Der Heidelberger RK und der TV Pforzheim bestreiten auch dieses Jahr das Finale um die Deutsche Meisterschaft - © Jürgen Keßler
Der Heidelberger RK und der TV Pforzheim bestreiten an diesem Samstag erneut das Finale um die Deutsche Meisterschaft. Das überrascht in Rugby-Deutschland niemanden. Und auch wenn sich die Pforzheimer wieder sehr bemühen werden, der Verlierer steht bereits fest: Das deutsche Rugby.
Wenn am Samstag in der selbst ernannten „Rugby-Hauptstadt“ die beiden besten deutschen Vereinsteams den deutschen Meistertitel ausspielen, wird so mancher Heidelberger Rugbyfan das Duell vor seiner Haustür ignorieren. Grund: Hier spielen keine „echten Amateure“ gegeneinander. Bei allem was im deutschen Rugby auch nur in Richtung Profitum geht, rümpft man bei den „Traditionalisten“ gerne mal die Nase. Nicht umsonst wurde in der Vergangenheit im Verfolgerfeld gerne mal der Titel des „Deutschen Amateurmeisters“ ausgelobt.
Doch sind diese finanziellen Strukturen wirklich so verwerflich oder liest sich da nur der Neid heraus, selbst keine Gönner oder Sponsoren akquirieren zu können?
Fakt ist, ohne das Geld der Wild Rugby Akademie, immerhin ein höherer siebenstelliger Betrag über die Jahre, stünden die Nationalmannschaften nicht da wo sie heute sind. Die 15er-Truppe in der Division 1A. Die 7er-Mannschaft, sicher auch bedingt durch die Olympiafördergelder, in der Grand Prix Series. Ganz nebenbei wurde der HRK dadurch zur Ersatznationalmannschaft umfunktioniert. Andere Clubs wollten das „Capri-Sonne“-Geld einfach nicht.
Und in Pforzheim hat es ein findiger Manager mit seinem Team verstanden, in einer Stadt ohne die ganz große Tradition, Interesse an einer Randsportart zu generieren und mit dem Geld aus einem üppigen Sponsorenpool eine Top-Mannschaft zusammen zu stellen.
Und der Rest im Südwest? Der resigniert.
Statt sich der Herausforderung zu stellen und selbst professionelle Strukturen aufzubauen, doktert man lieber am Spielsystem herum.
16 Teams sollen laut Antrag des Bundesliga-Ausschusses künftig nur noch in der 1. Liga spielen. Und nur noch die jeweils besten 2 aus Nordost und Südwest dann um den deutschen Meistertitel spielen. Die restliche 12 spielen dann den DRV-Pokal aus. Den dann 32 Zweitligisten bleibt der Ligapokal.
Mit dieser „Reform“ begibt sich das deutsche Clubrugby endgültig zurück in die „Komfortzone“. Jede Form von nachhaltiger Entwicklung wird ausgebremst. Clubs wie Germania List, Hamburger RC, RC Leipzig oder RK Heusenstamm werden in ihrer Entwicklung wieder in die Vorzeit zurück geworfen.
Viel wichtiger wäre es, schärfere Lizenzbedingungen, insbesondere im Jugend- und Trainerbereich zu schaffen. Ob aber nach dem Lizenzierungsdebakel vom letzten Sommer dieses heiße Eisen noch einmal angefasst wird, bleibt offen.
Wo bleiben die Regionalauswahlen?
Der eigentliche Skandal ist aber das, was nicht im Antrag steht. Die Regionalauswahlen.
Die Bildung regionaler Leistungszentren zur Ausbildung der Spieler war 2012 noch Kernelement der ursprünglichen Reform und fällt jetzt völlig unter den Tisch. Bloß nicht erwähnen, es könnte ja den Vereinen zum Nachteil gereichen.
Diese Regionalauswahlen sind ein wichtiger Baustein für den künftigen Erfolg der 15er Nationalmannschaft. Mit diesen Auswahlen gäbe es einen deutschlandweiten Spielbetrieb auf entsprechendem Niveau, welches auch den aktuellen und künftigen Nationalspielern nutzt. Durch den sportlichen Erfolg der Auswahlmannschaften ist die Motivation mit dem Adler auf der Brust aufzulaufen so hoch wie schon lange nicht mehr. Ohne Regionalauswahlen bleiben für einen ambitionierten 15er-Nationalspielern nur noch die zwei Topclubs im Südwesten oder das Ausland als Auswahl. Was zu einem weiteren Aderlass bei den Teams aus der zweiten Reihe führt.
Was wirklich wichtig ist
Ob die Liga mit 8,16,24 oder mehr Vereinen an den Start geht, ob es Pokalbewerbe und/oder Playoffs gibt...Das ist nur äußere Makulatur. Es löst nicht die strukturellen Probleme im deutschen Rugby wie mangelhafte Jugendarbeit, fehlende Leistungszentren, unzureichende Trainer- und Schiedsrichterausbildung.
Es wird Zeit, dass sich Vereine und Landesverbände ihrer Verantwortung für das deutsche Rugby bewusst werden und mit der Umsetzung der zweiten Stufe der ursprünglichen Reform beginnen, statt das sich eine Handvoll Vereine einen neuen Modus nach eigenem Gusto zurechtschneidert.
Autor: Lars Schindewolf
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