Auftakt in Rio: Die Medaillen-Favoriten und Stars des Frauen-Wettbewerbs
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 4. August 2016
Ab morgen kämpfen die 12 Kapitäne um Medaillen. Foto (c) World Rugby
Morgen Nachmittag wird es in Rio endgültig ernst. Dann kämpfen zuerst die zwölf angereisten Damen-Teams im Deodoro-Stadion um die drei zu vergebenden Medaillen. Wir haben für euch am Tag vor der Rugby-Rückkehr bei Olympia einen Blick auf die Medaillen-Favoriten bei den Damen, sowie auf ein paar herausragende Athletinnen geworfen.
Australien
Zu behaupten irgendjemand anderes ausser den Ladies aus Down Under käme die Favoritenrolle zu Teil, wäre vermessen. Angereist als souveräner Sieger der World Series, bei der die Aussie Pearls drei der fünf Turniere gewinnen konnten, sind sie die heißesten Anwärterinnen auf Gold in Rio. Für Coach Tim Walsh war der Gewinn der World Series nach zweiten und dritten Plätzen in den Jahren zuvor zwar eine gute Sache, aber jetzt gehe es nun Mal ums große Ganze und das ist der Gewinn von Gold in Rio. Dabei hatte Walsh eine große Auswahl an Spielerinnen zur Wahl und ließ unter anderem prominente Namen wie Tina Penitani daheim.
Spielerin im Fokus: Ellia Green
Wenn Carlin Isles als der schnellste Mann im Rugby weltweit gilt, ist Ellia Green zweifelsohne sein weibliches Pendant. Die 23-jährige gebürtige Fidschianerin hat ebenso wie Isles erst 2012 mit dem Rugbysport begonnen und ist eigentlich Sprinterin. Doch ihre Geschichte, die sie zum Rugby geführt, ist sogar noch ein wenig kurioser. Eigentlich wollte sie im Jahr 2012 nur ihren Cousin zu einem offenen Sichtungstraining in Melbourne fahren, entschied sich dann aber spontan dazu, als eine von 200 weiblichen Teilnehmern ihr Glück zu versuchen. Zwar hatte Green in ihrer Kindheit in Australien ab und an mit ihren Brüdern ein wenig Rugby gespielt. Doch dem Wunsch ihrer Mutter, sie möge sich doch bitte einen Sport suchen, bei dem sie sich nicht verletzen könne, folgte sie erst einmal.
Doch bei eben jenem Sichtungslehrgang schaffte es Green als eine von zwei Spielerinnen genommen zu werden und machte bereits im Jahr darauf ihr Debüt für Australien. Ihr Rugby-Können hat sie seitdem kontinuierlich verbessert und überragend schnell war sie sowieso von Beginn an. Dem Wunsch ihrer Mutter war sie schlussendlich nicht gefolgt. Doch vier Jahre nach dem Sichtungstraining ihres Cousins, viele Versuche und Verletzungen später steht Green nun vor ihrem Debüt bei Olympia.
Neuseeland
Über Jahre hinweg waren Neuseelands Damen das dominierende Team auf der World Series, die sie 2013 bis 2015 drei Mal in Folge für sich entscheiden konnten. In der vorletzten Saison gewannen die Ladies von Coach Sean Horan gar vier von fünf Events, nur um in diesem Jahren einen Einbruch zu erleben. Zumindest anhand der hohen Ansprüche des amtierenden Weltmeisters. Nur ein zweiter Platz in der World Series und nicht ein einziger Turniersieg. Dabei noch vom sportlichen Erzrivalen Australien überrundet zu werden, wird sicher nicht einfach zu verdauen gewesen sein.
Spielerin im Fokus: Portia Woodman
Als Tocher und Nichte von gleich zwei All Blacks in der Familie hätte eigentlich nie in Frage stehen sollen welchen Sport Portia Woodman später einmal spielen sollte. Doch auch ihre Tante, als ehemalige Nationalspielerin Neuseelands im in Ozeanien äußerst beliebten reinen Frauensport Netball, hatte ein gehöriges Wörtchen mitzureden, so dass Woodman bis 2012 professionell Netball spielte. Nur um dann doch zum Sport ihres Vaters und ihrer Jugend zu wechseln. Wie erfolgreich sie dabei war, zeigt die Tatsache, dass Woodman bereits im Jahr darauf erstmals für Neuseelands Siebener- und Fünfzehner-Nationalmannschaft nominiert wurde. Ihr Talent Woodman auf dem Feld beweist sie ein ums andere Mal auf der World Series. Ein unglaublicher Antritt, überragende Schnelligkeit, hervorragende Steps und dazu noch die nötige Physikalität, um sich auch im Kontakt durchsetzen zu können. In Topform ist Woodman für Team NZ eine Waffe, die wenn dann überhaupt nur von den anderen Top-Teams unter Kontrolle zu bringen ist.
