Irland scheitert erneut knapp - All Blacks kommen ins Rollen - Racing triumphiert im Camp Nou
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 28. Juni 2016
Fast 100.000 Rugby Fans füllten am Wochenende das Camp Nou
Wir hatten euch ein actiongeladenes Rugby Wochenende versprochen und die Begegnungen in Sydney, Barcelona und Dunedin haben geliefert, was wir uns von ihnen versprochen hatten. Beim Finale der französischen Liga Top 14 wurde mit knapp 100.000 Zuschauern nicht nur der Allzeitrekord für ein Rugby-Vereinsspiel gebrochen, in einer packenden Partie konnte sich Dan Carters Verein Racing 92 durchsetzen, obwohl die Pariser einen Großteil des Spiels in Unterzahl verbringen mussten. Irland hat indes die Chance verpasst als erste europäische Mannschaft eine drei Spiele Serie auf südafrikanischem Boden zu gewinnen, während England in Australien mit einem spektakulärem 44:40 Sieg seine momentane Klasse noch einmal untermauerte.
Racing 92 erkämpft sich unerwarteten Sieg in Unterzahl
Es war alles angerichtet für ein ganz großes Match. Da der übliche Austragungsort des französischen Ligafinales, das Pariser Stade de France, durch die Fußball-EM in diesem Monat besetzt war, hatte man beim französischen Ligaverband nach einer gangbaren Alternative in ausreichend großem Rahmen gesucht. Dabei das größte Stadion Europas, das Camp Nou in Barcelona, in einem nicht unbedingt traditionellen Rugby-Land wie Spanien zu wählen, war zweifelsohne ein Risiko. Ein Risiko jedoch, das sich mehr als auszahlen sollte. Bereits viele Monate vor dem Finalspiel am vergangenen Freitag hatte man bei der Ligue Nationale de Rugby vermelden können "à guichets fermés", ausverkauft!
Dementsprechend konnte man in der katalanischen Hauptstadt ein ganz besonders Flair an diesem Wochenende ausmachen. Wohin man schaute, man traf Franzosen, die sich extra für diesen besonderen Anlass in das Nachbarland aufgemacht hatten. Schon Stunden vor dem Spiel baute sich rund um das Stadion eine tolle Atmosphäre auf, Fans beider Lager feierten friedlich miteinander. Hundertschaften der Polizei, strikte Fantrennung, Alkoholverbote? Fehlanzeige! Fans aus Toulon und Paris feierten den Anlass, ihre Mannschaft und sicherlich auch den Rugbysport an sich. Sie sollten sich als tolle Botschafter beweisen.
Die große Kulisse hatte offenbar auch Auswirkungen auf die Nerven einiger Akteure auf dem Rasen
Auf dem Rasen selbst nahm das Spiel einen recht langsamen Beginn. Toulon hatte durch die Rückkehr vom walisischen Schlussspieler Leigh Halfpenny in der letzten Woche einen ganz wichtigen Schub erhalten. Eben jener Halfpenny war es auch der nach nur einer Minute mit einem sicheren Kick die ersten drei Punkte für die Mannschaft von der Cote d'Azur besorgte. Dass diese riesige Kulisse auch für ganz erfahrene Akteure offenbar beeindruckend war, bewies der beste Springbok-Außen aller Zeiten, Bryan Habana, nur Minuten später. Ein vielversprechender Konter von Toulon fand sein jähes Ende als Habana einen perfekten Pass genau auf seine Hände nicht kontrollieren konnte und einen Vorwurf produzierte.
Nach einer guten Viertelstunde kam dann die erste verdammt knifflige, dem ersten Anschein nach spielentscheidende Situation. Maxime Machenaud, Gedrängehalb des Racing Clubs, erwischte Toulon Verbinder und Wallaby Matt Giteau in einem Tackle so, dass Toulons Nummer zehn auf seiner Schulterpartie landete. Giteau hatte erst versucht sich aus dem Tackle rauszudrehen und war dann schon im Griff Machenauds befindlich scheinbar leicht abgepsrungen. Laut Regelbuch ein Tackle über die Horizontale hinaus, also eine rote Karte. Diese teilte Schiedsrichter Mathieu Reynal dann nach längerer Konsultation mit dem Video-Schiri auch aus. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, da die Entscheidung auf den neutralen Beobachter recht strikt wirkte.
