Auftakt ins Herren-Turnier bei Olympia: Die Favoriten und Stars
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 9. August 2016
Eines der Duelle, die uns beim Herren-Turnier in Rio erwarten: Kolinisau gegen SBW
Bei Olympia geht es sprichwörtlich Schlag auf Schlag und das auch beim Rugby. Nachdem das Turnier der Damen in der letzten Nacht mit einem Sieg der australischen Damen beendet wurde, folgt nun direkt im Anschluss der Auftakt bei den Herren. Dabei wollen es die Aussie Thunderbolts ihren weiblichen Kolleginnen aus Down Under gleich machen und Gold abstauben, gelten allerdings in der sehr offenen Herren-Konkurrenz als Außenseiter. Die Favoritenrolle haben andere Teams inne. Diese wollen wir euch samt ihrer Stars vorstellen!
In den letzten beiden Jahren endete die Sevens World Series mit exakt der gleichen Abschlusswertung. Fidschi gewann vor den südafrikanischen Blitzboks und den All Blacks Sevens. Daraus lassen sich zwar gewisse Rückschlüsse ziehen in Sachen Favoritenrolle. Doch einer der spannendsten Aspekte beim Siebener ist und bleibt, dass an einem guten Tag jeder jeden schlagen kann. Nicht umsonst haben in dieser Saison ganze sechs Teams ein Event der Series für sich entscheiden können. Beim abschließenden Turnier in London war es schließlich Schottland, die den Sieg davontragen konnten und das als Zehnter der Gesamtwertung!
Fidschi - Die Südsee-Siebener-Spezialisten sind der heißeste Gold-Anwärter
Zum zweiten Mal in Folge konnten die Männer von Ben Ryan in der abgelaufenen Saison die World Series für sich entscheiden. Drei der zehn Turniere gingen an die Insulaner, wobei auch die Konstanz ein entscheidender Faktor ist. Platz fünf in Kapstadt war die schlechteste Platzierung über die Saison hinweg, sonst wurde immer mindestens das Cup-Halbfinale erreicht.
Fidschi ist traditionell eine Macht im Siebener, mit der es immer zu rechnen galt. Doch seit der Übernahme der "Flying Fidjians" durch ex-England Coach Ben Ryan hat sich ihr Spiel weiterentwickelt. Ryans Philosophie ist dabei das Spontane und unberechenbare Spiel der unglaublich begabten Fidschianer, bei denen kein Sport auch nur annähernd so beliebt ist wie das Siebener, in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken und dazu die fitteste Mannschaft zu stellen. Disziplin rund um das Spielgeschehen aber zugleich nicht zu viele taktische Fesseln sind das Geheimrezept Ryans. Mit natürlich begabten Athleten, wie Kunatani, Viriviri und Nakarawa scheint dies die beste Herangehensweise zu sein.
Nach beiden World Series Erfolgen wurden offizielle Feiertage ausgerufen, dementsprechend will man sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn Fidschi tatsächlich das erste Gold in der Geschichte des kleinen Landes holen sollte. Der Favoritendruck der zwölf Jungs, die allesamt aus einfachsten Verhältnissen stammen und beim Verband gerade einmal €6000 jährlich verdienen, muss schier unglaublich sein. Zu jedem World Series Turnier bringen die Fiji Sun und die Times, die beiden größten Zeitungen des Landes zwölf Sonderseiten zum Geschehen auf der Series. Ben Ryan selbst prognostizierte gegenüber dem Londoner Telegraph "Die Jungs können sich unsterblich machen. Sie würden Lämmer, Statuen und Minister-Posten erhalten, die Party würde bis 2017 dauern!"
