Die All Blacks spielen erstmals in Samoa
In den frühen Morgenstunden deutscher Zeit spielte heute in Apia/ Samoa erstmals ein All Blacks Team in einem der Rugby verrückten Staaten Polynesiens. Der relativ knappe 25:16 Sieg Neuseelands gegen die Auswahl Samoas spielte dabei eher eine untergeordnete Rolle. Die Premiere in der über einhundertjährigen Geschichte des neuseeländischen Rugby-Nationalteams brachte ein ganzes Land zum Stillstand.
Samoa dürfte in weiten Teilen Deutschlands eigentlich nur denjenigen ein Begriff sein, die eine gewisse Geschichtsaffinität aufweisen. Anfang des letzten Jahrhunderts war die Inselnation immerhin anderthalb Dekaden lang die einzige deutsche Kolonie im Pazifikraum.
Rugbyinteressierten wiederum ist Samoa durchaus ein Begriff. Bei zwei Weltmeisterschaften gelang den Insulanern, deren gängiger Spitzname Manu Samoa lautet, bereits der Einzug ins Viertelfinale. Siege seit der Professionalisierung des Rugby über illustre Gegner wie Argentinien, Australien, Irland, Wales und Schottland 1995 zeugen von der Qualität der als besonders physisch stark geltenden Nationalmannschaft.
Allgemein ist das Land an der Datumsgrenze, ähnlich wie seine Nachbarn Fidschi und Tonga, geradezu besessen vom Kampf um das ovale Leder. Zum einen spielt dabei die traditionelle Kriegerkultur des Landes eine Rolle, die im Ritual des Sivi Tau ihren Ausdruck findet. Ähnlich wie die All Blacks mit ihrem Haka, vollführen die Samoaner vor jedem ihrer Spiele diesen Kriegstanz als Herausforderung an den Gegner. Zum anderen kommt der oftmals opulente Körperbau der Samoaner den Anforderungen des Rugbyspieles besonders zu Gute.
Dementsprechend hat sich in Samoa eine Art sportliche Monokultur entwickelt. Das nur knapp 200.000 Einwohner zählende Land weist mehr als 20.000 aktive Rugby-Vereinsspieler auf. Statistisch gesehen spielen mehr als 20% der männlichen Bevölkerung vom Baby bis zum Greis aktiv im Verein Rugby. Jedoch ist Samoa mit einem Pro-Kopf Einkommen von etwa $4000 im Jahr ein vergleichsweise armes Land, so dass sich vielen talentierten Samoanern keinerlei professionelle Spiel- und Trainingsbedingungen im eigenen Land bieten.
Ein regelrechter Exodus von Rugbytalenten war und ist die Konsequenz, seitdem die Regularien des Weltverbandes 1995 geändert wurden, um den Sport zu professionalisieren. Prominente gebürtige Samoaner wie Manu Tuilagi, der für England spielt, oder Spieler mit samoanischen Wurzeln wie Ma‘a Nonu oder Sonny Bill Williams hätten potentiell für Manu Samoa auflaufen können.
Speziell die Verbindung zwischen Samoa und Neuseeland ist in Sachen Rugby eine Besondere. Nicht nur die 13 gebürtigen Samoaner die später zu All Blacks wurden und die weitaus größere Zahl an neuseeländischen Nationalspielern mit Wurzeln im kleinen Pazifikstaat tragen dazu bei. Viele Spieler Manu Samoas haben von Stipendien an Schulen und Universitäten Neuseelands, sowie von den Gehaltschecks der dortigen Proficlubs profitiert und sich trotzdem für die Mannschaft ihrer Heimat entschieden.
Das Prestige und nicht zuletzt die finanziellen Vorteile, verbunden mit dem mystischen All Blacks Shirt, sorgen jedoch dafür, dass der neuseeländische Verband schlussendlich der größere Profiteur in der Beziehung beider Rugby-Länder bleibt. Umso mehr verwundert es, dass die Samoaner bis zum heutigen Tag warten mussten, um eine All Blacks Mannschaft in Samoa begrüßen zu dürfen. Insgesamt war dies trotz relativer geographischer Nähe und gemeinsamer Rugbygeschichte erst das sechste Spiel zwischen beiden Mannschaften während die All Blacks bereits 55 Spiele gegen Frankreich bestritten haben.
Die Rufe nach einem Spiel auf Samoa wurden innerhalb Neuseelands zuletzt so laut, dass der Verband sie schlicht nicht mehr ignorieren konnte. Erst im letzten November hatte man ein Spiel vor 60.000 Fans in Chicago gegen die nicht unbedingt als Rugby-Nation anzusehenden USA ausgetragen, dem Vernehmen nach um den Sport weiter zu verbreiten. Jedoch dürfte eine siebenstellige Antrittsgage, wie bei jedem All Blacks Spiel auf fremden Boden, der ausschlaggebende Faktor gewesen sein. Führende ehemalige All Blacks forderten ihren Verband daraufhin im New Zealand Herald dazu auf, endlich ein Spiel gegen ihre pazifischen Nachbarn zu ermöglichen.
Das heutige Spiel war für Neuseelands Rugby-Recken schlussendlich eine perfekte Feuertaufe für ihre bald anstehenden Rugby Championship Spiele gegen Argentinien, Australien und Südafrika. Während das nicht einmal 10.000 Zuschauer fassende Nationalstadion in Apia sowie die ungünstige Zeitzone eine lukrative Vermarktung des Spiels unmöglich machten, war Samoa der stärkste potentielle Vorbereitungsgegner, der momentan verfügbar gewesen wäre.
In Samoa selbst löste die Begegnung ein nie da gewesenes Maß an Begeisterung aus. Tausende enthusiastische Anhänger empfingen die neuseeländischen Stars bereits am Flughafen und noch mehr füllten die Straßen bei einer gestrigen Parade durch die Hauptstadt. Der Präsident des Inselstaates, der zugleich das Amt des Verbandschefs inne hat, erklärte den Spieltag zum Feiertag. Die in Europa als Profi tätigen Spieler Manu Samoas unterbrachen eigens ihre momentane Sommerpause und mussten darüber hinaus ihre Anreisekosten selbst übernehmen.
Das Spiel selbst war eine sehr enge Angelegenheit und endete mit 25:16 für den haushohen Favoriten und zweimaligen Weltmeister Neuseeland. Dabei erzielte die momentan beste Mannschaft der Welt genauso wie die Samoaner lediglich einen Versuch. Zuletzt war es Australien vor etwa einem Jahr gelungen die All Blacks ähnlich gut im Zaum zu halten.
Während die Neuseeländer in den kommenden Wochen vor 65.000 Zuschauern in Johannesburg und vor 70.000 Zuschauern in Sydney antreten dürfen, um danach im Herbst als Favorit bei der Weltmeisterschaft in England aufzulaufen, müssen sich die Samoaner wieder mit ihrer Rolle als Rugbynation abseits der großen Bühne abfinden. Nach der heutigen Partie dankte der neuseeländische Kapitän Richie McKaw den Gastgebern für den überwältigenden Empfang. Sein Gegenüber beließ es nach seiner Danksagung bei der schlichten Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Viele Rugby Fans würden ihm da sicherlich beipflichten.
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