Neuseelands Trainer Steve Hansen (rechts) wird unter anderem All Blacks-Legende Richie McCaw (links) ersetzen müssen.
Nach nunmehr fast sieben Monaten kehren die besten Rugby-Mannschaften der Welt, allen voran die All Blacks, Springboks und Wallabies auf das internationale Rugby-Parkett zurück. Die Länderspiele im Juni, bei denen sich die Six Nations Teilnehmer traditionell auf den mühsamen Weg Richtung Südhalbkugel machen, bilden für die einen den Saisonabschluss und für die anderen den Auftakt. Bei der WM hatte der Süden in noch nie bekanntem Maße dominiert und auch bei den nun anstehenden Länderspielen droht sich dieses Schema zu wiederholen. Einzig England hat eine realistische Chance seine Australien Tour positiv zu gestalten, sofern es Coach Eddie Jones gelingen sollte den Aufwärtstrend seiner Mannschaft auch Down Under fortzusetzen. Doch auch wenn bei einigen Duellen die Spannung zu fehlen droht, nach der WM haben sich bei den besten Teams des Südens zahllose Veteranen verabschiedet. Wer die neuen Stars der All Blacks werden und ob die neuformierten Springboks und Wallabies an der Herrschaft Neuseelands im Weltrugby rütteln werden können, wird spannend zu beobachten sein.
Wales Neuseelandtour
Richie McCaw, Dan Carter, Conrad Smith, Ma'a Nonu. Wenn vier derartige Legenden ihre Karrieren in der Nationalmannschaft beenden, dann wäre das wohl für alle Rugby-Nationen ein schwerer Schlag ins Kontor - es sei denn man ist Neuseeland - Dann ersetzt man diese Spieler einfach durch nahezu gleichwertige Nachfolger.
Aaron Cruden, bereits 2011 Starter im WM-Finale, wird dabei die zentrale Spielmacherrolle zuteil, in der er seine Chiefs auch schon zu zwei SuperRugby-Titeln geführt hat. Nach seinem Kreuzbandriss wieder genesen, dürfte er hoch motiviert sein, die All Blacks in die Lions Tour 2017 und zur WM 2019 zu führen. Neben Neukapitän Kieran Reed auf der Acht streiten sich Ardie Savea und Sam Cane um die Nachfolge von Richie McCaw.
Dem jüngeren Bruder von Außendreiviertel Julien Savea werden dabei langfristig die besseren Chancen auf die Openside-Position eingeräumt. Neben den unabdingbaren Fähigkeiten in den Rucks Bälle zu stehlen, bringt er noch eine unglaubliche Schnelligkeit mit, die ihn zur kaum zu bannenden Gefahr bei Kontern werden lässt. Im Mittelfeld werden aller Voraussicht nach Ryan Crotty und Malakai Fekitoa an Stelle von Nonu und Smith agieren.
Wales dürfte nach einer langen europäischen Saison, inklusive WM und Six Nations, große Schwierigkeiten haben das Tempo der Neuseeländer mitzugehen und ist ihnen auch in punkto Handlungsschnelligkeit deutlich unterlegen. Der wohl beste Kicker der Welt, Toulon Schluss Leigh Halfpenny steht den Walisern weiterhin nicht zur Verfügung, aber immerhin hat Coach Warren Gatland, der selbst Neuseeländer ist, mit Rhys Webb wieder seinen besten Neuner im Kader.
Dessen Duell mit Aaron Smith dürfte eines der besonderen dieser Paarung sein, gelten doch beide als die besten Vertreter auf ihrer Position weltweit. Die „Men in Black“ sind in der 3-Test-Match-Serie mit Spielen in Auckland, Wellington und Dunedin klarer Favorit. Neuseeland wird keine Probleme mit einer waliser Mannschaft haben, die sich erst vorletzte Woche von einer englischen B-Mannschaft abfertigen lassen hat und die Serie 3:0 für sich entscheiden.
Englands Australientour
Nicht nur für Englands Head-Coach Eddie Jones, der als Trainer bereits 2003 Australien bis in das WM-Finale führte, ist die vierwöchige Tour seiner englischen Nationalmannschaft um Kapitän und Hakler Dylan Hartley nach Down Under eine Heimkehr. Auch der nunmehr fast dreißigjährige baldige England-Debütant Ben Te'o stammt ebenso vom sechsten Kontinent und ist in Australien alles andere als ein Unbekannter. Der Innendreiviertel, der zuletzt den Wechsel vom Dubliner Topklub Leinster zum abstiegsbedrohten englischen Erstligisten Worcester vollzogen hat um für England spielberechtigt zu sein, hat in seiner australischen Heimat im Rugby League nationale Berühmtheit erlangt.
