RKH-Trainer Jens Steinweg muss während der Bundesliga-Saison schon weitestgehend auf seine Siebener-Cracks verzichten, im Pokal wird das gänzlich der Fall sein. Foto (c) Kessler
Der DRV Pokal hatte mit der Ligareform im Jahr 2011 in seiner alten Form ausgedient. Häufige Spielabsagen, einseitige Ergebnisse und die neue Ligastruktur machten ihn obsolet. Doch am vergangenen Wochenende, gerade einmal fünf Jahre später, gab der Pokal in seiner alten Form mit leichten Modifikationen sein Comeback. Mit der Reform der Reform wollten die Initiatoren vom TSV Handschuhsheim, laut Antrag auf dem Deutschen Rugby Tag im Juli 2015, dem Bedürfnis der Vereine wieder den Pokal auszuspielen, Rechnung tragen.
Inwiefern die Wiedereinführung dieses Wettbewerbs überhaupt sinnvoll ist, bleibt allerdings fraglich. Denn die Probleme, an denen der Vorgängerwettbewerb kränkelte, dürften auch bei der jetzigen Reinkarnation nicht wirklich gelöst worden sein.
Bereits in der ersten Runde, die am vergangenen Wochenende stattfand, wurde eines der vier angesetzten Spiele abgesagt. Nicht völlig unerwartet schien das Interesse am Pokal bei der RU Hohen Neuendorf, nach einer schwierigen Saison mit vielen Niederlagen und dem Abstieg aus der Bundesliga, eher gering.
Der zweite Absteiger aus der ersten Liga, der ASV Köln, trat sein Spiel zwar an, doch auch hier muss man sich nach der derben Klatsche gegen den TSV fragen, wie sich eine gerade erste abgestiegene Mannschaft für den alten neuen Pokalwettbewerb motivieren soll. Nachdem man im Bundesliga-Heimspiel noch mit "nur" zehn Punkten Abstand gegen Handschuhsheim verlor, waren es dieses Mal im Pokal satte 67.
Relegations-Dillemma
Weitere zwei Teilnehmer in der ersten Runde, namentlich der RK Heusenstamm und der Hamburger RC, haben zwischen der ersten und zweiten Pokalrunde ein überlebenswichtiges Relegationsspiel um den Verbleib in der Bundesliga zu bestreiten. Dass diese Spiele in den Planungen der Klub-Verantwortlichen Priorität haben dürfte, sollte jedem Beobachter bewusst sein.
Nicht umsonst hört man von einigen Klubs hinter vorgehaltener Hand, dass man mit der jetzigen Form des Pokals und speziell der Terminierung alles andere als zufrieden sei. Letztere sorgte beispielsweise auch dafür, dass das älteste deutsche Rugby-Turnier in Hürth in diesem Jahr mit nur sieben Teilnehmern stattfand. Der Lokalrivale ASV Köln konnte dem Nachbarn, aufgrund des zeitgleich terminierten Pokalspiels, seit Jahren erstmals nicht die Ehre erweisen. Passenderweise gewann das Turnier schlussendlich mit dem BRC auch eine Mannschaft, die in der ersten Pokalrunde ein Freilos hatte.
Was ist der sportliche Wert eines Pokals ohne Topspieler?
Abseits all dieser organisatorischen und planerischen Details stellt sich auch die Frage nach dem sportlichen Wert der gesamten Veranstaltung. Ohne die Semifinalisten der Bundesliga und die momentan in der Vorbereitung auf die Sevens Grand Prix Series und Olympia-Quali steckenden Siebener-Nationalspieler fehlt der Großteil der besten Rugbyspieler in Deutschland.
