Der RK03-Sturm mit Lukas Hinds-Johnson und Falk Duwe wird mit seinem Pforzheimer Pendant alle Hände voll zu tun haben
Am letzten Augustwochenende des vergangenen Jahres waren es 16 Mannschaften, die sich in den Kampf um die deutsche Rugby-Meisterschaft aufmachten. Verblieben sind nur noch vier Anwärter auf den Titel. Am morgigen Samstag wird sich dann entscheiden, wer es in das große Bundesliga-Finale in Heusenstamm schafft.
Heidelberger RK - SC Germania List
Samstag 30. April, 15:30 Uhr
In der vergangenen Saison musste sich die Germania auf heimischen Boden gegen einen Heidelberger Gegner äußerst knapp aus der KO-Phase der Bundesliga verabschieden. Doch damals hieß der Gegner TSV und die Vorzeichen waren andere. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die Mannschaft von Trainer Duaine Lindsay enorm weiterentwickelt und hat dabei den Stadtrivalen Hannover 78 überholt.
Die Vorzeichen für das Duell gegen den Ruderklub sind dennoch alles andere als gut. Während man im Saisonverlauf weitestgehend von Ausfällen verschont geblieben war, nahm diese Glückssträhne in den letzten drei Wochen ein jähes Ende. Mit den Ausfällen von Kapitän Stefan Mau, Hakler Leon Faust, sowie einigen durch Krankheit angeschlagenen Spielern, geht der Sturm der Germanen geschwächt in das Duell mit dem HRK.
Ohne in den letzten Jahren gegen den Heidelberger Klassenprimus gespielt zu haben, ist sich Trainer Lindsay dennoch sicher, dass man auf die Referenz im deutschen Rugby trifft. Da die Hannoveraner selbst nicht mit dem größten Sturm gesegnet sind, wird es darauf ankommen, die HRK-Spieler mit den Nummern eins bis acht über die gesamte Spieldauer in Schach zu halten. Genau daran wurde in den letzten Wochen im Training gearbeitet und dafür sogar das Spielsystem umgestellt.
Nichtsdestotrotz sehen die Spieler der Germania dem Duell mit dem Abo-Meister freudig entgegen. Für den Großteil der Jungs aus dem Norden Hannovers ist das Spiel gegen den HRK eine Premiere, genauso wie das Spiel auf einem Kunstrasenplatz. Einzig Daniel Koch kam in den Quali-Spielen für den Challenge Cup in den Genuss eines Spiels auf dem künstlichen Grün am Harbigweg und hat seine Mannschaftskollegen auch entsprechend mit Tips versorgt. Bei der Germania hofft man, dass ein schnelles Spiel auf dem Kunstrasen der eigenen flinken Reihe zu Gute kommt, so dass auch die mitgereisten Fans den einen oder anderen Grund zum Jubeln haben.
Auf Seiten des Ruderklubs hingegen kann das Ziel nur heißen, das achte Finale in Folge zu erreichen. Nachdem der Übergang an der Seitenlinie von Coach Kobus Potgieter zu Pieter Joordan äußerst geschmeidig vonstatten gegangen ist, konnte auch in dieser Saison von Sieg zu Sieg geeilt werden. Alle Partien in der starken Südgruppe der Bundesliga wurden mit Bonuspunkt gewonnen, womit auch die Favoritenrolle im Duell am Samstag geklärt sein dürfte.
Weiterhin hat man am Harbigweg auch bewiesen, wie tief die Personaldecke des Klubs ist. Abwesende Sportsoldaten und Siebener-Nationalspieler konnten nahezu verlustfrei aus der eigenen zweiten Reihe und dem eigenen Nachwuchs ersetzt werden.
Im morgigen Duell steht derweil für Trainer Jordaan die Motivation der gegnerischen Germania außer Zweifel. Die Tatsache, dass man gegen einen unbekannten Gegner antritt, sowie die schwache eigene erste Hälfte gegen die Pforzheimer vergangene Woche, verlange einen konzentrierten Auftritt und zwar von Beginn an.
Das Projekt erneuter Finaleinzug wird dabei ohne die verletzten Niklas Hohl und Jarrid Els, den anderweitig verhinderten Timo Vollenkemper und die beiden Sportsoldaten Clemens von Grumbkow und Anjo Buckmann stattfinden werden. Robert Hittel wiederum kehrt in den Kader des HRK zurück und wird dabei die dünn besetzte Reihe verstärken.
TotalRugby Prognose: Bei der Lister Germania gibt man sich im Vorfeld des Bundesliga-Halbfinales bescheiden und vorfreudig. Mit einem derartigen Gegner hatte man es lange nicht zu tun. Viel wird im Spiel davon abhängen, wie lange man auf Seiten der Germania die eigenen Bälle in den Rucks sicher halten kann. Denn ohne kontinuierliches Phasenspiel mit sicheren Bällen wird man eventuelle Vorteile auf der Reihe auch nicht ausnutzen können. Beim HRK gibt man sich indes siegesgewiss, sofern man es denn schaffe die eigene Leistung abzurufen. Mit Schwung und einem schönen Spiel möchte man in das Finale einziehen. Und so sehr wir bei TR auch gerne ein spannendes Spiel prognostizieren würden, das Halbfinale am Harbigweg wird zu einer klaren Angelegenheit, der HRK setzt sich mit +30 durch.
