Der SC Neuenheim muss irgendwie den HRK-Sturm stoppen, um die Minimalchance auf ein Weiterkommen zu nutzen - (c) Miriam May
Was war das für eine wahnwitzige Bundesliga-Saison. Erst die Zerstücklung des Spielplans mitten in der Spielzeit, um den vermeintlichen Anforderungen des olympischen 7er-Rugbys gerecht werden zu können. Danach das große Chaos mit zahlreichen Englischen Wochen, Spielausfällen, Spielabsagen, