Den HRK-Sturm um Hakler Widiker zu stoppen wird für die Pforzheimer Rhinos eine Mammutaufgabe werden. Bild: (c) Jürgen Kessler
Bei der Victoria aus dem Hannoveraner Stadtteil Linden ist man stolz auf die große Tradition des Vereins. Noch immer darf man sich mit 20 Titeln Rekordmeister im deutschen Rugby nennen, doch der Fabel-Rekord von sechs Meistertiteln in Folge droht zu fallen. Die Übermannschaft der letzten Jahre, der Heidelberger RK, wird im Falle eines Sieges beim Meisterschafts-Finale in Heusenstamm, diesen Titel übernehmen.
Hätte man am Anfang der Saison ein paar Euro beim Buchmacher seines Vertrauens auf ein Rugby-Bundesliga Finale zwischen dem TV Pforzheim und dem Ruderklub vom Heidelberger Harbigweg gesetzt, wäre man sicher nicht reich geworden. Die beiden Favoriten auf den Titel sind ihren Ansprüchen im Laufe der Saison gerecht geworden. Man mag das ein wenig langweilig finden, doch genauso bedeutet dies auch, dass sich die beiden mit Abstand besten Mannschaften der Bundesrepublik am Samstag in Heusenstamm um den Titel duellieren werden. Im deutschen Vereinsrugby gibt es momentan schlicht keine besseren Mannschaften.
Der Weg, den beide Mannschaften bis zum Finale hin einschlugen, war dabei freilich ein anderer. Die Mannen von TVP-Trainer John Willis mussten im Halbfinale den schweren Brocken RK03 Berlin auf deren Geläuf aus dem Weg räumen, während man seitens des HRK am heimischen Harbigweg mit der Lister Germania Katz und Maus spielen konnte. Ist die Favoritenrolle dementsprechend klar verteilt? Wahrscheinlich schon, denn bereits in den Jahren 2012, 2014 und 2015 ergab die gleiche Paarung dasselbe Resultat. Der HRK wurde deutscher Rugby-Meister.
Auch in den beiden bisherigen Aufeinandertreffen des HRK und TVP in dieser Saison setzte sich der Abo-Meister durch. Doch abgesehen von den Pforzheimern gelang es keiner anderen Mannschaft in dieser Saison die Ergebnisse gegen den HRK derart knapp zu gestalten. Im Hinspiel betrug der Punkte-Abstand nach 80 Minuten dennoch 16 Punkte und im Rückspiel konnten die Pforzheimer Rhinos immerhin in den ersten 40 Minuten das Spiel ausgeglichen halten und mit einem Unentschieden in die Pause gehen. Freilich zogen der HRK in Hälfte zwei davon, doch die erste Hälfte des letzten Aufeinandertreffens sollte dem Pforzheimer Lager immerhin ein wenig Mut machen.
Für den HRK dürfte der siebte Meistertitel in Folge das einzig annehmbare Resultat dieser Partie sein. Damit hätte man nicht nur erneut die momentane Dominanz im deutschen Rugby zementiert, sondern auch die Bestmarke des Rekordmeisters Victoria Linden von sechs Meistertiteln in Serie aus den Fünfzigern des letzen Jahrhunderts, übertrumpft.
Für Kapitän Kehoma Brenner sind die letzten Resultate gegen den TVP dabei indes kein Gradmesser, denn ein Finalspiel sei immer noch mal eine ganz andere Nummer. Auch Trainer Pieter Jordaan versucht im Vorfeld auf das Endspiel in die gleiche Kerbe zu schlagen und betont, dass diejenige Mannschaft erfolgreich sein werde, deren Verteidigung dem gegnerischen Druck standhält und die wenigen sich bietenden Chancen nutze.
