Die Eidgenossen im Vorwärtsgang
Im Vorfeld der Begegnung zwischen der Schweiz und der DRV U21 gab der ehemalige Bundesligaspieler (SC Neuenheim) und Schweizer Nationalspieler Steven Lazarus der Schweizer NZZ ein interessantes Interview.
Uns fehlt der Biss
Der Rugby-Nationalspieler Steven Lazarus über Schweiz – Deutschland
Am Samstagnachmittag trifft die Schweizer Rugby-Auswahl in Basel auf Deutschland. In den vergangenen vier Jahren ist das «Edelweiss-Team» vom 34. auf den 54. Weltranglistenplatz zurückgefallen. Der 22-jährige Steven Lazarus, Angreifer in Nationalmannschaft und RFC Basel, spricht mit NZZ Online über Gegenwart und Zukunft dieses Sports in der Schweiz.
Mit Steven Lazarus sprach Perikles Monioudis
NZZ Online: Herr Lazarus, nach den ersten beiden Alpencup-Begegnungen steht es 2:0 für die deutsche Rugby-Nationalmannschaft, die 2006 in Bern 40:10 und 2007 in Frankfurt 49:13 gegen die Schweiz gewann. Zur dritten Begegnung reisen die Deutschen bloss mit einem verstärkten U-21-Team nach Basel an. Wie stehen die Chancen auf einen Schweizer Sieg?
Steven Lazarus: Tatsächlich tritt nicht die beste deutsche Auswahl auf der Pruntrutermatte an. Wir haben 2006 und 2007 zwar deutlich verloren, doch da war nicht unbedingt ein Klassenunterschied zwischen uns und den Deutschen auszumachen. Unser Ziel ist es stets, gegen Deutschland zu gewinnen, und gegen die junge Mannschaft können wir uns natürlich grössere Chancen ausrechnen als gegen die beste deutsche Auswahl.
Das heisst?
Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig. Ich sage das allerdings, ohne genau zu wissen, wie stark die deutsche U-21-Auswahl wirklich ist. Ich halte es dennoch für realistisch, dass wir das Spiel am Samstag gewinnen können.
Zu Steven Lazarus
Der 11-fache Schweizer Rugby-Nationalspieler Steven Lazarus wurde am 10. November 1985 in Basel geboren. Der Student der Wirtschaftswissenschaften steht, nach einem einjährigen Engagement im Sportclub Neuenheim in der deutschen 1. Bundesliga, wieder im Team des RFC Basel. Sein Début im Nationalteam gab Lazarus 2006 in Bern gegen Deutschland.
Die ambitionierten Deutschen wollen gegen die Schweiz ihre jungen Spieler testen. Wie jung waren Sie, als Sie zum Rugby kamen?
Im Alter von sechs Jahren habe ich zum ersten Mal Rugby gespielt, das war in Basel. Mein Vater ist Engländer, ich stand an der Seitenlinie, wenn er mit seinem Team die Partien austrug. Ich habe im RFC Basel die Juniorenmannschaften durchlaufen und anschliessend in der 1. Mannschaft gespielt.
Sie stehen auch heute wieder als Angreifer im Team des RFC Basel. Im Sommer 2007 wechselten Sie allerdings in die deutsche 1. Bundesliga zum traditionsreichen Sportclub Neuenheim. Warum sind Sie nach einer einzigen Saison zurückgekehrt?
Ich hätte sehr gern in Mannheim Wirtschaftswissenschaften studiert. Das war aber mit meiner Berufsmatura nicht möglich. Jetzt beginne ich mein Studium an der FH Basel. So musste ich mich gegen eine Verlängerung im SC Neuenheim entscheiden. Trainer und Vorstand wollten mich weiter verpflichten. Die Tür bleibt für mich dort offen.
Was haben Sie in der 1. Bundesliga erlebt?
Ich kam neu zum Verein, musste mich beweisen, meine Position erkämpfen. Nach zwei Wettbewerbspartien hatte ich in mein Spiel gefunden und auch Eingang ins Stammteam. Der Ortswechsel, die Reisen zwischen Basel und Neuenheim – das hat mich viel Zeit gekostet.
Auch in Deutschland herrscht im Rugby der Amateurstatus unter den Spielern vor.
Da sind ein oder zwei Vereine, die sich ein professionelles Team leisten, etwa der SC Frankfurt. Sie sind entsprechend erfolgreich. Auch im SC Neuenheim wurden uns Beträge ausbezahlt, wenngleich nur in der Höhe wirklich kleiner Gehälter. Rugby steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen.
