Fijis Offensive um Toulon-Außen Tuisova war für Team GB über die gesamte Spieldauer nicht unter Kontrolle zu bringen. Foto (c) World Rugby Instagram
Die Bedeutung dieses Momentes für die etwa 900.000 Einwohner auf den 106 bewohnten Inseln Fidschis zu begreifen, wird für einen Mitteleuropäer sicherlich nicht einfach. Doch die erste Olympia-Medaille überhaupt für das kleine Inselreich, irgendwo auf halben Weg von Australien nach Hawai, erfüllt eine ganze Nation mit Stolz. In den Google-Suchen weltweit lag Fidschi auf einmal vorne und so viel Aufmerksamkeit hat dieses Land sicher noch nie erfahren.
Premierminister Frank Bainimarama, der alle drei Tage des Turniers zwischen den Fidschi-Fans auf der Tribüne in Rio verbracht hatte, kündigte für den 22. August einen nationalen Feiertag an, um den Sieg standegemäß zu zelebrieren. Kein Einwohner des Landes sei jemals stolzer gewesen Fidschianer zu sein. Bainimarama fühlte sich sogar genötigt zu betonen, dass die Produktivität auf den Fidschi Inseln in den letzten Tage gegen Null tendiert habe und man nun wieder anfangen müsse zu arbeiten, bis zur Heimkehr des Teams aus Rio natürlich.
Dass Fidschi allen Grund zu feiern hatte, bewiesen die Männer von Ben Ryan mit einer geradezu ekstatischen Leistung im Finale. Nachdem man in einigen Vorrundenspielen und dem 20:5 Halbfinalsieg eine gewisse Gehemmtheit auszumachen schien, spielte Fidschi gegen Großbritannien wie entfesselt. Schon während der tränenreichen Hymne des Inselstaates konnte man bei Kapitän Kolinisau und Co. die Entschlossenheit in den Gesichtern ablesen. Vom gefangenen Ankick hinweg spielte Fidschi im gewohnt unkonventionellen Stil und kam nach einem halben Durchbruch von Kolinisau, einem Offload von Nakarawa von der eigenen bis an die 22 Großbritanniens.
Fijis Mannschaft ist unter Ben Ryan eine eingeschworene Gemeinschaft
Trainer Ben Ryan hatte am Vortag die Devise ausgegeben, sich von den Rucks fernzuhalten und den Ball am Leben zu halten. Ein solches Offload später und auf einmal bot sich auf der linken Seite eine Lücke für Kapitän Kolinisau, der den Sprint bis zur Linie anziehen konnte. Der Bann war nach nicht ein mal einer Minute gebrochen und von nun kam England schlicht nicht mehr aus der eigenen Hälfte raus. Fidschi vollführte eine Demonstration ungeahnten Ausmaßes, ganze fünf Versuche gelangen dem Favoriten bis zum Pausentee beim Stande von 29:0.
Den Briten gelang es schlicht nicht das großartige Offload-Spiel der Fidschianer zu unterbinden. Immer wenn ein Brite einen Fidschianer gestoppt zu haben schien, kam eine schneller Läufer zur Unterstützung und nahm dankend den Pass im Kontakt ab und das war für die Briten schlicht nicht zu verteidigen. Einmal durch die erste Verteidigungslinie durch nutzen die Männer von Ben Ryan den Platz gnadenlos aus. Das beste Mittel gegen dieses Spiel Fidschis wäre sicher eine schneller aufrückende Defensive gewesen, um den Spielfluß der Insulaner zu stören. Doch entweder fehlte dazu nach den extrem engen Partien im Viertel- und Halbfinale die Kraft, oder Coach Simon Amor hatte schlicht eine andere Taktik ausgegeben.
In den wenigen Momenten, in denen das Team GB den Ballbesitz inne hatte, waren die Angriffsbemühung schnell am Ende. Entweder waren es leicht Fehler die den Briten den so vitalen Ballbesitz kosteten, oder Fidschis gut in den Rucks kämpfende Stürmer holten sich die Pille in den Kontaktsituationen zurück. Dementsprechend einseitig lief die Partie weiter. Einzig Dan Nortons Versuch nach einem schnell ausgeführten Straftritt vier Minuten vor Ende kam so etwas, wie Ergebniskosmetik gleich. Schon lange bevor das 43:7 als Endergebnis feststand, schwenkte die Kamera immer wieder auf den hochemotionalen Kapitän Fidschis, Kolinisau. Dieser hatte viele Mitspieler über die Jahre hinweg dem zu verdienenden Geld folgend nach Europa abwandern sehen, was selbst aber den Flying Fijians über fast eine Dekade hinweg treu geblieben.
Mit dem Abpfiff kannte der Jubel keine Grenzen, doch die tiefgläubigen Fidschianer versammelten sich noch vor der Medaillenzeremonie zum Gebet und sangen gemeinsam zelebrierend. Die Medaillen selbst empfingen sie kniend von der Prinzessin Anne von Großbritannien, der als IOC Mitglied und Dauergast in Schottlands Rugby-Tempel Murrayfield die Ehre zu Teil wurde.
Auch wenn das Finale vielleicht nicht die erhoffte Spannung gebracht hat, war es doch eine Siebener-Demonstratio vom Feinsten. Für das kleine Inselreich, noch schwer gebeutelt vom Zyklong Winston in diesem Februar, war dieses Ereignis ein ganz besonderes.
Für die fidschianische Mannschaft ist das strenge Regime von Ben Ryan, der seinen Jungs ein monatelanges Alkohol- und Kohlehydrate-Verbot auferlegt hatte, vorbei. Der englische Erfolgstrainer wird sich erst einmal eine Auszeit nehmen, dennoch werden in Fidschi stimmen laut dem Engländer die Ehrenbürgerschaft Fidschis zu verleihen. Seine Spieler haben indes bekundet, erst einmal den McDonald's neben dem olympischen Dorf aufsuchen zu wollen. Das hätte man bis dato nicht gedurft. Angesichts der Tatsache, dass die World Series erst am ersten Dezember in Dubai weitergeht, werden die in der Olympia-Vorbereitung gestählten Körper es verkraften können.
Kapitän Kolinisau mit der Goldmedaille
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