Die 7er-Männer sind momentan die beste Rugby-Mannschaft Deutschlands. Die Erfolge in dieser Saison sind kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrelanger professioneller Arbeit. Jetzt liegt es an Rugby-Deutschland, wie der Weg weitergehen soll.
Moskau, Lyon, Exeter, Lissabon - das war die Reiseroute der DRV VII auf dem Weg nich Rio im legendären deutschen Rugby-Sommer 2015. Ein Gegner nach dem anderen wurde besiegt und am Ende steht der Lohn für die ganzen Mühen: Hongkong und das Olympia-Qualifikationsturnier. damit hat die Mannschaft von nationaltrainer Rainer Kumm beide Saisonziele in bravouröser Art und Weise erreicht.
Die Spieler des 7er-Kaders trainieren Vollzeit und ordnen ihr gesamtes weiteres Leben dem Leistungssport unter. Sie sind sich ihrer Möglichkeiten, aber auch ihrer Verantwortung gegenüber ihren Förderern wie dem DOSB, der Sporthilfe, der Bundeswehr und der Wild Rugby Academy voll bewusst. Für den Traum von Olympia schlagen die Spieler teilweise lukrative Profi-Verträge von ausländischen Clubs aus. Dafür gebührt ihnen mein vollster Respekt Was kann das deutsche Rugby nun noch mehr tun, um diese Mannschaft noch mehr zu unterstützen?
Zum einen, und das ist vielleicht das Wichtigste, muss sich jeder Funktionär, jeder Trainer, jeder Spieler, ja auch jeder deutsche Rugbyfan, im Klaren sein, dass es im Rugby zwei gleichberechtigte Varianten gibt. Siebener-Rugby ist längst kein „Sommerspässchen“ mehr, wo man mit dem Bierkasten an der Seitenlinie „'ne gute Zeit“ hat. Es ist eine olympische Sportart. So richtig wird das vermutlich erst jeder von uns realisieren, wenn nächstes Jahr in Rio die Spiele losgehen.
Länder wie die USA, Kanada oder Kenia - Im 15er-Rugby bestenfalls zweit- oder drittklassig - gehören im Siebener zur Top 15 der Welt. Fidschi unter Trainer Ben Ryan (England) ist gar absolute Weltspitze. Auch Deutschland kann auf lange Sicht zur erweiterten Weltspitze gehören - aber dafür muss dem Siebener im deutschen Rugby-Herzen mehr Platz eingeräumt werden.
Die Erfolge der vergangenen beiden Wochen haben, auch Dank der Strahlkraft von Olympia, ein enormes Medieninteresse hervorgerufen. Deutsche Medien haben verstärkt über die Erfolge unserer Nationalmannschaft berichtet. Diese Form von öffentlicher Aufmerksamkeit wurde ja vom deutschen Rugby immer gewünscht und ihr Ausbleiben in der Vergangenheit stets bitter beklagt. Das deutsche Vereins-Rugby dagegen generiert kein großes Medieninteresse. Selbst das Finale um die deutsche Meisterschaft ist den überregionalen Medien bestenfalls drei Zeilen wert. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Bei Randsportarten wie Rugby ist die Nationalmannschaft das einzige Team, über das man nationale Berichterstattung generieren kann. Langfristig nützt das auch den Vereinen, denn Kinder und Jugendliche, die Interesse am Sport bekommen, werden sich zum Training bei ihren lokalen Vereinen anmelden. Erfolgt macht beliebt und lockt an.
Die Erfolge im Sommer 2015 sollen aber nicht das Ende sein. Sie sollen am Anfang stehen. Die nächsten Ziele sind klar definiert: Im April kommenden Jahres geht es in Hongkong um die Qualifikation für die Sevens World Series. Ein schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen. Und im Juni steht dann die Olympia-Qualifikation an. Das kleine deutsche Siebener-Team um Nationaltrainer Rainer Kumm hat es binnen drei Jahren mit vergleichsweise bescheiden finanziellen Mitteln vom Aufsteiger zum Spitzenteam geschafft. Wenn sich alle Parteien in Rugby-Deutschland noch mehr als bisher engagieren, dann ist der Weg in die Weltspitze möglich.
Die Rugbywelt ist im Wandel. Siebener wird in den kommenden Jahren noch viel mehr in den Fokus der Weltöffentlichkeit geraten. Olympia, die WM 2018 in den USA, die Erweiterung der Sevens World Series - vielleicht sogar mit einem Turnier in Deutschland. Möglich wäre es.
Rugby-Deutschland, jetzt musst Du dich entscheiden: Willst du den Wandel nutzen und Dir einen Platz auf der Rugby-Weltkarte erkämpfen - oder wieder eine Chance ungenutzt verstreichen lassen? Jetzt liegt es an dir!
Lars Schindewolf
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