Auch im Trikot mit dem Adler auf der Brust hat Hilsenbeck schon geglänzt und wird dies in Zukunft hoffentlich auch weiter tun.
In Frankreich ist es keine leichte Aufgabe dem Durchschnitts-Sportfan zu erklären, dass auch jenseits des Rheins Rugby gespielt wird. An diesem Sonntag liegt es also wieder mal an einem unserer wenigen erfolgreichen Legionäre im Hexagon, dieses Vorurteil zu widerlegen. Christopher Hilsenbeck wagte schon früh den Schritt vom TSV Handschuhsheim in den Süden Frankreichs. Spätestens jetzt letzt lässt sich konstatieren: Er hat alles richtig gemacht. Im nun anstehenden Halbfinale der zweiten französischen Liga hat sein Verein, die US Colomiers, gar noch die Chance um den Aufstieg in die Top14, die reichste Rugby-Liga der Welt, mitzuspielen.
Auch wenn Colomiers zu diesem Erfolg gerade einmal zwei Siege im Halbfinale und Finale fehlen, käme ein Aufstieg dennoch einer Sensation gleich. Christopher Hilsenbecks Mannschaft hatte sich mit zuletzt vier Siegen in Folge als Fünfter gerade noch so in die Finalränge vorgeschoben und damit prominente Teams wie Perpignan und Biarritz hinter sich gelassen. Lyon als Erster der komplett professionellen "Pro D2" Liga war die ganze Saison über hinweg sowieso in einer Klasse für sich unterwegs und steigt mit ganzen 31 Punkten Vorsprung auf den engsten Verfolger in das französische Oberhaus auf. Angesichts von rund €20 Millionen Jahresbudget und sechs Spielern im Kader mit Super Rugby-Erfahrung dürfte dies keinen verwundern.
Doch direkt dahinter befindet sich sowohl in der Geldrangliste, als auch im eigentlichen Klassement der zweite Absteiger aus der Top14 der Vorsaison, Bayonne. Gegen genau diese Mannschaft muss Hilsenbecks Colomiers am Sonntag auswärts antreten. Das Stade Jean-Dauger wird mit über 17.000 Zuschauern restlos ausverkauft sein, den erst 24-jährigen deutschen Verbinder erwartet ein Hexenkessel. Dabei ist ihm in dieser Saison erst so richtig der Durchbruch im tiefen Süden der Republik gelungen.
Langer Weg über die Jugend und die Espoirs in die erste Mannschaft
Bereits mit 16 Jahren zog es den damals schon äußerst talentierten Nachwuchsspieler im Jahr 2008 nach Colomiers. Er ging gemeinsam mit zwei weiteren Nachwuchslöwen, Julius Nostadt und Tim Menzel, die beide momentan in der drittklassigen Féderale 1 bei Chambéry und Strassburg als Profis spielen, den Weg in die Nachwuchsreihen der Franzosen. Jan Ceselka, der als TSV Jugendtrainer und späterer U18 Nationaltrainer den Weg des Trios genau verfolgt hat, kann sich noch an den damaligen Trainingseifer der drei erinnern. Neben den üblichen zwei Trainingseinheiten pro Woche in der Jugend hätten sie täglich an Technik und Kraft gearbeitet. Der nötige Wille und das Talent war laut Ceselka bei Hilsenbeck damals schon vorhanden, aber um es schließlich bis hin zum Profi zu schaffen, galt es noch unzählige Klippen zu umschiffen.
Christopher Hilsenbeck schaffte es durch die verschiedenen U-Mannschaften und über die Espoirs - die unter sich spielenden Zweitvertretungen der Erst- und Zweitligisten in Frankreich - bis hinein in die erste Mannschaft von Colomiers. In den letzten beiden Spielzeiten bekam er zunehmenend seine Einsatzminuten in der ersten Mannschaft und in dieser Saison wurde er bereits acht Mal von Beginn an aufgestellt, bei insgesamt 17 Einsätzen. Lehrmeister und Konkurrent um das Trikot mit der Nummer zehn bei Colomiers zugleich ist dabei kein Geringerer als David Skrela. Der einstige Frankreich- Verbinder mit 23 Einsätzen für Les Bleus befindet sich im letzten Jahr seiner Karriere und Hilsenbeck betonte bereits 2014 in einem Interview mit der Tageszeitung La Depeche, dass er von der täglichen Arbeit mit seinem Lehrmeister Skrela profitiere.