Als mehrfacher State of Origin Sieger mit den Queensland Maroons und Gewinner des Grand Finals der NRL, was ihm zusammen mit einem gewissen Sam Burgess bei den South Sydney Rabbitohs gelang, galt der Australier mit samoanisch-englischen Vorfahren als einer der besten League-Spieler im Land. Wie Burgess nahm Te'o nach dem NRL Triumph 2014 die Chance wahr einen lukrativen Vertrag in Europa wahrzunehmen, unter anderem auf Anraten vom jetzigen Australien- und ehemaligen Leinster-Trainer Micheal Cheika.
Doch anders als Burgess, dem in der englischen Presse die Verantwortung für das frühe WM-Aus angedichtet wurde und der nach der WM fluchtartig nach Australien zurückkehrte, blieb Te'o im Rugby und entwickelte sich zu einem hervorragenden dynamischen und physisch dominanten Innendreiviertel. Kein Wunder also, dass Te'o im vergleichsweise fortgeschrittenen Alter für einen Profisportler noch sein Debüt für die Heimat seiner Vorfahren geben wird.
Auch Australien-Trainer Micheal Cheika hätte sich gerne des Talentes von Te'o bedient, muss er doch verletzungsbedingt auf Kurtley Beale, der wohl die erste Option auf der Zwölf gewesen wäre, vezichten. Darüber hinaus hat Hintermannschafts-Veteran Adam Ashley-Cooper seinen Abschied vom australischen Rugby nach der WM im letzten Herbst vollzogen. Matt Giteau wiederum ist mit seinem Klub RC Toulon in den Top 14 Play Offs eingebunden. Dennoch wird Australien mit einem starken Kader in die Duelle gegen das Mutterland des Rugby gehen. Die Stärken der Wallabies liegen insbesondere in der dritten Reihe, die mit Pocock, Hooper und Fardy die wohl beste Kombination im weltweiten Rugby ist, sowie in der starken Achse aus Gedrängehalb und Verbinder. Nick Phipps und Bernard Foley haben ihre Waratahs bereits zu einem Super Rugby Sieg geführt und es mit der Nationalmannschaft ins Finale der WM geschafft.
England dürfte wohl die einzige Nordhemisphären-Mannschaft sein, die in der Lage ist den Rugby-Supermächten aus dem Süden gefährlich zu werden. Doch nach einer langen Saison für Englands Topspieler, in der sie bereits eine WM und ein Sechsnationen Turnier gespielt haben, werden die drei Spiele gegen die Wallabies alles andere als einfach. Australien dürfte die Serie von drei Partien in Brisbane, Melbourne und Sydney mit 2:1 für sich entscheiden.
Georgiens Tour der Pacific Islands
Der amtierende Europameister und Deutschlands Gegner in der Rugby Europe Championship begibt sich diesen Sommer auf eine historische Tour auf die pazifischen Inseln. Die Spiele auf Samoa und gegen Tonga und den Gastgeber auf Fidschi sind die erste große internationale Tour der Südosteuropäer.
Umso ärgerlicher ist es für Trainer Milton Haig das etliche Frankreich-Legionäre aufgrund der Playoffs in der TOP14 nicht an der Reise teilnehmen werden können. So spielt zum Beispiel Kapitän und Dritte-Reihe-Rammbock Mamuka Gorgodze zur gleichen Zeit mit seinem Club Toulon um den französischen Meistertitel.
Parallel zur Georgien-Tour tragen die drei Insel-Staaten übrigens auch die erste Runde von WM-Qualifikationsspielen aus. Für Deutschland dabei nicht uninteressant: So wird der kumulierte Dritte des Pacific Nations Cup der Jahre 2016 und 2017 zum Playoff-Gegner des Zweitbesten der europäischen Qualifikation.
Irlands Südafrikatour
Eine der schwierigsten Aufgaben aller europäischen Teams haben die Iren um Kapitän Rory Best vor der Brust. Die drei Länderspiele gegen die Springboks in Kapstadt, Johannesburg und Port Elizabeth wären an sich schon eine fast unlösbare Aufgabe nach einer derart langen und kräftezehrenden Saison. Aber mit dem kurzfristigen Ausfall von Verbinder Johnny Sexton und den beiden Kearney Brüdern, die sich allesamt im Guiness Pro 12 Finale verletzt haben, fehlen Irland drei wichtige Leistungsträger.
Ulster Verbinder Paddy Jackson, der in der Pro 12 Saison erneut brillieren konnte wird aller Vorraussicht nach auf der Zehn für Irland starten. Bislang hatte Irland-Trainer Joe Schmidt trotz aller Forderungen von Experten in den irischen Medien auf Jackson verzichtet und mit den bewährten Optionen Sexton und Ian Madigan gesetzt. Es wird spannend zu beobachten sein ob Jackson auch im Grün Irlands gegen die resolute Verteidigung der Boks groß aufspielen kann.
