Schnell wie ein Sprinter, stark wie ein Kugelstoßer Siebener-Rugby-Athleten bei Olympia
In genau 100 Tagen geht es in Rio de Janeiro im Finalspiel im Deodoro Stadion um olympisches Gold im Rugby - zum ersten Mal seit 1924. In jüngster Zeit hat es sich gezeigt, welchen Schub die Wiederaufnahme in den Kreis der 28 olympischen Sportarten unserem Sport gegeben hat. Das Potenzial ist riesig - und auch wir in Deutschland können davon profitieren.
Dass einmal die amerikanische Rugby-Nationalmannschaft auf dem heiligen Rasen des Londoner Twickenham-Stadions gegen England triumphieren würde, wäre noch vor wenigen Jahren als kühnes Hirngespinst abgetan worden. Doch genau dies geschah ziemlich genau vor einem Jahr. Zugegebenermaßen, die Amerikaner errangen den Sieg im olympischenSiebener-Rugby bei den London Sevens im Halbfinale gegen England und besiegten am gleichen Tag im Finale des Turniers noch die favorisierten Australier. Dennoch ist dieser bemerkenswerte Sieg ein Indiz für die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit von kleineren Rugby-Nationen in der olympischen Form des Spiels. Mit den beiden Quereinsteigern Carlin Isles und Perry Baker haben die Amerikaner gar zwei der absoluten Superstars der World Series in ihren Reihen.
Weiterhin konnte Kenia, als weiterere Mannschaft aus der zweiten Reihe, vor gerade mal zehn Tagen einen Erfolg bei einem Turnier der World Series in Singapur einfahren. Der Zugang zu olympischen Fördertöpfen für kleinere Rugby-Verbände und die boomende World Series, deren wachsende globale Fangemeinde auch den Zugang zu Sponsorengeldern erleichtert, hat und wird diese Entwicklung weiter befeuern. So konnten Vancouver Sevens in ihrem ersten Jahr auf Anhieb mehr als 55.000 Zuschauer anlocken. Ein Allzeit-Rekord für ein Rugby-Event in Kanada. Viele etablierte Stars des klassischen Fünfzehner-Rugbys wie Sonny Bill Williams oder Quade Cooper, die in diesem Jahr für ihre jeweiligen Siebener-Nationalmannschaften auflaufen, zeugen von der zunehmenden Attraktivität der schnellen Version unseres Spiels.
Besonders auch wegen des Booms des Siebener-Rugbys wird sich die Zahl der aktiven Rugbyspieler und Spielerinnen weltweit laut einer Studie der britischen HSBC Bank in den nächsten zehn Jahren auf 15 Millionen Aktive verdoppeln. Das TV-freundliche Format sowie die millionenfach auf sozialen Medien geteilten spektakulären Höhepunkte dürften die Reichweite des Sports und dessenVermarktungsmöglichkeiten noch weiter erhöhen. Schlussendlich wird auch die klassische Fünfzehner-Version des Rugbyspiels von dieser Entwicklung profitieren, sei es durch mehr talentierten Nachwuchs mit einem Siebener-Hintergrund oder eine insgesamt wachsende Rugby-Öffentlichkeit. Doch inwieweit sich die Rugby-Landkarte in den kommenden Jahren noch fundamentaler verändern könnte, zeigte sich während der diesjährigen HongKong Sevens.
Der zweitreichste Chinese und Gründer des Internet-Konglomerats Alibaba Group, Jack Ma, verpflichtete sich am Rande des Turniers in einem Deal mit dem Weltverband World Rugby über die nächsten zehn Jahre „mehrere Millionen US-Dollar“ per annum in den Rugbysport in China zu investieren. Im Gegenzug erhält seine Internet-Platform die exklusiven Internet-Übertragungsrechte in seinem Heimatland. Das Engagement zeugt zum einen davon, welches Potentzal der gewiefte Geschäftsmann für den Rugbysport im Reich der Mitte sieht. Zum anderen scheint auch World Rugby erkannt zu haben, dass Rugby außerhalb seiner klassischen Märkte wachsen kann und muss.
Deutschland dürfte hoffentlich Teil einer solchen Expanions-Strategie werden. Welches Potential auch hierzulande schon mit den bescheidenen Mitteln, die momentan zur Verfügung stehen, besteht, haben unsere Jungs von der Nationalmannschaft in Hong Kongbewiesen. Nur zwei Siege war man von der Qualifikation für die World Series entfernt. Jetzt gilt es auf die gemachten Fortschritte aufzubauen. Das Niveau vieler Mannschaften aus der zweiten und dritten Reihe ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen und Rugby-Deutschland darf diesen Zug nicht verpassen. Doch was gilt es zu tun?
Ein regelmäßiger Siebener-Spielbetrieb auf Vereins- und Landesverbandsebene würde sicherstellen, dass sich deutsche Talente an das schnelle Siebener-Spiel gewöhnen können und der schwierige Sprung aus der Fünfzehner-Bundesliga in die Siebener-Nationalmannschaft zu einem gewissen Grad überbrückt werden könnte. Derweil muss dem Nachwuchs mehr Spielpraxis ermöglicht werden. Um eine bessere Betreuung der vorhandenen Talente zu gewährleisten, arbeiten die Verantwortlichen der Nationalmannschaft momentan an einer Kooperation mit Sportinternaten und Olympiastützpunkten zusammen.
Während all das Zukunftsmusik ist, kämpfen unsere heutigen Talente um Fabian Heimpel und Phil Szczesny schon in gut sieben Wochen gegen etablierte World Series Teams wie Kanada oder Russland um das letzte Ticket für Rio. Warum sollte sich im Stade Louis II nicht ein weiteres Rugby-Wunder ereignen? Der Rugbysport könnte sich in der Bundesrepublik damit weiter etablieren.
Für interessierte Rugby-Fans bietet TotalRugby eine Busfahrt inklusive Eintrittskarte und Übernachtungsmöglichkeit zum Qualifikations-Turnier in Monaco vom 17. bis zum 19. Juni an. Aktuelle Details können hier oder auf der Facebook Seite von TR entnommen werden.
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