"Hilsenbeck spielt sich langsam aber sicher auf der Zehn fest"
Eben jene La Depeche, immerhin die wichtigste Tageszeitung im rugbyverrückten Süden Frankreichs, bezeichnete Hilsenbeck erst letzte Woche als den "Ouvreur Deutsche Qualität". Ouvreur steht für Verbinder und was deutsche Qualität bedeutet erfuhren die französischen Leser im ausführlichen Artikel über den deutschen Zehner. Hilsenbeck setze sich langsam aber sicher auf der Verbinder-Position fest und als Beweis zitiert la Depeche den Trainer von Colomiers Bernard Goutta, der betont, dass man nach dem Karriereende von David Skrela nicht anderswo nach einem Ersatz Ausschau halten müsse, da man Hilsenbeck habe.
Im Laufe dieser Saison hat sich Hilsenbeck, der sich von jeher besonders im dynamischen Spielaufbau auszuzeichnen wusste, auch als Kicker immens verbessert. Mit Extraschichten nach jeder Einheit konnte er sich auch bei den so wichtigen Erhöhungen und Straftritten verbessern. Die Früchte dieser Arbeit erntet er nun kontinuierlich. Am letzten Wochenende benötigte sein Verein dringend einen Auswärtssieg bei Carcassone um sich überhaupt erst für das nun anstehende Halbfinale zu qualifizieren. Trainer Goutta vertraute auf den jungen Deutschen und wurde nicht enttäuscht. Hilsenbeck traf alle vier Straftrittversuche und seine Mannschaft setzte sich mit 22:15 auswärts durch.
Colomiers Außenseiter in Bayonne
Beim so wichtigen Aufstiegs-Halbfinale an diesem Wochenende in Bayonne geht Colomiers als klarer Außenseiter in die Partie. Das Jahresbudget von Hilsenbecks Verein ist mit €5,5 Millionen nur knapp halb so hoch, wie das des baskischen Widersachers. Der dreimalige französische Meister, der vom Namen her ein Ruderklub ist, hat in seinen Reihen einige sehr erfahrene Spieler der Südhemisphäre, wie den Innendreiviertel Adam Whitelock. Der Bruder des momentanen All Black Sam, war immerhin fünf Jahre lang Stammspieler bei den berühmten Crusaders aus Christchurch, dem besten neuseeländischen Rugby-Team.
Darauf, dass man beim Vorortverein aus der Toulouser Banlieu aber an die eigene Chance glauben sollte, deuten die letzten Resultate gegen Bayonne an. Ein Unentschieden daheim und eine Niederlage in Bayonne mit einem einzigen Punkt in der regulären Saison, warum sollte Colomiers nicht die Sensation im Baskenland gelingen? Hilsenbeck selbst stapelt tief und betont TotalRugby gegenüber vor allem, dass es eine Sensation sei so weit gekommen zu sein. "Daran hätte vor der Saison wahrscheinlich niemand geglaubt", so der Verbinder im Vorfeld zur Partie.
Bei seinem Stammverein TSV Handschuhsheim wird seine Entwicklung mit Stolz verfolgt. TSV-Trainer und ehemaliger Bundestrainer Peter Ianusevici wünscht Christopher stellvertretend für den gesamten Verein "viel Glück bei diesem Meilenstein seiner tollen Karriere".
Die Partie zwischen Bayonne und Colomiers beginnt am Sonntag um 14:00 und ist auch in Deutschland legal gegen Bezahlung auf dem Eurosport-Player zu sehen. Sollte sich Colomiers durchsetzen ginge es im Finale um den Aufstieg in die Top 14 gegen den Sieger aus der Samstags-Paarung Aurillac - Mont de Marsan. Das Finalspiel um den Aufstieg wiederum findet im Toulouser Stadion Ernest Wallon statt. Für Colomiers wäre dies nach dem 300 Km Trip nach Bayonne nahezu ein Heimspiel, denn das Ernest Wallon liegt keine 10 Km vom US Colomiers entfernt. In der Top 14 hätte es Hilsenbeck dann in größeren Arenen mit noch prominenteren Gegenspielern zu tun, speziell auch auf der Verbinder-Position: Dan Carter, Quade Cooper, Matt Giteau, Morne Steyn und François Trinh-Duc, nur um einmal ein paar von ihnen zu nennen.
Die deutsche Fünfzehner-Nationalmannschaft wird in jedem Fall weiter von seiner immensen Erfahrung in so jungen Jahren profitieren, ob er nun in Frankreichs erster oder zweiter Liga spielt. Vielleicht gibt Christopher Hilsenbeck auch irgendwann sein Comeback bei der Siebener-Nationalmannschaft. Noch vor fünf Jahren war er es, der mit seinem Versuch in der Nachspielzeit des Finales im Aufstiegsturnier gegen Polen in Heidelberg dafür sorgte, dass die DRV Siebener-Nationalmannschaft in die Grand Prix Serie aufsteigen konnte. Ohne diesen Erfolg wären alle jetzigen Fortschritte bei der DRV VII vermutlich nicht denkbar.
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