Spieler im Fokus: Osea Kolinisau
Natürlich wäre es einfach die spektakulären Importe aus dem Fünfzehner, die es in den Olympia-Kader Ben Ryans geschafft haben, wie Josua Tuisova oder Leone Nakarawa hier mit ihrer spektakulären Spielweise hervorzuheben. Doch Osea Kolinisau spielt nun mittlerweile im neunten Jahr für die Flying Fidjians und konnte im Gegensatz zu vielen anderen Teamkollegen den finanziellen Verlockungen des Auslands, wo Fidschi-Stars in einem Monat ein Vielfaches des Jahresverdienstes bei der Fiji-Union machen können, wiederstehen. Kolinisau verkörpert als Kapitän alles, was Fidschis Rugby-Spiel ausmacht. Trickreich, schnell und unglaublich fit. Schon viele Male konnte der nur 1,73 m große Kolinisau den Unterschied für sein Land machen. Auch in Rio wird vieles am Kapitän der Mannschaft abhängen, damit der Favorit auch den Weg auf die oberste Stufe des Podiums schafft!
Es scheint so als wäre auch Serena Williams großer Fan des Fidschi-Kapitäns
Neuseeland - Mission Gold für Gorden Tietjens
Der neuseeländische Verband NZRU hatte die klare Zielvorgabe mit Blick auf Rio ausgegeben: Zwei Mal Gold für die beste Rugby-Nation auf dem Planeten. Den Frauen missland das Kunststück und bei den Herren wurde dem amtierenden Siebener-Weltmeister in den letzten beiden Jahren Stück für Stück von Ben Ryans Fidschi der Rang als beste Siebener-Mannschaft abgelaufen. Von 2011 bis 2014 dominierte man die World Series, nur um nunmehr zum zweiten Mal in Folge die zweite Geige hinter Fidschi und Südafrika zu spielen. Denn drei Turniersiegen auf der Series zum Trotz langte es nur zum dritten Rang in der Endabrechnung. Doch Neuseelands Trainer Sir Gordon Tietjens, der nun mittlerweile seit 22 Jahren im Amt ist hat alle Hebel in Bewegung gesetzt um den Trend bei Olympia umzukehren. Seit einiger Zeit setzt sich der mittlerweile 60-jährige dafür ein, dass seine Spieler eine permanente Basis zur Verfügung gestellt bekommen, in der sie das ganze Jahr über trainieren und leben. Andere Länder wie Australien oder die USA hätten ihnen da den Rang abgelaufen.
Doch auch an der Spielweise der All Blacks Sevens dürfte es vielelicht liegen, denn diese ist in den letzten Jahren immer konservativer geworden. Zwar sorgt Tietjens, als Schleifer alter Schule, dafür, dass seine Mannschaft extrem fit ist. Aber auf dem Feld wirkt das erfolgreiche Rugby manchmal ein wenig einfältig, wie selbst beim Turniersieg in Vancouver. Bei eben jenem Turnier packten die All Blacks auf einmal die "Pick and Go" und "so oft in den Kontakt wie möglich" Taktik aus. Nicht sonderlich ansehnlich, aber erfolgreich!
Spieler im Fokus - Sonny Bill Williams
Viele Rugby-Fans werden den Namen von SBW sicher nicht mehr hören können. Doch kein anderer Spieler hat einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie der multitalentierte Aucklander. Im, je nach Zählweise, vierten Sport glänzt der konvertierte Muslim und zeigt sich darüber hinaus auch abseits des Feldes als echter Champion. Die Geschichte wie er seine WM-Sieger Medaille einem Jungen schenkte, sowie sein Engagement für Flüchtlinge sind hinlänglich bekannt. Seine Umstellung auf das Siebener-Spiel war keine einfache, SBW selbst gab zu, nie derart hart trainiert zu haben. Es sei schlicht "brutal" in Sachen konditioneller Anforderungen gewesen. Auf dem Feld konnte 1,94 große und 105 kg schwere Williams sowohl durch seine spektakulären Trademark-Offloads, als auch durch einfache Stellungsfehler von sich reden machen. Doch kaum ein Fünfzehner-Spieler mit dem Ziel Olympia hat derart viel Zeit investiert und das hat sich ausgezahlt. SBW hat es in den Kader von Gordon Tietjens geschafft und könnte einer der größten Stars der Spiele insgesamt werden.