Als sich ein Toulon Gedränge Minuten später förmlich durch die gegnerische Acht durchtankte, Georgiens Kapitän Mamaku Gorgodze sich mit dem Ball in der Hand wiederholt extrem dominant und aggressiv zeigte und selbst gegnerische Zweite-Reihe-Stürmer mühelos aus dem Weg räumte, da schien sich ein deutliches Ergebnis zu Gunsten der in Überzahl spielenden Mannschaft abzuzeichnen. In der 29. Minute zeigte der Georgier seine ganze Klasse, als er hart in den Kontakt gehend noch den Ball an Toulons fidschianischen Außen Tuisova abgeben konnte, nur um Sekunden später die Murmel kurz vor der Linie erneut zu erhalten und den ersten Versuch für Toulon zu erzielen.
Doch Halfpennys Erhöhungstritt landete an den Stangen undnd die Pariser von Racing 92 waren alles andere, als in der Stimmung aufzugeben. Ohne viel Ballbesitz, doch mit zwei Weltklasse-Kickern in Dan Carter und Johan Goosen, schafften sie es den Rückstand zur Halbzeit auf 12:14 zu verkürzen. In Hälfte zwei ging die Partie ähnlich weiter. Racing, mit einem ebenso schweren Sturm wie der südfranzösische Gegner, legte es auf ein sturmorientiertes Spiel und Toulon machte fragwürdigerweise mit, trotz Überzahl auf dem Feld. Toulon-Pfeiler Xavier Chiocci kollabierte daraufhin noch zu allem Überfluss ein gegnerisches Paket aus offensichtlicher Abseitsposition und kassierte dafür zurecht gelb. Weitere Fehler, Abseitspositionen, Verstöße in den offenen, Toulon spielte alles andere als clever und so war es Racing mit weiteren Straftritten, die mit 21:14 davonziehen konnten.
Als dann noch Dan Carter einen Ball im Mittelfeld im Stile eines Flankers klaute und sein ehemaliger Kollege von den All Blacks Joe Rokocoko mit einem Chip and Chase auf der rechten Außenseite vollendete und Racing damit 26:14 führte, schien das Blatt endgültig gewendet. Toulon war jetzt gefordert und nach minutenlangem Druck war es Innendreiviertel Maxime Mermoz, dem kurz vor der Linie der Durchbruch gelang. Beim Stande von 26:21 für Racing wartete nun eine ganz enge Schlussphase. Doch wieder war es eine ganz enge Entscheidung des Schiedsrichtergespanns, dass eine entscheidende Rolle spielen sollte. Nach einer ganz engen Abseitsentscheidung auf Höhe der Mittellinie gegen Toulon, so dass Dan Carter mit dem verwandelten Straftritt endültig den Deckel auf die Partie packen konnte.
Racing hatte es als Außenseiter in die Partie gehend, lange Zeit in Unterzahl spielend, geschafft erstmals seit 1990 wieder den Bouclier de Brennus für den französischen Meister zu ergattern. Mit dem aktuellen Top-Kader, dem wohl besten Trainingszentrum der Welt und der im nächsten Jahr fertiggestellten 350 Millionen Euro teuren Aréna 92 entwickelt sich Racing erneut zum absoluten Maßstab im französischen Rugby.
Irland scheitert erneut knapp am historischen Triumph
Es war die dritte der Partie der dreiteiligen Serie von Länderspielen zwischen den Springboks und Irland. Nicht nur hatte Irland im ersten Spiel erstmals auf südafrikanischem Boden ein Spiel gegen die Boks gewinnen können, die einmalige Chance als erste europäische Mannschaft eine Serie gegen Südafrika zu gewinnen wartete in den beiden letzten Partien.
Doch wie im zweiten Spiel im Johannesburger Ellis Park, sollte es knapp wieder nicht reichen. In Port Elizabeth hatte Irland erneut mehr von der Partie und so unglücklich man bei den Iren im ersten Spiel mit der harten roten Karte gegen Flanker CJ Stander gewesen war, in Spiel drei ging eine enge Entscheidung erneut gegen das Sechs-Nationen-Team. Als Springbok Schluss Willie Le Roux in einer spektakulären Kollision in der Luft Irlands Tiernan O'Halloran so erwischte, dass dieser aus beträchtlicher Höhe auf dem Kopf landete, waren selbst die südafrikanischen Kommentatoren von SuperSport von einer roten Karte überzeugt. Aber anstatt die nächsten 70 Minuten von draußen betrachten zu müssen, kam Le Roux mit einer gelben Karte davon.
