Das Rugbyjahr 2016 hat auch für deutsche Rugbyfans zahlreiche Highlights zu bieten - © May/Kessler/Perlich
Die Zeit des Zurückblickens ist vorbei. Kein Jahr wurde in der Rugbygemeinde gespannter erwartet als 2016, das Jahr, in welchem Rugby (in der 7er-Variante) in Rio de Janeiro sein Comeback beim größten Sportereignis auf Erden feiert - den Olympischen Sommerspielen. Wird die Strategie des Rugby-Weltverbands (World Rugby) aufgehen und die Olympische Bewegung zum Zugpferd, welchen unseren Sport, mit 7er-Rugby als Einstiegsdroge, für die ganze Welt zugänglich macht? Man darf gespannt sein. Aber natürlich hat 2016 aus deutscher Sicht noch mehr zu bieten, wir haben unsere 5 Highlights für Euch zusammengestellt:
Highlight 5: Heimländerspiele der DRV XV im European Nations Cup
8123 Zuschauer fanden sich am 28. April 2007 in Hannover zusammen, um die Deutsche 15er-Nationalmannschaft gegen den Erzrivalen Holland zum Sieg zu schreien. Beflügelt durch diesen sagenhaften Support machte das Team von Rudolf „Bazi“ Finsterer noch in der gleichen Saison den Aufstieg ins europäische Oberhaus klar. Am 27. Februar kehrt unsere Mannschaft ins Rudolf-Kalweit-Stadion (Kapazität 18.000 Zuschauer) zurück und diesmal geht es gegen Portugal, um nicht weniger als den Klassenerhalt in eben diesen europäischem Oberhaus. Am 19. März wartet im Kölner Sportpark Höhenberg (Kapazität 6214 Zuschauer) mit dem Tabellendritten Spanien der nächste Kracher im letzten Spiel der EM-Runde 2015/2016.
Die Mannschaft von Kobus Potgieter hat in der Vorbereitung auf diese Rückrunde so hart und professionell gearbeitet wie noch nie. Die Wild Rugby Academy hat jede Menge Geld und Manpower investiert, um den Anschluss an die europäische Spitzengruppe herzustellen. In Deutschland herrscht nach der grandiosen Rugby-Weltmeisterschaft ein spürbarer Rugby-Boom. Um den weiter mitzunehmen , muss der Klassenerhalt geschafft werden. Jetzt ist es an uns, die Bude am 27. Februar und am 19. März (jeweils 15 Uhr) voll zu machen, unsere Mannschaft lautstark zu unterstützen und die Heimländerspiele zu einem richtigen Erlebnis zu machen.
Highlight 4: Spatenstich für das neue Rugby-Trainingszentrum in Heidelberg
„Steine statt Beine“ so lautet die Devise der Wild-Rugby-Academy bei der Planung des Trainingszentrums für die Nationalmannschaft in Heidelberg. Mit dem nagelneuen Rugby-Kunstrasen ist der erste Schritt bereits erfolgt, aber viel spannender ist, was noch kommen soll: Nämlich ein hochmodernes Trainingszentrum über drei Stockwerke mit Schulungsräumen, Büros, Mensa, Unterkünften für komplette Mannschaften, High-Performance-Gym, einem überdachten Kunstrasen und Erhohlungseinrichtungen. WRA-Chef Robert Mohr war dafür im In- und Ausland unterwegs und hat sich inspirieren lassen. Beim RC Toulouse, bei der TSG Hoffenheim, bei den Rhein-Neckar-Löwen, bei Bayern München oder bei Racing 92 Paris. Von einem Investitionsvolumen um die 10 Millionen Euro ist die Rede. Der erste Spatenstich soll noch Mitte dieses Jahres erfolgen.
Solch eine Investition in die Infrastruktur wäre ein Riesenschritt in eine sportlich erfolgreiche Zukunft unserer Nationalmannschaften. Spieler könnten zu Intensiv-Trainings nach Heidelberg kommen, Gastmannschaften könnten kostengünstig unterkommen, unsere Auswahlmannschaften hätten perfekte Trainingsbedingungen. Wenn Herr Dr. Wild Rugby-Deutschland dies ermöglicht, dann können wir ihm gar nicht genug danken.
Highlight 3: Olympia-Qualifikation in Monaco
Am 18./19. Juni geht es in Monaco um das allerletzte Ticket zu den Olympischen Sommerspielen in Rio 2016. Die Deutschen 7er-Herren haben sich mit ausgezeichneten Vorleistungen ihre Teilnahme redlich verdient und bekommen es in einem Weltklasse-Teilnehmerfeld u.a. mit den World-Series-Core-Teams Samoa, Kanada und Russland zu tun. Auch Spanien, Zimbabwe, Hongkong oder Tonga wollen nach Rio.