Kanada
Im wohl Eishockey-verrücktesten Land der Erde wird Rugby langsam aber sicher immer beliebter. Mit über 100.000 Vereinsspielern bei 33 Millionen Einwohner hat sich Kanada mittlerweile fest im Welt-Rugby etabliert. Während die Männer maximal zur erweiterten Weltspitze gehören, sind die Damen sowohl im Siebener- als auch im Fünfzehner-Rugby amtierender Vize-Weltmeister. Dritter in der abgelaufenen World Series, konnten sich die Kanadierinnen im Finale des letzten World Series Events in Clermont-Ferrand gar gegen den Topfavoriten Australien durchsetzen. Auch wenn Kanada sicherlich nicht der heißeste Anwärter auf Gold ist, an einem guten Tag vermögen die Damen von Coach John Tait jeden schlagen.
Spielerin im Fokus: Jennifer Kish
Die aus Kanadas Hauptstadt Ottawa stammende Kapitänin der kanadischen Mannschaft, "Jen" Kish, fällt eher optisch auf dem Feld mit ihren Tattoos und den kurzen wasserstoffblondgefährbten Haaren auf. Sie spielt dabei zwar keineswegs so spektakulär wie Woodman und Green, doch kaum eine Spielerin im Rugby zeigt einen derart großen Willen. Kish ist eine hervorragende Tacklerin und ständig im Support zu finden. Durch ihre überragende Fitness ist Kish ständig im Spiel involviert und schließt entweder gerade in der Defensive die Lücken, oder sichert den eigenen Ballbesitz im Ruck. Ohne ihren unbändigen Willen wäre Kanadas Mannschaft nicht da, wo sie heute steht. Denn immerhin seit 2012 führt Kish Kanada als Spielführerin aufs Feld.
Die USA sind beim Turnier in Rio tendenziell eher Außenseiter. Im amerikanischen Englisch würde man von einem "dark horse" reden. Denn obwohl die USA in diesem Jahr bei den fünf Turnieren der World Series nie über einen fünften Platz hinausgekommen sind, haben die Damen von Trainer Richie Walker doch in einzelnen Spielen Topfavoriten wie Neuseeland und Australien besiegen können. Dabei ist Walker erst kurz vor dem Heimturnier im April diesen Jahres als Trainer installiert worden, als er die erfolglose Jules McCoy ersetzte. Nach einem vorletzten Platz in Dubai zu Anfang der Saison reichte es insgesamt für Amerikanerinnen nur zu einem sechsten Platz in der Endabrechnung der World Series. Doch unter neu-Coach Walker hat sich das Team stabilisiert und könnte vielleicht die große Überraschung mit einem Medaillengewinn in Rio schaffen.
Spielerin im Fokus: Jillion Potter
Jillion Potter ist sicherlich nicht die beste Rugby-Spielerin im olympischen Feld. Doch die Tatsache, dass Potter überhaupt in Rio für ihr Land antreten darf, gleicht einem Wunder. Sie selbst meinte einmal scherzhaft: "Ich habe wohl zwei Mal den Kürzeren gezogen". Gemeint sind zwei lebensbedrohliche Szenarien, die Potter überstanden hat, um sich schlussendlich doch den Traum von Olympia zu erfüllen. Mit ihren nur 30 Jahren hat Potter sich bereits einen Genickbruch zugezogen und kämpfte bis zum letzten Jahr an einer seltenen Form von Krebs. Der Bruch eines Wirbels im Jahr 2009 im einem Vorbereitungsspiel gegen Kanada vor der Frauen-WM, warf Potter bereits einmal mächtig aus der Bahn.
Als sie dann während der Vorbereitung auf die nächste WM 2014 mit Krebs diagnostiziert wurde, ließ sich Potter nicht davon abbringen, dieses Mal das Turnier zu spielen. Nur um danach eine Operation samt langer Chemotherapie über sich ergehen zu lassen. Doch im Anschluss kämpfte sich Potter ein zweites Mal zurück und schaffte den Sprung in den amerikanischen Kader für Rio. Diese Frau ist eine Inspiration und nicht nur deswegen wäre ihr eine Medaille in Rio zu gönnen. Auch wenn ihr Comeback schon Zeichen genug ist, dafür welch Willen und Stärke sie in den vergangen Jahren bewiesen hat.