RK 03 Berlin – TV Pforzheim
Samstag 30. April, 15:30 Uhr
Der RK 03 Berlin hat bereits jetzt alles erreicht, was er sich vorgenommen hat. Zum ersten Mal in der fast 50-jährigen Vereinsgeschichte stehen die Berliner im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Seit 2009 spielen die Ost-Berliner in der ersten Bundesliga und haben sich nach den ersten harten Anfangsjahren mittlerweile konsolidiert und sich kontinuierlich gesteigert.
Das gipfelt nun am Samstag im Halbfinale auf dem heimischen Geläuf. Sage und schreibe 1000 Zuschauer werden am Samstag erwartet, das dürfte wohl einen Rekord bedeuten. Allerdings wirkt sich dieser Druck nicht negativ auf die Berliner aus: „Das Spiel wird das größte Spiel, das dieser Verein je gesehen hat.
Klar ist da auch die Anspannung groß, Nervosität gibt es aber nicht“, erklärt RK Teammanager Lutz Joachim aus dem Lager der Berliner. Und auch Co-Trainer und Kapitän des RK 03, Lukas Hinds-Johnson, gibt in einem Interview mit der Berliner Morgenpost zu verstehen: „Wir sind ganz klar der Underdog. Aber vielleicht ist genau das auch unser Vorteil: Wir können eigentlich nur gewinnen, Pforzheim dagegen kann nur verlieren. Der Druck liegt eindeutig bei ihnen“.
In diesem Kanon stimmt auch Joachim mit ein: „Sicherlich ist Pforzheim der große Favorit, aber wir wollen gutes Rugby spielen und vielleicht das Spiel unseres Lebens machen und dann ist vor der großen Kulisse vielleicht sogar etwas drin“. Einziger Wermutstropfen vor der Partie ist die Knieverletzung von Spielertrainer Christian Lill, der am Samstag zum Zuschauen am Rand verdammt ist und in der BILD Zeitung erklärt: „Eine andere Situation, wirklich nur Trainer zu sein. Ich bin enttäuscht, nicht spielen zu können“.
Somit fehlt den Berlinern zwar der Hauptantreiber auf dem Feld, dafür haben sie mit Lill am Rand einen Kopf, der das Spiel von außen steuern kann und wird. Mittlerweile haben sich die Berliner in ihrer 14 Spiele andauernden Siegesserie ordentlich eingespielt. „Wir haben, im Gegensatz zu den letzten Jahren, noch mal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wir sind viel abgeklärter und souveräner geworden, können jedem Gegner unser Spiel aufdrücken und bleiben auch in engen Situationen oder bei Rückstand ruhig.
Gerade die Souveränität gegen Hannover 78 und den BRC hat für uns Symbolcharakter“, analysiert Joachim die Entwicklung seines Teams. Dass es im Halbfinale aber nicht gegen ein Team wie den BRC oder Hannover 78 geht, weiß Joachim sehr wohl: „Pforzheim ist natürlich in allen Mannschaftsteilen und auf allen Positionen stark besetzt. Mit einem kräftigen Sturm und einer schnellen Hintermannschaft sind sie stets überall gefährlich. Demzufolge bereiten wir uns auf alles vor und werden dafür gut gewappnet sein“. Die junge Mannschaft um Trainer Lill steht also vor dem ultimativen Prüfstein.
Der erste Vergleich mit einem Team aus der ungleich schwereren Südgruppe seit einem Jahr. In diesem Spiel müssen die Berliner von Anfang an alles geben und hochkonzentriert sein. Jeder Fehler könnte in einen gegnerischen Versuch resultieren und vor ausverkauftem Haus die Motivation sinken lassen.
Die hochkarätig und international besetzte Hintermannschaft der Badener aus dem Schwarzwald wird den Berlinern ordentlich Dampf unterm Hintern machen. Nichtsdestotrotz schickt Joachim eine Kampfansage in die Goldstadt: „Fakt ist, dass man uns keinesfalls unterschätzen sollte“.
„Angst haben wir nicht vor dem RK 03 Berlin, aber Respekt“, dieses Zitat von Pforzheims Teammanager Jens Poff macht derzeit die Runde in den Medien. Damit zollen die Schwarzwälder den Berlinern ihre Anerkennung vor der blütenweißen Weste in der Meisterrrunde. Weiterhin: „Was der RK 03 Berlin in dieser Saison geleistet hat, ist großartig. Die Berliner scheinen gerade auf einer Euphorie-Welle ins Halbfinale zu rauschen. Am Samstag müssen wir erst einmal gegen diesen Willen und gegen diese Begeisterung dagegen halten“.
