Die Jenenser vom USV hatten auf eigenem Feld im Ligapokal gegen Neckarsulm keine Chance, bewiesen sich laut Heinz Albers aber als hervorragende Gastgeber
Nach langer Karenzzeit will ich mal wieder mit den Jungs von Neckarsulm auf das Auswärtsspiel nach Jena mitfahren. Der Trainer hat mich zwar bei der Anmeldung dafür gerügt, dass ich immer noch nicht Skat spielen kann, aber ich denke mir: Du kannst Skat spielen - ich kann dafür mykenisch.
Die Umstände erweisen sich in den letzten Trainingseinheiten als nicht so günstig: durch die lange Spielpause und die Pfingstferien ist der Kader etwas aus dem Tritt gekommen.
Der Trainer stellt notgedrungen ein paar Stürmer in die Hintermannschaft, zumal ein Spieler am Vorabend absagen muss, weil sein kleiner Sohn hohes Fieber hat und die Mama unabkömmlich ist. So bedauerlich das ist - ich finde es gut. Erstens sind Väter in einem jungen Verein ein sehr stabilisierender Faktor, und zweitens erinnert mich das an meine eigenen Probleme als junger Familienvater, diese Pflichten und die Betreuung meiner Mannschaften unter einen Hut zu bringen.
Um 8:30 geht es nach Jena. Ich sitze im Bus vorn links, meiner Standard-Position in meiner Lehrerzeit, und genieße die Fahrt. Die Autobahnstrecke von Würzburg ab durch den Thüringerwald ist landschaftlich und technisch sehenswert. Die Jungs haben dafür keinen Kopf; hinter mir wird fleißig Skat gespielt und über das Bord-Fernsehen läuft der Film 'Dodgeball', der inzwischen Kult-Status hat.
Der Platz in Jena liegt in der Saale-Aue zwischen schön anzuschauenden Bergen, ein gepflegtes Grün mit mehreren Plätzen, und ich lege mich unter einen Baum, gucke Leute und warte auf das Spiel. Zwar dröhnt pausenlos Rap über die Lautsprecher, für einen Liebhaber der leisen Laute zwar eine Tortur - aber ich sage mir wieder: Prima, die Jungs in Jena haben offensichtlich eine Stadiondurchsage! Und das ist sehr sinnvoll, denn die etwa 200 interessierten Zuschauer sind großenteils Rugby-Novizen, denen Information gut tut.
Das Spiel beginnt später; erstens geht ein Wolkenbruch nieder, und zweitens steckt der eingeteilte Schiedsrichter im Stau, und die beiden Trainer teilen sich das Schiedsrichteramt. Es entwickelt sich ein einseitiges Match, wobei die Neckarsulmer etliche Chancen auslassen, weil sie in dieser Formation noch nie zusammen gespielt haben. Zehn Versuche legt Neckarsulm; alle erhöht ihr Kicker, selbst aus schwieriger Position. Die Jenaer lassen sich aber in ihrem letzten Saisonspiel nicht entmutigen, zumal der Stadionsprecher neben fachlichen Kommentaren das Publikum zum Anfeuern anfeuert.
Als ich nach dem Schlusspfiff auf einem Bänkchen in der Sonne sitze, spricht mich ein Herr meines Alters an und stellt sich vor. Ich denke bei seinem Namen eher an einen Hannoveraner aus meiner aktiven Zeit, aber es stellt sich heraus, dass wir mehr gemeinsam haben. Wir sind beide Rugby-Pioniere in der Rugby-Steppe gewesen: er in Jena, ich in Heilbronn und Neckarsulm; er hat, als ich beim ASV Köln spielte, in Bonn gespielt, vielleicht sogar mal gegen mich. Als ich einige Namen nenne, stimmen wir in unserer Einschätzung bemerkenswert überein. Er hat auch in meiner Heimat am Niederrhein einen Rugby-Standort gegründet, in Kleve, und wohnte zeitweise ganz in meiner Nähe. Nicht weit auseinander sind wir auch, als wir über Rugby philosophieren, und so vergeht die Zeit bis zur Abfahrt unseres Busses auf unserem Rentner-Bänkchen im Fluge.
Die Rückfahrt an den Neckar zieht sich, aber die Busfahrer, vom ersten Rugbyspiel, das sie gesehen haben, schwer beeindruckt, haben die Biervorräte hinreichend ergänzt, in einem MacDonalds wird zu Abend gegessen, Skat wird gespielt, dann schreibt hinter mir unser Innen, der nicht nur hervorragend kickt, sondern auch die modernen Medien hervorragend beherrscht, den Spielbericht für unsere Internet-Seite, während über den Bildschirm die schafsdämliche amerikanische Klamotte 'step-brothers' läuft. Die frühere Singfreudigkeit auf Rückfahrten hat leider stark nachgelassen.
Ich bin noch vor Mitternacht zu Hause, während die Jungs sich noch im Irish Pub tummeln - "der Weise steht abseits, wenn die Böcke springen" sage ich mir und erstatte dann der rugbytoleranten Ehefrau Bericht.
Heute morgen sehe ich auf der Jenaer Seite einen kurzen Beitrag über das Spiel; mehr beeindruckt mich aber, dass Jena das Match mit einem Live-Ticker ausführlich, objektiv und fachlich beschlagen kommentiert hat. Da können meine Jungs nur lernen, genau wie die Jenaer spielerisch von ihnen.
Stiefbrüder können viel voneinander lernen.
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