Nichtsdestotrotz profitierte Irland durch einen Versuch von Luke Marshall nur Minuten später. Eben jener Innendreiviertel Marshall von Ulster hat sich nach jahrelangen langwierigen Verletzungen nun endgültig zurück gemeldet auf der großen Bühne des internationalen Rugbys. Kurz vor der Halbzeit jedoch meldeten sich die Boks zurück. Ein überragender Kick von Verbinder Janjies auf den die Linie langsprintenden Außen Pietersen, der den Ball mit den Fingerspitzen kontrollieren konnte, sorgte für den Ausgleich der Boks, 10:10 zur Pause.
In der zweiten Halbzeit zogen die Boks dann trotz weniger Ballbesitz langsam auf 19:10 davon, Kicker Elton Jantjies zeigte sich in guter Form. Doch nach einem Straftritt Irlands zum 13:19 Minuten vor dem Schluss musste die Verteidigung der Boks noch einmal alles raushauen. Minutenlang kampierten die Iren in der 22 des Gegners und waren dabei nur Meter vom Versuch und damit dem Sieg entfernt. Doch für Irland sollte es nicht reichen. Nach drei überragenden Matches meldet sich die irische XV damit nach durchwachsener WM und Six Nations wieder zurück.
All Blacks zeigen keine Gnade in Spiel drei gegen Wales
Mit sechs Versuchen zu Null und 46:6 Punkten zelebrierte die Mannschaft Neuseelands eine wahre Machtdemonstration gegen ihre walisischen Wiedersacher. Diese hatten sich in den ersten beiden Partien als ernstzunehmender Gegner des Weltmeisters gezeigt, fielen aber in der dritten Partie förmlich auseinander. Die schnellen Bedingungen unter dem Dach des Stadions von Dunedin waren sicherlich ein Vorteil für die All Blacks, spielen sie doch das wohl schnellste Rugby weltweit.
Beim ersten Versuch profitierten die All Blacks noch von einer glücklichen Entscheidung des TMO. Israel Dagg schien an der rechten Außenlinie sowohl ein Knie im Aus zu haben, als auch keine Kontrolle über den Ball beim ablegen zu haben. Doch damit war Wales Defensive gebrochen und der Glaube der Waliser an den ersten Sieg auf neuseeländischem Boden verloren. Was folgte war eine Rugby-Lehrstunde der Men in Black. Diese gehen nun wieder einmal als Topfavorit in die Rugby Championship, nachdem sowohl Australien als auch Südafrika erhebliche Schwächen in ihren Serien gezeigt hatten.
Wales wiederum kann unter anderem aus der Serie mitnehmen, dass man spielerisch über Phasen mit der besten Mannschaft der Welt mithalten kann. Doch gerade die Fitness in den letzten 20 Minuten ist ein riesiges Problem. Das Tempo des Weltmeisters konnte Wales in keinem der drei Spiele bis in die Schlussphase mitgehen. Gerade hieran muss man arbeiten, wenn man mittelfristig mit den besten Teams der Welt auf Augenhöhe sein will.
Japan verliert knapp gegen Schottland und Georgien dominiert mit B-Mannschaft gegen Fidschi
Auch bei den sogenannten "Tier Two Nations", also den Nationalmannschaften aus dem zweiten Glied, wurde am Wochenende gespielt. Georgien konnte ohne seinen überragenden Kapitän Gorgodze, der beim Top 14 Finale in Barcelona glänzte, einen 14:3 Sieg gegen Fidschi einfahren.
Japan wiederum scheiterte zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Monaten knapp an Schottland. Beim 16:21 vor 35.000 Zuschauern in Tokio erzielten die Japaner aber wohl den sehenswertesten Versuch des gesamten Rugby-Jahres. Über einhundert Meter und durch die Hände der gesamten Mannschaft gehend, transportierten die Brave Blossoms das ovale Spielgerät von der eigenen bis an die gegnerische Mallinie. Bravo Japan!