Doch warum sollte beispielsweise der RK03 Berlin sich nicht auch im Pokal mit den Konkurrenten aus dem Süden messen dürfen? Nachdem die Berliner mit weißer Weste durch die Nordgruppe der Bundesliga marschierten, hätte ihnen weitere hochklassige Spielpraxis, wie etwa im Bundesliga-Halbfinale gegen den TVP, in ihrer Entwicklung gut getan. Ähnliches gilt für die Germania aus List, die sicherlich an mehr Duellen auf Augenhöhe mit den Südklubs interessiert gewesen wäre. Gerade deshalb wirkt der Ausschluss der zwei besten Teams aus Nord- und Südstaffel etwas willkürlich.
Vereine, die viele Nationalspieler hervorgebracht haben, werden bestraft
Die Vereine wiederum, die mit ihrer guten Jugendarbeit Siebener-Nationalspieler hervorgebracht haben, sind im aktuellen Modus die Gelackmeierten. Während diese Klubs während der regulären Bundesliga-Saison schon regelmäßig ohne ihre besten Spieler auskommen müssen, fehlen ihnen diese im Pokalwettbewerb wohl gänzlich.
Die Arbeit, die beispielsweise die RGH, Hannover 78 oder der RKH in die Entwicklung ihrer Talente gesteckt haben, wird für sie nun im Pokal zum Boomerang. Dabei verdienen eben jene Klubs Anerkennung und eine faire Behandlung in beiden nationalen Wettbewerben. Denn was Spieler wie Phil Szczesny, Fabian Heimpel oder Tim Biniak in Hong Kong und anderswo auf den großen Bühnen des Weltrugby für das Ansehen Rugbydeutschlands getan haben, ist kaum zu ermessen und wird zukünftigen Spielern viele Tore öffnen.
Das Ziel, nach dem relativ frühen Ende der Bundesliga-Saison im April, für mehr Spiele zur besten Jahreszeit zu sorgen, ist lobenswert. Auch das Interesse an mehr Duellen zwischen den beiden Bundesliga-Staffeln ist durchaus nachvollziehbar. Doch ob der Pokal in seiner jetzigen Form, mit mindestens vier Teams, die verständlicherweise andere Sorgen haben, sowie ohne Deutschlands beste Rugbyspieler, die richtige Antwort ist, darf bezweifelt werden.
Wenn das Turnier den Sommer über hinweg stattfinden soll, wird der Pokal zwangsläufig mit nationalen und internationalen Siebener-Turnieren kollidieren. Ob dies angesichts der stetig wachsenden Bedeutung der olympischen Form unseres Sports sinnvoll ist, sei dahingestellt. Aber dann sollte man den Weg eines sportlich nachrangigen Wettkampfes auch konsequent weitergehen und die Nationalspieler beider Mannschaften ausklammern. Denn auch die Jungs der DRV XV brauchen nach einer langen Saison mit vielen wichtigen Spielen Zeit zur Regeneration, um auch in Zukunft weiterhin eine gute Rolle in der Rugby Europe Championship spielen zu können.
Sollte man allerdings versuchen den Pokal zu einem K.O.-Wettbewerb der besten deutschen Mannschaften mit den besten Spielern machen zu wollen, dann würde sich eine andere Alternative anbieten. Zwischen dem Spätaugust und Anfang Mai ließen sich neben den 14 Bundesligaspieltagen sicherlich noch vier Wochenenden für einen richtigen Pokalwettbewerb reservieren. Dazu müssten bei der Terminplanung noch mehr Interessen berücksichtigt werden, was die Aufgabe nicht einfacher macht, doch einen Versuch ist es sicherlich wert.
Dementsprechend müssen sich die Vereine in Deutschland fragen lassen: Ist den Klubs an einem Wettbewerb mit zweifelhaftem sportlichen Wert gelegen, an dem nur eine handvoll Vereine wirkliches Interesse haben, oder sollten in Deutschland nicht eher weitere Schritte unternommen werden, um bessere Leistungen in der Spitze zu fördern und nicht die Vereine zu bestrafen, deren Talente es bis in die Siebener-Nationalmannschaft geschafft haben.
Denis Frank
TotalRugby-Chefredakteur
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