Vom HRK-Sturm wird man am Samstag eine gewohnt dominante Leistung erwarten können, denn bis auf Jarrid Els, der an einer Nackenverletzung laboriert, sind alle Stürmer des Klub mit an Bord. Ganz anders sieht es auf der Reihe des Ruderklubs aus, wo sich mit Pierre Mathurin, der im Halbfinale einen Handbruch erlitt, ein weiterer Leistungsträger in die ganze Reihe von Abwesenden einfügte. Nationalspieler von Grumbkow und Buckman fehlen aufgrund der nahenden Olympia-Qualifikation in Monaco. Weiterhin ist der Einsatz von Raynor Parkinson, Hendrik v.d. Merwe und Roman Daudrich fraglich. Deshalb sah sich Trainer Jordaan gezwungen im Training verschiedenste Kombinationen auszuprobieren und konnte dabei auch auf den rekonvaleszenten Steffen Liebig setzen.
Auf Seiten der Pforzheimer versuchte man derweil unter der Woche die Favoritenrolle weit von sich zu weisen. Teammanager Jens Poff räumte seiner Mannschaft auch aufgrund einiger Ausfälle lediglich Außenseiterchancen ein. Trainer John Willis ist sich sicher, dass seine Mannen die vor ihnen liegende Herausforderung annehmen werden. Jedoch sieht auch er die Favoritenrolle eindeutig beim Ruderklub.
Besonders schwer wiegt der Ausfall des erfahrenen Dritte-Reihe-Stürmers Tim Kasten. Er musste im Halbfinale gegen den RK03 mit dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung vom Teamarzt vom Feld genommen werden. Ohne ihn wird es der TVP noch schwerer haben, die Stürmer des HRK im Zaum zu halten.
Aber auch auf der Reihe der Rhinos fehlen mit Carlos Soteras-Merz, Manasah Sita und Sven Penwarden drei extrem wichtige Akteure. Letzterer hatte mit seinen zwei Versuchen im Halbfinale dafür gesorgt, dass den Berlinern nicht die ganz große Sensation gelungen ist.
Coach Willis sieht hingegen beim HRK nur ganz wenige Schwächen, während man beim HRK extrem gut Schwachstellen des Gegners ausnutzen könne. Nur mit einer konzentrierten Leistung über die 80 Minuten hinweg, in denen man über das Phasenspiel Druck aufbauen müsse, habe man überhaupt eine Chance. Sollte es auch im vierten Finale gegen den HRK nicht zu einem Sieg reichen, böte sich die nächste Chance laut Trainer Willis ja bereits in wenigen Monaten bei der Siebener-Meisterschaft, bei der man bereits 2012 triumphieren konnte.
TotalRugby-Prognose: Die Vorzeichen sind wieder einmal ominös. Der HRK geht auch in das diesjährige Finale als klarer Favorit. Beide Mannschaften haben mit Ausfällen zu kämpfen, doch der Unterschied liegt in der Fähigkeit des HRK, mit seinem extrem tiefen Kader solche Ausfälle kompensieren zu können. Zumal der Sturm des Ruderklub fast vollständig in Heusenstamm antreten wird. In den letzten Jahren hat die Mannschaft von Pieter Jordaan häufig genug bewiesen, dass sie ihre Bundesliga-Gegner bereits nur mit den acht Stürmern dominieren kann. Das dezidierte Tiefspapeln der Pforzheimer Verantwortlichen könnte aber auch eine Taktik sein, um den Gegner in unbegründeter Sicherheit zu wiegen. Denn wenn es einer Mannschaft gelingen könnte, die momentanen Ausfälle in der Reihe des Klubs auszunutzen, dann ist es der Pforzheimer TVP mit seiner starken 10-12 Achse von Nationalmannschafts-Verbinder Jeremy te Huia und Innen Taina Tamou. Eine Niederlage des HRK zu prognostizieren wäre aber vermessen, auch wenn wir einen engeren Ausgang erwarten, als viele Interessierte in Rugby-Deutschland. Der HRK wird seine Ära mit dem neuen Rekord von sieben Meistertiteln in Folge krönen und das Finale mit +10 gewinnen.
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