsfaktors – hoch. Wen das Beispiel Fußball nicht überzeugt, der kann den Blick gerne auf andere Sportarten lenken. Im Basket- und Handball sind Liveticker bereits in den 3. Ligen die Regel, im Rugby sind sie in der ersten Liga die Ausnahme. Aber man muss beim Handball noch nicht mal so weit nach oben gehen. Dort wird zum Teil bereits auf Bezirksebene freiwillig der Elektronische Spielbericht (ESB) getestet – obwohl das die Teilnahme an einer Schulung voraussetzt. Im Rugby undenkbar. Leider.
Andere haben hingegen die Zeichen der Zeit erkannt. „Der elektronische Spielbericht ist die Zukunft für unsere Sportart“, sagt beispielsweise ein Sprecher des Handball-Verbandes Westfalen. Das alte System mit Spielberichten in Papierform sei antiquiert. „Wir müssen dahin kommen, das aktuelle Informationsbedürfnis zu erfüllen.“ Es soll künftig die Möglichkeit geben, „live“ auf Ballhöhe zu sein. Voraussetzung dafür ist ein Gerät mit Windows-Betriebssystem. Der elektronische Spielbericht kann dann offline oder online erstellt und mit der Vereins-Internetseite verlinkt werden. „Der ESB wird sich bis auf Kreisebene durchsetzen“, sind die Handballer überzeugt. Im Rugby muss man froh sein, wenn die Liveticker-Quote nicht noch weiter sinkt. Das ist ein Armutszeugnis.
Christian Düncher
Der Verfasser (Jahrgang 1976) ist seit mehr als 15 Jahren als Sportjournalist tätig und kennt auch die Vereins- bzw. Verbandsseite. Er war Pressewart der Rugby-Abteilung des BSC Offenbach sowie des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) und zeichnete zudem zwischenzeitlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim ehemaligen Handball-Bundesligisten TV Großwallstadt verantwortlich.
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