Die Badener hat es hingegen auf den zweiten Tabellenplatz verschlagen. Im letzten Spiel vor dem Halbfinale wollten die Rhinos aus Pforzheim gegen den übermächtigen HRK was reißen und sich somit schon mental auf das mögliche Finale einstellen. Allerdings blieben die Badener auch in diesem Duell der Bundesligaschwergewichte punktlos: „Nach der jüngsten 17:41-Niederlage gegen Meister Heidelberger RK ist die Stimmung zunächst einmal auf dem Tiefpunkt gewesen.
Wir hatten uns viel vorgenommen, eine Halbzeit lang erfolgreich dagegen gehalten und sind dann doch plötzlich eingebrochen und noch ganz schön abgewatscht worden“, erklärt TVP-Pressesprecher Uwe Herrmann. Und weiter: „Wir müssen versuchen, diese Woche im Training das alles abzuhaken und uns neu aufs Halbfinale zu konzentrieren. Da wird dann auch noch eine extra Portion Motivation nötig sein. Im Laufe der Woche werden wir die Spielerseelen hoffentlich wieder aufgerichtet und neu fürs Halbfinale heiß gemacht haben“.
Resümierend schaut Herrmann auf die vergangene Saison und blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir mussten zum Saisonbeginn etliche Abgänge ausgleichen. Das dauert eben seine Zeit, bis sich eine Mannschaft mit vielen neuen Spielern zusammengefunden hat. Die ersten Ergebnisse fielen daher entsprechend knapp aus.
Im zweiten Spiel gegen den RK Heusenstamm hatten wir Glück, dass wir am Ende mit nur einem Punkt Unterschied gewonnen haben. Im dritten Spiel beim ASV Köln hatten es die Kölner gegen Spielende noch einmal in der Hand, mit einem Versuch an uns vorbeizuziehen, was aber nicht gelang. Kurioserweise spielten wir gleich danach erfolgreicher gegen den Heidelberger RK als jetzt gerade im letzten Rundenspiel.
Platz 2 in der Liga war unser realistisches Saisonziel, wobei wir schon auch den Einzug ins Finale eingeplant haben“. Jedoch mussten die Pforzheimer zuletzt einige Verletzungen einstecken, die auch am kommenden Samstag vor allem den kräftigen Sturm schwächen werden. Daher wähnen sich die Badener in diesem Mannschaftsteil in einer missgünstigen Lage: „Der Berliner Sturm wird uns schwer zu schaffen machen, da wir etliche unserer starken Männer nicht einsetzen können. Vor dem Spiel gegen den HRK hätte ich unsere Chancen höher eingeschätzt, jetzt sehe ich sie bei 50:50“, prognostiziert Herrmann.
Daher reisen die Schwarzwälder bereits am Freitag in die Hauptstadt um bei Evope, dem Sport- und Athletikzentrum Berlins, letztmalig einige Krafttests zu absolvieren, die zudem klären sollen, ob die verletzten Spieler Mustafa Güngör und Manasah Sita doch noch eingesetzt werden können. Sollte das Duett einsatzfähig sein, wird es für den Gastgeber umso schwerer, dem Druck in der Hintermannschaft standzuhalten.
Der Einsatz der beiden Kraftpakete im Sturm, Tim Kasten und Rob May, steht außer Frage. Während sich DRV-Nationalspieler Rob May im Spiel gegen den HRK eine Rippe gebrochen hat, musste Sturmkollege Tim Kasten das Feld vorzeitig wegen heftiger Nackenschmerzen räumen. Dennoch gibt Uwe Herrmann die Marschroute für das Halbfinale vor: „Es muss unser Ziel sein, in diesen Tagen unser letztes Aufgebot im Sturm für dieses eine Spiel in Bestform zu bringen. Für unsere Verteidigung muss gelten: Gnadenlos zupacken, auch wenn man weiß, dass es gleich schmerzen wird“.
TotalRugby Prognose: Die Berliner ziehen dieser Tage gerne den Vergleich „Amateure gegen Profis“, dabei liegt der Unterschied nur in der persönlichen Einstellung zum Spiel. Die Pforzheimer sind mitnichten Profis, die vom Rugbyspielen leben können, sondern stehen in Lohn und Brot bei diversen Unternehmen in der Goldstadt. Dennoch wird das Spiel ein Meilenstein für die Hauptstädter und dabei wollen sie sich bestmöglich präsentieren. Ein Finaleinzug der Berliner scheint auf dem Papier utopisch, bei der richtigen Vorbereitung und Einstellung ist allerdings alles möglich. Die Pforzheimer haben im Vorfeld schon den Finaleinzug eingeplant, sind aber von der Siegesserie der Berliner mächtig beeindruckt und werden daraufhin das Spiel nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir erwarten demnach ein schnell und hart geführtes Spiel, bei dem sich keiner der beiden Mannschaften die Blöße geben will. Am Ende werden jedoch die Pforzheimer knapp mit +10 die Nase vorn haben und zum Finale nach Heusenstamm fahren
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