Südafrika - Physische Stärke und pfeilschnelle Außen
Der Mannschaft von Neil Powell gelang in der abgelaufenen Saison zwar nur ein einziger Turniersieg und zwar beim Heimturnier in Kapstadt, dennoch zählen die konstanten Blitzbokke zweifelsohne zu den Mitfavoriten auf den Sieg in Rio. Eine auf allen Positionen gleichmäßig gut besetzte Mannschaft, die sowohl mit physischer Härte, als auch mit blitzschnellen Spiel über die schnellen Außen punkten kann. Selbst Weltmeister von 2007 mit den Springboks und einer der besten Außendreiviertel weltweit, Bryan Habana, hat es trotz intensiver Bemühungen und einigen Auftritten auf der Series nicht in den Kader der Blitzbokke für Rio geschafft. Dennoch zeigte sich Habana als der großer Sportler, der er ist und reagierte auf die nicht-Nominierung mit der Aussage, dass er von nun an der größte Fan der Mannschaft sei.
Fraglich bleibt warum es die Bokke bei sieben von zehn Turnieren auf den zweiten oder dritten Platz geschafft haben, aber nur ein Turnier gewinnen konnten. Gegen Schottland im Finale von London sah man wie der absolut sichere Sieger aus. Doch kassierte man in der Schlussminute gleich zwei Versuche gegen eine eigentlich zweitklassige Mannschaft der Series. Sollten die Männer vom Kap allerdings ihre Nerven beisammen halten muss definitiv mit ihnen gerechnet werden.
Spieler im Fokus - Südafrikas Super-Sprinter Seabelo Senatla
Sein Spitzname "Jet Shoes" spricht eigentlich schon für sich. Senatla ist der mit Abstand schnellste Spieler der Bokke und nach Carlin Isles und Perry Baker wohl auch der drittschnellste auf der Series. Der mit 76 kg bei 1,86 m für einen südafrikanischen Außen äußerst schmächtige Spieler hattes es bereits 2014 in den Kader des südafrikanischen Top-Teams Stormers geschafft und das trotz der am Kap vorherrschenden Obsession für kräftige Rugger von der 1 bis auf die 15. Doch mit Hinblick auf Rio hat sich Senatla in den letzten beiden Jahren vollends auf das Siebener-Rugby konzentriert und ist dabei von Erfolg zu Erfolg geeilt. Auch in Rio wird es für die gegnerischen Verteidigungslinien schwer Senatla unter Kontrolle zu bekommen, erst recht, wenn man ihm zu viel Platz anbietet.
Der weitere Favoritenkreis
Das Team GB, ein alter Bekannter unserer DRV VII, hat sicherlich Außenseiterchancen auf den Titel in Rio. Nachdem England in der Saison 2014-2015 mit einem starken Finish und Platz vier die direkte Quali für Rio sicherte, fiel die Mannschaft von Simon Amor in diesem Jahr auf Rang acht der Series ab. Nach einem starken Start in Dubai mit Paltz zwei wurden die Leistungen Englands im Verlauf der Saiso immer schwächer und kulminierten in einem letzten Platz in Las Vegas. Schottlands Sieg in London mag britischen Fans ein wenig Hoffnung gegeben haben, doch der Großteil des Kaders spielt normalerweise für England. Die intensive Vorbereitung dürfte Bibby, Bennett und Norton sicherlich besser zusammengeschweißt haben und die vergleichsweise einfache Gruppe mit Neuseeland, Japan und Kenia dürfte den Männern von der Insel in die Karten spielen. Ganz oben sehen wir sie aber nicht!
Das Team USA machte etwa vor einem Jahr erstmals richtig von sich reden, als es das World Series Turnier in London für sich entscheiden konnte. In diesem Jahr gelang kein weiterer Turniersieg, allerdings einige Halbfinaleinzüge, zuletzt beim abschließenden Turnier in London. Mit den beiden Speedstern und Football-Konvertiten Carlin Isles und Perry Baker, sowie dem physisch unglaublich starken Danny Barrett sind die USA gut aufgestellt. Ein Sieg in Rio käme dennoch einer riesigen Überraschung gleich.