Besser haette es nicht laufen koennen : die Frankfurter Rugby-Jugend
SC 1880 gewinnt erstmals alle deutschen Jugendmeisterschaften im 15er Rugby Mit dem Sieg der Frankfurter U-12 ueber den SCN in Berlin war es dann soweit: der SC 1880 Frankfurt gewann nach dem Titel der U-18 und der U-16 in Heidelberg und dem U-14 Titel in Muenchen alle vier Titel des Jahres 2016 im deutschen 15er Rugby. Im Netz tauchten Behauptungen auf, nach denen dies erstmalig in der Geschichte des deutschen Rugbys sei, was jedoch auf Grund mangelnder historischer Aufzeichnungen nicht bewiesen ist.
Mit diesem "Grand Slam" bestätigt sich das Frankfurter Konzept der Jugendarbeit: 1. die konzeptionelle Trainerarbeit (Strategie, Taktik, Umsetzung im Training) wenigen leitenden Trainern in die Hand zu geben 2. Die Umsetzung durch weniger erfahrene, aber nicht weniger motivierte Trainer mit hohem Rugby know how zu realisieren. 3. Jegliche Managementtaetigkeiten von den Trainern fernhalten, die nicht unmittelbar mit den zu vermittelnden Inhalten selbst zusammenhängen. 4. Spieler in allen Altersgruppen auf Augenhöhe zu begegnen; ständigen Respekt und ständig motivierte Trainerarbeit zu liefern - im Gegenzug aber das Gleiche von den Spielern zu fordern. 5. Das Spiel der Mannschaft ist wichtig, der Erfolg des Einzelnen ist schoen zu sehen, aber unwichtig. Nach aller Möglichkeit niemals ein Spiel auf Einzelspieler aufbauen! 6. Die wichtigste Altersgruppe ist die der Minis, also in der Regel die der unter Fuenfjaehrigen. Hier kommt man am leichtesten an echte Athleten, bevor diese vom Fussball eingesogen werden. In dieser Altersgruppe muss jedes neue oder ge-re-launchte Jugendkonzept starten. 7. Neue Talente koennen in allen Altersgruppen integriert werden - aber nur, wenn es eine grosse Anzahl an Spielern mit fuer die Altersgruppe langjaehriger Rugby-Erfahrung gibt. 8. Spielverkehr, Spielverkehr, Spielverkehr: auch wenn es mit grossen Mühen verbunden ist, so kann sich eine Mannschaft ab der U-12 nur entwickeln, wenn regelmäßig gegen gleichstarke oder besser noch gegen stärkere Gegner gespielt wird. 9. Neue Spieler muessen sich unmittelbar willkommen fuehlen und den Spirit der Mannschaft fuehlen. Sie muessen zunächst separates Basis-Coaching erhalten, um Misserfolge im Kreise der (neuen) Mannschaft zu vermeiden und rasch persönliche Erfolgsmomente zu generieren. 10. Jede Altersgruppe braucht mindestens so viele Kinder, wie man spaeter in der U-18 benötigt (30 oder mehr).
Deshalb lieber konsequent die Ressourcen nutzen und von unten richtig aufbauen, als diese im Gießkannenprinzip zu verschwenden. Nur so kann auch der in den unteren Altersgruppen so wichtige vereinsinterne Spielverkehr gewährleistet werden. Wie von einigen Seiten kritisiert, hilft es in Frankfurt, dass der Verein durch Spender ueber bessere finanzielle Mittel verfügt, als dies im Durchschnitt andere Vereine tun. Das stimmt. Allerdings sollte auch anerkannt werden, dass die verfügbaren personellen und finanziellen Mittel konsequent in die Jugendarbeit geleitet wurden und werden, fuer welche diese Spenden im Übrigen auch generiert wurden. Dies hilft unmittelbar kurzfristig gesehen den eigenen Jugendmannschaften sowie den Jugendnationalmannschaften und mittelbar langfristig gesehen hoffentlich, aber eben auch voraussichtlich der eigenen Herrenmannschaft sowie der Herren Nationalmannschaft.
Haetten die Frankfurter die vorhandenen Gelder im Herrenbereich eingesetzt, haette man vermutlich im elitären Oberhaus des deutschen Rugby mitspielen und vermutlich sogar an vergangene Erfolge "hier und da" anknüpfen koennen. Die Langfristigkeit und "Ehrlichkeit" des dann "erkauften" Erfolges waere dabei aber auf der Strecke geblieben. Schade ist, dass es neben den vielen, vielen positiven und ermunternden Kommentare im deutschen Rugby in Bezug auf die Frankfurter Jugendarbeit auch einiges an negativer, wenig konstruktiver Kritik ohne konkreter Aenderungs- bzw. Handlungshinweise gab. Der Sinn und Zweck solcher Kritik bleibt bis heute unerschlossen. So ist es sicherlich zielfoerdernder, die Frankfurter Erfolge als Chance zu sehen um das in Frankfurt geleistete als Motivation fuer die Intensivierung und Optimierung der eigenen Arbeit, vielleicht sogar im Rahmen gemeinsamer Trainingslager oder eben auch nur als Gegner fuer den in Deutschland regelmäßig zu kurz kommenden Spielverkehr auf höherem Niveau zu Nutzen. Weiterhin gewährt der 1880 Trainern anderer Vereine vor Ort in Frankfurt gerne Einblick in die eigene Jugendarbeit, gerne auch im Rahmen einer längeren Hospitanz - auch wenn dies vermutlich teilweise als arrogant kritisiert werden wird, so kann eine solche Möglichkeit sicherlich wechselseitig (!) helfen bestehende Konzepte aus neuem Blickwinkel zu betrachten, zu prüfen und ggfls. anzupassen.
Es bleibt abzuwarten, was Rugby- Deutschland aus den jetzigen Erfolgen der Frankfurter Jugend macht. Viele der Vereine, insbesondere derer, die in Halbfinalen und Finalen besiegt wurden, schienen mit Spielverlauf und Ergebniss verständlicherweise alles andere als zufrieden. Es ist zu erwarten, dass insbesondere diese Vereine - SCN, HRK, Victoria, BRC, TSV u.a. - die klare Dominanz der Frankfurter im deutschen 15er-Jugendrugby im Jahre 2016 nicht hinnehmen werden und durch verstärkte und/oder veränderte Anstrengungen den Frankfurtern das Leben schwer und die Titel abstreitig machen werden. Sollte dies passieren, so haette vor allem einer gewonnen: das deutsche Rugby!
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