Gruß von der Insel (26) - Der rasante Aufstieg einer kleinen Sportart
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 29. Januar 2015
TR-Kolumnist Max Lück wirft einen Blick auf die Entwicklung des olympischen 7er-Rugbys
Nach vier Jahren des Wartens ist es in diesem Jahr endlich wieder soweit: Im Herbst werden die besten Teams der Welt zum achten Mal den Rugby-Weltmeister küren. Im Land des Gastgebers ist bereits das große WM-Fieber ausgebrochen und die Freude über eine heimische Weltmeisterschaft kann wahrscheinlich nur noch durch einen zweiten Titelgewinn getoppt werden. Allerdings wartet auf die Engländer bis dahin noch ein langer und steiniger Weg.
Bevor die große Party im September losgeht, möchte ich in den kommenden Wochen für euch aber noch ein anderes Thema behandeln. Denn nicht nur das 15er-Rugby bekommt in diesen Tagen viel mediale Aufmerksamkeit, sondern auch die verkürzte 7er-Variante hat in der Vergangenheit an enormer Popularität dazugewonnen. Da der 7er-Sport auch gleichzeitig mein Berufsfeld umfasst liegt mir das Thema besonders am Herzen.
Beginnen möchte ich diese kleine Serie mit einem kurzen Einblick in die Geschichte des Spiels, dessen Wurzeln bis zum Jahre 1883 zurückreichen. Damals versuchte der Metzger Ned Haig in seiner schottischen Heimatstadt Melrose mit einem neuartigen Turnierformat (7 anstatt 15 Mann pro Team) Geld für seinen lokalen Verein zu sammeln. Und der einfallsreiche Schotte hatte anscheinend nicht nur ein Näßchen für Fleischwaren, denn auch mit dieser Idee bewies er einen goldenen Riecher. Dass allerdings 134 Jahre später seine Idee der Grundstein für eine neue Olympische Sportart wurde, hätte er sich wahrscheinlich nicht erträumen lassen.
Das neue Spiel verbreitete sich zunächst auch nur innerhalb der Grenzen Schottlands und wurde anfangs von Vereinen zum Ende der 15er-Saison gespielt, um die Spieler in erster Linie während der Sommerpause fit zu halten. Bis zum ersten internationalen Turnier sollten noch einige Jahre vergehen. Erst 1973 – zum 90-jährigen Jubiläum – lud der schottische Rugby-Verband Nationalmannschaften ein, um mit einem großen Turnier den 7er-Sport zu würdigen.
Von nun an sollte es rasant bergauf gehen und es folgte ein Meilenstein nach dem anderen. Drei Jahre nach dem ersten internationalen Turnier wurde, in der damals noch britischen Kolonie Hongkong der Grundstein für internationales 7er-Rugby gelegt. Ursrpünglich war das Ziel, den Sport in Asien weiterzuentwickeln. Heute zählt das dreitägige Hongkong 7s Festival, das von ca. 120.000 Zuschauern besucht wird, mit zu den Highlights im Rugbykalendar. Das liegt vor allem auch an der geschickten Vermarktung. Längst hat man nicht nur in Hongkong erkannt, dass Sommer, Rugby und Party einen Cocktail für massentauglische Events bildet.
Anfang der 90er Jahre war wieder einmal Schottland der Mittelpunkt für 7er-Rugby. In Edinburgh wurde erstmals eine Weltmeisterschaft ausgetragen. Es folgten in Vier-Jahres-Abständen WMs in Hongkong, Argentinien, Dubai und Russland, bei denen jeweils zwei mal Neuseeland und Fiji sowie einmal Wales und England erfolgreich waren. Seit 2009 werden zudem auch 7er-Weltmeisterschaften im Damenrugby ausgetragen.
Mit der Aufnahme des Sports in das Programm der Commonwealth Games 1998, also jener Spiele der Staaten die durch das Vereinigte Königreich gegründet wurden, gewann 7er weiter an globaler Popularität. Seit den Spielen 2010 und zueltzt 2014 in Glasgow gilt er gar als der am “besten repräsentierte“ Sport aller teilnehmenden Spiele.
Was jetzt noch fehlte, war eine globale Turnier-Serie für Nationalmannschaften. Und so beschloss der Weltverband kurz vor der Jahrtausendwende die Einführung der HSBC Sevens World Series. Nach diversen Modifikationen einigte man sich zuletzt auf ein Format von zehn Turnieren mit jeweils 16 Mannschaften. Die Turnierserie gilt mittlerweile als eines der wichtigsten Aushängeschilder des Weltverbandes.
7er wird zudem auch unter anderem bei den Asia Games, World Games und World University Games represäntiert. Aber nicht nur auf internationaler, sondern auch auf nationaler Ebene finden mittlerweile auf der ganzen Welt in den Sommermonaten zahlreiche regionale Turniere statt.
Die bislang wichtigste Entscheidung in der Geschichte des Sports sollte allerdings im Jahr 2009 folgen, als das Olympische Komitee entschied Rugby nach 1924 erstmalig wieder in das Olympische Programm mit aufzunehemen.
Bei den Spielen in Rio 2016 und Tokyo 2020 bekommt 7er also nun die Möglichkeit, sich einem globalen Massenpublikum zu präsentieren. Besonders attraktiv ist diese Plattform aber nicht nur für die junge, alte Sportart selbst; gerade die kleinen Rugbynationen können ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen und dabei für die eine oder andere Überraschung sorgen.
Ich bin mir sicher, wenn Metzger Haig das noch erlebt hätte, er wäre sicher stolz wie ein Schnitzel.
Best wishes Max
Max Lueck, 30, hat seine Rugbykarriere als Spieler in Brühl angefangen und zog 2007 nach England, um dort Coaching zu studieren. Mittlerweile hat er mit vielen Rugby-Vereinen und Athleten als Trainer und Manager gearbeitet. Derzeit baut er mit Leidenschaft und Ehrgeiz das Projekt 7 Bamboos Rugby auf und bloggt regelmäßig für diverse Plattformen und Online Magazine. Weitere Informationen unter www.7bamboosrugby.com