Gespielt wird im Stade Louis II, dem kleinen aber feinen Heimspielort des französischen Erstligisten AS Moncao (Kapazität 18523 Zuschauer). An gleicher Stelle wurde 1998 bis 2012 der UEFA Super Cup ausgetragen und auch die Diamond League des Leichtathletik-Weltverbands ist regelmäßig im Fürstentum zu Gast. Und das Beste: Kein Team hat einen kürzeren Anreiseweg als unsere Mannschaft. Es ist ein historisches Ereignis, also warum nicht die Autos vollmachen, Fanbusse organisieren und auf nach Monaco? Es klingt wie ein Traum, aber alleine die Vorstellung, dass zahlreiche Deutsche Fans das Stadion Louis II zu einer Heimspielstätte für unsere Jungs machen und diese Atmosphäre unsere Mannschaft nach Rio trägt, sorgt bei uns für Gänsehaut. Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. Und eins ist sicher: Wir werden live vor Ort sein - hoffentlich nicht alleine!
Highlight 2: Hongkong 7s 2016
2016 steht einfach im Zeichen des Olympischen 7er-Rugbys und bis heute gibt es kein spektakuläreres, kein legendäreres Turnier als die Hongkong 7s. Ausgetragen erstmals im Jahr 1976 und seit 1982 im 40.000 Zuschauer fassenden Hong Kong Stadium. Tickets sind Monate im Voraus vergriffen, die Stimmung unbeschreiblich - und Deutschland hat sich qualifiziert. Im World-Series-Qualifier (8.-10. April) wird das Team von Rainer Kumm (Hannover) und Chad Shepherd (Heidelberg) in einem 12er-Teilnehmerfeld um den Aufstieg in die World Series spielen. Die Gegner haben es auch hier in sich: Japan, Spanien, Zimbabwe und Gastgeber Hongkong zählen zu den Aufstiegsfavoriten. Und Deutschland? Unsere Jungs sind Außenseiter, haben aber, wenn es gelingt, auch in diesem Hexenkessel ihre Bestleistung abzurufen, eine realistische Chance.
Eine Qualifikation für die World Series wäre größer als alles, was das Deutsche Rugby bisher erreicht hat. Zehn Turniere auf der ganzen Welt (neben Hongkong wird in Dubai, Kapstadt, Las Vegas, Kanada, Singapur, Wellington, Sydney, Paris und London gespielt), volle Stadien, Medienpräsenz auf dem ganzen Globus (auch Eurosport hat Interesse angemeldet, die SWS übertragen zu wollen, sollte dem DRV-Team die Qualifikation gelingen). Endlich die lange ersehnte Sichtbarkeit für potentielle Sponsoren und ein sportliches Niveau, welches eine weitere positive Entwicklung unserer 7er-Mannschaft fordert und gleichzeitig fördert. In Hongkong haben Rugby-Legenden wie Jonah Lomu, Christian Cullen, Joe Rokocoko, Mils Muliaina (alle Neuseeland), George Gregan, Ben Tune (beide Australien), Rupeni Caucau (Fiji), Lawrence Dallaglio, Matt Dawson (beide England), Jamie Roberts, James Hook (beide Wales), Jean De Villiers, Bryan Habana (beide Südafrika) oder Augustin Pichot (Argentinien) ihre ersten Schritte auf internationalem Parkett gemacht und hier könnte das Deutsche Rugby aus seinem schon viel zu lange dauernden Dornröschenschlaf erwachen.
Highlight 1: Rio 2016
Andreas Ullmann, Experte für Sportmarketing beim Beratungsunternehmen Repucom, äußerte gegenüber der überregionalen Tageszeitung „Die Welt“, „dass das Rugby-Finale bei Olympia 2016 eines der Ereignisse mit den höchsten TV-Einschaltquoten wird. Viele glauben sogar, das olympische Rugby-Endspiel verdränge irgendwann den 100-Meter-Lauf der Männer als wichtigstes olympisches Ereignis.“
Die Olympischen Spiele sind unbestritten das größte Sportereignis der Welt und Rugby kehrt nach fast 100 Jahren zurück. Zuletzt wurde Rugby 1924 in Paris, damals noch in der 15er-Variante, bei Olympia gespielt.
12 Frauen- und 12 Männermannschaften kämpfen im Deodoro Stadium um Bronze, Silber und Gold. Die Frauen spielen vom 6.-8. August, bevor die Männer vom 9.-11. August dran sind. Sechs Tage Rugby in den Deutschen Mainstream-Medien (ARD und ZDF) und das potentiell sogar mit Deutscher Beteiligung.
Denn auch unsere Männer haben noch die Chance auf eine Teilnahme (s.o.). Wenn dieser Husarenstreich gelingen sollte, dann ist der Deutsche Rugby-Verband wirklich angekommen in der Familie des Deutschen Spitzensports (wie bereits oben erwähnt ist bereits die Qualifikation für Hongkong und Monaco als historischer Erfolg zu bewerten). Aber selbst wenn die Qualifikation scheitert, wird Rugby bei Olympia einen ähnlichen Effekt haben wie der Rugby World Cup und vielleicht heißen die neuen Olympischen Helden ja schon bald nicht mehr Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser-Pryce, sondern Sonny Bill Williams und Charlotte Caslick.
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