Auf südafrikanischer Seite muss der neue Springbok-Coach Allister Coetzee mit der hohen Erwartunshaltung seiner Landsleute zurechtkommen. Mit den Stormers aus Kapstadt konnte Coetzee im Super Rugby bereits beachtliche Erfolge erzielen, wurde aber ebenso wie sein Vorgänger bei den Boks, Heineke Meyer, für den konservativen Spielstil seiner Mannschaft kritisiert. Neuer Kapitän der Mannschaft und damit Nachfolger von Jean de Villiers, ist der Bulls-Hakler Adriaan Strauss. Dabei konnte sich Strauss in den letzten Jahren nicht einmal seines Startplatzes sicher sein.
Doch mit dem Karriereende der du Plessis Brüder bei den Boks, ist Strauss nun automatisch Starter und Kapitän. Weiterhin fehlen bei den Boks wird Bryan Habana, der sich mit den Blitzbokke auf Olympia in Rio vorbereiten wird, sowie Verbinder Handre Pollard, der sich bereits im Februar das Kreuzband riss. Für ihn wird entweder Pat Lambie oder Springbok-Neuling Elton Jantjies von den Johannesburger Lions einspringen.
Einen Schub für die Boks und Coach Coetzee war die Entscheidung von Toulon Nummer Acht Duane Vermeulen, der sich entgegen aller Drohungen seines Vereinspräsidenten Mourad Boudjelall für sein Land entschied und nicht an den Top 14 Play Offs für seinen Verein Toulon teilnehmen wird.
Trotz aller Ungewissheit auf Seiten der neuformierten Boks von Trainer Coetzee und der Tatsache, dass Irland das letzte Aufeinandertreffen beider Mannschaften in Dublin im November 2014 für sich entscheiden konnte: Die Boks werden diese Serie mit 3:0 für sich entscheiden. Die Kadertiefe in den Reihen Südafrikas wird nur von Neuseeland übertroffen und auf heimischen Boden hat keine Mannschaft der Welt gegen Südafrika eine positive Bilanz, nicht einmal die All Blacks. Joe Schmidts Mannen werden das erste Spiel in Kapstadt vielleicht aufgrund der besseren Eingespieltheit nach den Six Nations offen gestalten können, aber wenn die Springboks einmal ins Rollen kommen wird es eng für Irland.
Frankreichs Argentinientour
Frankreich spielt derweil erst in der kommenden Woche sein erstes Spiel gegen Argentinien. Wegen der noch bis zum 24. Juni andauernden Play Offs der französischen Top 14 kann Trainer Guy Novès wohl erst am kommenden Montag entscheiden wer für les Bleus in Tucuman antreten wird. So oder so, eine richtige Vorbereitung einem echten Kader wird den Franzosen ob der Kalendrierung der heimischen Meisterschaft nicht gelingen.
Alle Termine im Überblick:
Neuseeland - Wales:
Spiel 1: Samstag 11.6.2016, 9:35 deutscher Zeit, Eden Park Auckland
Spiel 2: Samstag 18.6.2016, 9:35 deutscher Zeit, Westpac Stadium Wellington
Spiel 3: Samstag 25.6.2016, 9:35 deutscher Zeit, Forsyth Barr Stadium Dunedin
Australien - England:
Spiel 1: Samstag 11.6.2016, 12:00 deutscher Zeit, Suncorp Stadium Brisbane
Spiel 2: Samstag 18.6.2016, 12:00 deutscher Zeit, AAMI Park Melbourne
Spiel 3: Samstag 25.6.2016, 12:00 deutscher Zeit, Allianz Stadium Sydney
Gerogien - Pacific Islands:
Spiel 1 gegen Samoa: Samstag 11.6.2016, 04:00 deutscher Zeit, Apia Park
Spiel 2 gegen Tonga: Samstag 18.6.2016, 2:00 deutscher Zeit, ANZ Stadium Suva Fidschi
Spiel 3 gegen Fidschi: Samstag 25.6.2016, 05:00 deutscher Zeit, ANZ Stadium Suva Fidschi
Südafrika - Irland:
Spiel 1: Samstag 11.6.2016, 17:00 deutscher Zeit, Newlands Kapstadt
Spiel 2: Samstag 18.6.2016, 17:00 deutscher Zeit, Ellis Park Johannesburg
Spiel 3: Samstag 25.6.2016, 17:00 deutscher Zeit, Nelson Mandela Bay Stadium Port Elizabeth
Frankreich - Argentinien:
Spiel 1: Samstag 19.6.2016, 23:10 deutscher Zeit, Estadio Monumental Tucuman
Spiel 2: Samstag 25.6.2016, 20:10 deutscher Zeit, Estadio Monumental Tucuman
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