Sechs Wochen hat uns die Rugby WM in England in Atem gehalten. Am Ende mit Neuseeland den verdienten Sieger gefunden. Was bleibt vom größten Sportereignis des Jahres hängen? Und was bringt die Zukunft auch aus deutscher Sicht?
Das Spiel wird schneller und attraktiver.
Immer weniger Teams verlassen sich auf das Kick- und Sturmspiel vergangener Tage, sondern nehmen den Ball in die Hand und laufen los. Laufen, Passen, Offloads, Versuche. Das ist die Spielweise auf höchstem Niveau. Bestes Beispiel für eine erfolgreiche Transition ist Argentinien mit dem Halbfinaleinzug und am Ende Platz 4 bei dieser WM.
Und der Weltverband World Rugby lenkt das Spiel in diese Richtung. Aktuell wird in der walisischen Liga der 6-Punkte-Versuch erfolgreich getestet. Übernahme ins globale Spiel nicht ausgeschlossen. Diese Entwicklung muss auch Deutschland bei der Ausbildung seiner Nationalspieler berücksichtigen. Ein stabiles Sturm-Paket genügt auch auf unserem Level auf Dauer nicht mehr.
Schiedsrichter machen Fehler.
Genau wie Spieler, Trainer oder Manager. Die mediale Welle, die über Craig Joubert nach seinem verhängnisvollen Pfiff hereinbrach, ist aber des Rugbysports und seines Wertesystems unwürdig. Die Aussagen erinnerten teilweise an die unschönen Auswüchse aus dem Fußballsport. Dies passt so gar nicht zur Rugby-Attitüde auch Fehler der Offiziellen mannhaft hinzunehmen.
Die Rugbywelt wird größer - Die Abstände kleiner.
Der Sieg Japans über Südafrika ist bereits heute Folklore. Aber auch insgesamt sind die Leistungsunterschiede zwischen den sogenannten Tier 1 und Tier 2 Mannschaften kleiner geworden. Die 100+ Punktedifferenzen vergangener Turniere sind längst vorbei.
Größer wird dafür das Zuschauer- und Medieninteresse. Über 2,4 Millionen Zuschauer in den Stadien und Milliarden vor dem Fernseher. Die 24 Millionen Japaner morgens um sechs Uhr Ortszeit gegen Samoa sind nur ein Beleg für den globalen Erfolg dieses Turniers.
Auch in Deutschland konnte Eurosport so gute Quoten vermelden, das am Ende mehr Spiele gezeigt wurden als zunächst geplant. Hoffen wir, das wir nicht erneut vier Jahre auf die nächste Rugbyübertragung warten müssen.
Viele deutschsprachige Zeitungen und Magazine berichteten seriös wie nie über das Turnier. Das Label vom "wilden Raufsport" wurde immer seltener vergeben. Und die Vereine freuten und freuen sich über neue Spieler und reges Interesse der Öffentlichkeit. Einen Schwung, den es für die Zukunft mitzunehmen gilt.
Nach der WM ist vor Olympia
Viele Stars der WM wie Sonny Bill Williams, Nemani Nadolo oder Tim Nanai-Williams sehen wir in 10 Monaten in Rio wieder. Und auch das deutsche Team hat noch seine Chance auf die Qualifikation. Aber erst mal steht nach Vorbereitungsturnieren in Dubai und auf Fidschi das World Series Qualifikationsturnier in Hongkong an. Das Team von Trainer Rainer Kumm hat dabei realistische Chancen auf den Erfolg. Und im Juni in der Olympia-Qualifikation? Wer weiß? Denkt an Japan gegen Südafrika!
Apropos Sevens. Sir Clive Woodward, Weltmeister-Trainer von 2003, empfiehlt seine aktuellen Kollegen, die Spieler dringend mal Siebener-Rugby spielen zu lassen.
Damit könne man unter anderem die Lücke zu den Südhemisphären-Teams schließen. Wichtige Skills unter Zeitdruck abzurufen ist nämlich eine der Schwächen im europäischen Rugby. Auch in Deutschland ist eine Transformation vom Siebener in das große 15er im Leistungssportsegment angedacht. Es braucht jetzt die Erkenntnis und den Willen aller Beteiligter das Ganze umzusetzen.
Japans Trainer Eddie Jones hat vom ersten Tag an den Erfolg seiner Mannschaft geglaubt. Und diesen Glauben ins Team implementiert. Vier Jahre harte Arbeit führten am Ende zu drei sensationellen Siegen in der Vorrunde. Andere Nationen aus der "zweiten Reihe" werden sich das zum Vorbild nehmen und die nächsten vier Jahre ebenfalls hart arbeiten.
Und Rugby-Deutschland?
|