Ist Rugby in Deutschland dennoch vorbildhaft für die Schweiz?
Ja. Allerdings sehe ich in der Schweiz für Rugby keine Entwicklungsmöglichkeiten wie in Deutschland. Unser Land ist zu klein, als dass ausser Fussball, Eishockey und ein wenig Handball weitere Sportarten mit Ligabetrieb wirklich einen Fuss in den Sponsoring-Markt setzen könnten. Da ist kein Platz für zehn professionelle Ligen. Ich bezweifle, dass man in der Schweiz mit Rugby wirklich Geld verdienen kann.
Und in Deutschland?
Dort findet man geeignete Sponsoren, und dort bestehen auch bereits professionelle Strukturen in den Vereinen und auf dem Markt.
Das deutsche Nationalteam ist in diesem Jahr in die europäische Stärkeklasse 1 aufgestiegen. Der deutsche Rugby-Verband hat sich ein weiteres hohes Ziel gesteckt, die Teilnahme an der WM 2011 in Neuseeland. Der Weg dahin führt allerdings über die starken Rugby-Nationen Spanien, Russland, Rumänien, Portugal und Georgien.
Bereits der Aufstieg gilt in Deutschland als Riesensache. Das deutsche Team wird es aber schwer haben, sich im professionellen Umfeld zu behaupten. Nur schon die georgischen Spieler sind in den grossen europäischen Ligen aktiv, in England und Frankreich.
Auch in Deutschland.
In der 1. Bundesliga spielen auch Georgier, ebenso etwa Neuseeländer. Diese figurieren allerdings nicht in der legendären Auswahl der «All Blacks» und kommen für einen Monatslohn von 3000 Euro nach Europa.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Rugbys?
Rugby wird in der Schweiz vor allem von Spielern ausgeübt, die aus dem Ausland stammen, etwa aus England oder Frankreich. Letzteres gilt besonders für die Romandie. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Personen, die in der Schweiz einer Arbeit nachgehen und in der Freizeit Rugby spielen. Natürlich erfreut sich Rugby auch bei Schweizern einer gewissen Beliebtheit. Dennoch ist sehr oft ein konkreter Bezug der Spieler zum Ausland vorhanden.
Rugby ist unter Jugendlichen etwa im Zuger St.-Michaels-Kollegium oder in der Zurich International School beliebt.
Falls wir das Spielniveau in der Schweiz steigern wollen, müssen sich mehr ganz junge Leute für Rugby interessieren. Sie müssten ein entsprechendes Ziel haben und es erreichen wollen. Erfahrung im Ausland – und sei es in einem Drittliga-Klub in Frankreich – ist ein weiterer Faktor für den Erfolg. Ich zum Beispiel habe von meinem Jahr in der harten 1. Bundesliga profitiert. Ich habe mich physisch und spieltechnisch stark verbessert.
Der Internationale Rugby-Verband hat den schweizerischen darauf aufmerksam gemacht, dass die Zahl der Spielerlizenzen in der Schweiz rund fünf Mal tiefer liegt als der Wert, der durch gezielte Jugendförderung erreicht werden könnte.
Uns fehlt der Biss, die Gewinner-Mentalität, die etwa deutsche Teams auszeichnet. Rugby ist ein harter körperlicher Sport. Ausserdem gibt es in der Schweiz für die Jugendlichen viele Alternativen, wie gesagt Fussball, Eishockey, Handball, die unzähligen Randsportarten. Das ist kein einfaches Umfeld für Rugby.
Wie sehen Sie Ihre eigene Karriere als Rugbyspieler?
Ich musste Prioritäten setzen und habe die Fachhochschule vorgezogen. Vielleicht hätte ich es schaffen können, in einem guten Klub unterzukommen. Ich hätte dann die erwähnten 3000 Euro im Monat verdient. Doch ich könnte nie in einer Spitzenmannschaft spielen, dazu fehlt mir das Potential.
Sie haben gerade vom fehlenden Biss gesprochen.
Biss allein reicht nicht aus. Ich bin 22 Jahre alt und kann meine Fähigkeiten einschätzen. Ich weiss, wo ich als Rugbyspieler stehe. Ich möchte auf jeden Fall meinen Platz in der Nationalmannschaft behalten.
Und nach dem Studium?
In drei Jahren werde ich 25 sein. Dann würde ich gern wieder in die 1. Bundesliga zurückkehren. Immerhin hat man einen Spielzug im SC Neuenheim quasi nach mir benannt: Ricola.
Link zum Interview bei der NZZ
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