Als Rugby-Pensionär hat man mitunter dicht belegte Wochenenden: Am Freitag bin ich als Zaungast beim Herren-Training, am Samstag auf dem SAS-Turnier in Heilbronn als interessierter Beobachter, gleich anschließend als Schlachtenbummler bei der 2. Halbzeit des unentschieden endenden Zweitligaspiels Neckarsulm gegen Freiburg - und am Sonntag besuche ich das VL-Turnier in Neckarsulm.
Das Turnier, das erste von einer ganzen Reihe, die von der Staffelleitung angesetzt sind, ist kein Turnier, sondern ein Spiel über 2 x 40 Minuten zwischen zwei 15er-Piraten-Teams, denn wegen der zahlreichen Spiele in den anderen Ligen sind nur knapp 45 Spieler gekommen. Neckarsulm, in Spielgemeinschaft mit Stuttgart und Uni Heidelberg, und Tübingen, zusammen mit Karlsruhe/Bühl, bilden jeweils den Kern der beiden Mannschaften.
Der erfahrene Heinrich Mödinger aus Neckarsulm pfeift die erste Halbzeit, der etablierte Schiedsrichter Chatel aus Stuttgart die zweite. Und das ist gut so, denn auf dem Platz tummeln sich etwa 20 Anfänger, großenteils hoch- bis übermotiviert, aber leider mit Regelkenntnissen, die als Basiswissen nicht immer ausreichen. In souveräner Missachtung der Abseits- und Ruck-Regeln wird agiert, das Tiefhalten hat mitunter eher Kampfsport-Charakter, und jeder Spieler, der den Ball bekommt, will zunächst mal mit dem Kopf durch die Wand. Tübingen & Cie liegt bei Halbzeit mit zwei gelegten Versuchen in Front; die andere Mannschaft muss sich erst mal kennenlernen.
Die beiden Schiris funktionieren pädagogischerweise das Spiel zu einem Regelkunde-Schnellkurs um, und tatsächlich; nach dem Seitenwechsel sieht das Ganze deutlich nach Rugby aus: der Ballträger fühlt sich für den Ball verantwortlich, der Rest der Mannschaft für den Ballträger. Chatel lässt daher kurzerhand mal alle Pädagogik beiseite und macht Ernst mit der Regelauslegung, verteilt Straf- und Freitritte, und die Spieler bemühen sich nach Kräften, die gleichen Fehler nicht zweimal zu machen. Heilbronn & Cie holt auf, und hätte nicht ein Tübinger Routinier einen Pass herausgefangen und zum Versuch verwertet, wäre das Spiel Unentschieden ausgegangen.
Ein bisschen leidet das Match gegen Ende darunter, dass in beiden Mannschaften fröhlich durchgewechselt wird und beispielsweise auf einmal zwei 1.-Reihe-Stürmer Innen spielen dürfen und diese Position in ganz revolutionärer Weise neu interpretieren. Da zudem andere Spieler auf ihren Stammpositionen eher solistisch wirken, geht das Spielniveau gegen Ende dann wieder in sanften Gleitflug über. Aber: Jeder weiß inwischen, was Abseits ist, und auch, was man im Ruck lieber nicht tun sollte. Und: der Spielspaß ist auch unübersehbar. Und für beides, bessere Regelkenntnis und mehr Spielspaß, ist die Verbandsliga ja schließlich da.
Einige Akteure kommen mir allerdings noch recht jung vor; ich kann mir nicht verkneifen, in diesem Punkt mahnend das Fingerchen zu heben. Man sollte die gute Tradition aufrecht erhalten, in der VL einen U17-Spielbetrieb durchzuführen, bei dem Vereine auch einzelne Jugendspielern unter 17 Jahren Spielmöglichkeiten gegen Altersgenossen bieten können.
Ovale Güße von meiner Wolke!
Heinz Albers
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