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ENC 2A: Niederlande siegreich gegen Kroatien
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Geschrieben von Jan Tölva   
Dienstag, 23. April 2013

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Wie in so vielen Ländern Europas, ist Rugby auch in Kroatien eher eine Randsportart, die was den Zuspruch von Zuschauern und Sponsoren angeht, nicht wirklich mit Fußball, Handball oder Basketball mithalten kann. Innerhalb des Mikrokosmos des ehemaligen Jugoslawiens jedoch war und ist Kroatien die klare Nummer Eins. Die Teams aus Kroatien – allen voran RK Zagreb und RK Nada aus Split – sind eindeutig die stärksten der Region, und auch im Ranking des IRB liegt Kroatien weit vor Serbien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina. Dennoch spielt das Team des kroatischen Verbandes im European-Nations-Cup in der Division 2A, also eine Ebene unter dem deutschen Team.

Dieser frühlingshafte Tag in Zagreb scheint jedoch eigentlich zu schön für derart ernsthafte Dinge. Das Wetter lädt eigentlich viel eher dazu ein, ins Grüne zu fahren und Fünfe gerade sein zu lassen. Wahrscheinlich hat aber auch das Wetter und nicht nur die gute Werbearbeit des kroatischen Verbandes dazu beigetragen, dass an diesem Samstagnachmittag erstaunlich viele Menschen ihren Weg in den westlich der Innenstadt gelegenen Stadtteil Rudeš und das dortige Stadion gefunden haben, um das Spiel Kroatiens gegen die Niederlande zu sehen.

Für die Gäste geht es dabei in ihrem letzten Gruppenspiel um alles oder nichts. Mit einem Sieg können sie noch an den in ihrer Gruppe führenden Schweizern vorbeiziehen und sich so für die KO-Runde qualifizieren. Gewinnen sie nicht, war es das mit dem Traum von der Weltmeisterschaft. Rein rechnerisch haben auch die Kroaten, die bislang ein Spiel weniger absolviert haben und noch beim gruppenletzten und bislang punktlosen Litauen ranmüssen, die Chance auf den Gruppensieg. Bei der knappen 20:29-Niederlage in der Schweiz im vergangenen November jedenfalls hat das Team gezeigt, das mit ihm durchaus zu rechnen ist.

Das Publikum im Stadion Rudeš, in dem normalerweise der Fußballzweitligist NK Rudeš seine Heimspiele austrägt und das direkt neben dem Platz und dem Klubhaus des RK Zagreb liegt, dürfte jedoch nur zum Teil über Lage in der Tabelle Bescheid wissen. Zwar deuten die zahlreichen Trikots und T-Shirts verschiedener Nationalmannschaften sowie einheimischer und europäischer Rugbyteams darauf hin, dass ein Gutteil des Publikums durchaus sein Herz an den Rugbysport verloren hat. Ein Stück weit hat das Spiel aber auch den Charakter einer Rugby-Werbeveranstaltung, die bis dato noch nicht Rugbyverrückte für den Sport begeistern soll, was dazu führt, dass ein Teil des Publikums bizarrerweise auch dann jubelt, wenn ihr Team die Chance zur Conversion vergibt oder beim Scrum die Niederländer ausbuht – was weder sportlich irgendeinen Sinn ergibt, noch dem Geiste des Spiel so recht entsprechen mag.

Doch egal ob im Rugby bewandert oder nicht – das Publikum bekommt einiges geboten an diesem Samstag in Zagreb, und damit ist nicht nur was wunderschöne Panorama aus grünen Hügeln, realsozialistischer Plattenarchitektur und pittoresken Neubauten gemeint. Auch das Spiel unter der guten Leitung des polnischen Schiedsrichters Marcin Zeszutek hat eine Menge zu bieten.

Zunächst haben die Niederlande dabei klar die Oberhand. Nachdem sich beide Teams zunächst rund zehn Minuten mehr oder minder neutralisieren, geht das Team von Trainer Alex Chang mit drei Versuchen und zwei Conversions innerhalb von zwanzig Minuten schnell mit 19:0 in Führung. Der erste der drei kommt bezeichnenderweise durch einen Fehler der Kroaten zustande, die in der Vorwärtsbewegung und in der Hälfte der Niederländer den Ball verlieren und hilflos mitansehen müssen, wie Fullback Baart Viguurs vom RC The Dukes aus Den Bosch, den Ball ergattert und über mehr als das halbe Feld allen davon läuft, um am Ende den Ball direkt zwischen die Pfosten zu legen und danach auch noch gleich als etatmäßiger Kicker für die nächsten zwei Punkte zu sorgen.

Kurz vor der Pause jedoch geht ein Ruck durch das Stadion und auch durch das kroatische Team. Als hätte das Publikum beschlossen, dass der Rückstand jetzt groß genug sei, beginnt es sein Team mit „Hrvatska“-Rufen anzufeuern und jede gelungene Aktion der kroatischen Spieler frenetisch zu bejubeln. Ob es an den Rufen des Publikums liegt, lässt sich natürlich nur vermuten, doch tatsächlich findet das kroatische Team zurück ins Spiel und erzielt durch einen Versuch von Pasko Ivancic nach einem schönen weiten Pass auf linksaußen in der 38. Minute die ersten fünf Punkte. Kurz darauf schickt der Schiedsrichter die Spieler zum Pausentee in die Kabine.

Nach dem Seitenwechsel wirken die Akteure auf dem Feld wie ausgewechselt. Plötzlich ist es Kroatien, das dominierte. Während den Niederländern lange mit Ausnahme eines Strafkicks überhaupt nichts gelingt, drehen die Kroaten richtig auf, und so steht es nach einem Strafversuch und einem Versuch innerhalb von sechs Minuten nur mehr 17:22. Triebfeder der kroatischen Offensive ist dabei ein ums andere Mal der aus Neuseeland stammende Outside-Centre Caleb Brown, der ein herausragendes Spiel macht. Aber auch Fly Half und Kicker Jai Ayoub, der auch schon für das libanesische Nationalteam seine Schuhe geschnürt hat, zeigt sich in Topform.

Danach jedoch gelingt es den Niederländern sich zu stabilisieren, und für die nächste Viertelstunde lässt keines der beiden Teams viel zu. In der 72. Minute ist es es dann ein völlig missglücktes Line Out der Kroaten, dass die Niederländer nahe der gegnerischen 22-m-Linie in Ballbesitz bringt, und es bleibt der Nummer 8 Caine Elisara – neben Storm Carroll heute einer der Stärksten bei den Niederlanden – vorbehalten den Versuch zu legen, nachdem sein Team die Kroaten mit aller Wucht in Richtung Linie gedrängt hat. Zwar gelingt es Kroatien kurz vor Schluss durch einen Versuch von Ivan Miljak vom RK Nada und die anschließende Conversion durch Ayoub noch einmal auf 24:29 heranzukommen, doch dabei bleibt es dann auch.

Die Niederlande – genauso übrigens wie zeitgleich Kroatiens Nachbarland Slowenien – haben sich damit als zweites Team nach Israel für die KO-Runde qualifiziert, doch auch die Kroaten sollten die Köpfe nicht hängen lassen. Zwar ist ihre Reise nach England vorzeitig vorbei, doch dürfte das mitreißende Spiel an diesem Nachmittag viele Menschen nachhaltig für den Rugbysport begeistert haben – und das ist im Zweifelsfall ein beinahe ebenso großer Erfolg.

 

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jan tölva - freier journalist und autor . berlin
jntlv.wordpress.com


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