In genau vier Wochen ist Silvester. Und damit geht ein weiteres ereignisreiches Rugbyjahr zu Ende - und ein weiteres noch größeres Rugbyjahr wird kommen. Zum Abschluss zeigten die besten Mannschaften der Welt noch einmal ihr Können, und noch wichtiger, in wie fern sie bereit für die kommende WM sind. Hier auf der Insel, analysieren und prognostizieren die Medien nun fleißig, ob der Gastgeber bereit ist für einen zweiten Titel.
Zunächst wurde nach den vergangenen vier Spielen gegen Neuseeland (21:24), Südafrika (28:31), Samoa (28:9) und Australien (26:17) etwas nüchtern feststgestellt, dass man zwar mit den besten der Welt mithalten kann, allerdings reicht die momentane Leistung nicht aus, um diese auch zu besiegen. Die Erfolge in den abschließenden Spielen gegen Samoa und die Wallabies sorgen zwar für etwas Zuversicht, doch wer ganz oben mitspielen will, muss eben auch gegen die Besten gewinnen.
England vs Samoa
Berücksichtigt man allerdings die mangelnde Erfahrung dieser jungen englischen Mannschaft sowie eine lange Liste von verletzungsbedingten Ausfällen, können die Engländer mit dem Ausgang der Herbst-Serie zufrieden sein. Klar, die knappen Niederlagen gegen Neuseeland und Südafrika haben wehgetan, aber die Erkenntnis, dass durchaus Potential vorhanden ist, um mit den ganz großen Mannschaften mitzuhalten, macht Mut.
Viele Experten sind sich einig, dass die guten Leistungen vor allem an einem Faktor auszumachen sind: Der derzeitige Sturm, gecoached von Graham Rowntree, ist in beeindruckender Form. Die Tatsache, dass auch etablierte Stammspieler ersetzt werden können, zeigt, dass in diesem Bereich hart gearbeitet wurde.
England vs Australien
Das große Problem beginnt hinter den Positionen 1 bis 8. Die Hintermannschaft ist im Moment das große Sorgenkind von Coach Stuart Lancaster. Kaum eine Position zwischen Gedrängehalb und Schluss ist klar besetzt. Beispielsweise ist derzeit völlig unklar, wer die erste Wahl auf Verbinder sein soll. Lange sah es so aus, als wäre Owen Farrell der richtige Mann für den Job. Allerdings konnte man große Schwächen in Farrells Angriffsspiel während der vergangenen vier Wochen beobachten. Als ernsthafte Alternative hat der junge George Ford von Bath gegen Australien bewiesen, wie es geht.
Viele Fragezeichen gibt es auch auf weiteren Positionen neben dem Verbinder. Es stehen zwar reichlich Optionen zur Verfügung, allerdings haben bis jetzt wenige wirklich überzeugt. Oftmals mangelt es an der Kombination aus kreativem Angriff und robuster Verteidigung.
Ein Mann wie Manu Tuilagi sollte in der Lage sein, diese Kombination zu bieten. Seine Rückkehr für die kommenden Six Nations wird mit großer Freude erwartet. Zudem wird sich früher oder später Ex-League-Superstar Sam Burgess um einen Stammplatz in der Nationalmannschaft bewerben. Dieser hatte am verganegen Freitag sein Debut für Bath in der Premiership gegeben und könnte zusammen mit Tuilagi Lösungen für das derzeitige Hintermannschafts-Problem bieten.
Die größten Ungewissheiten zeigen sich derzeit allerdings auf den Außen-Positionen. Dort wurde im vergangenem Jahr am häufigsten rotiert und experimentiert. Gewisse Spieler wie Gloucesters Johnny May konnten zwar in den letzten vier Spielen durch spektakuläre Versuche überzeugen, jedoch bedarf es weiterer Alternativen, um eine dauerhafte Gefahr im Angriff zu gewährleisten.
Fazit: England ist noch lange nicht so gut wie Neuseeland. Und auch Südafrika hat noch die Nase vorn im direkten Vergleich. Aber eine Steigerung in den kommenden Monaten ist möglich, vor allem auf heimischen Boden. Die gute Nachricht für England-Fans ist, dass die WM genau dort stattfindet.
Best wishes
Max
Max Lueck, 30, hat seine Rugbykarriere als Spieler in Brühl angefangen und zog 2007 nach England, um dort Coaching zu studieren. Mittlerweile hat er mit vielen Rugby-Vereinen und Athleten als Trainer und Manager gearbeitet. Derzeit baut er mit Leidenschaft und Ehrgeiz das Projekt 7 Bamboos Rugby auf und bloggt regelmäßig für diverse Plattformen und Online Magazine. Weitere Informationen unter www.7bamboosrugby.com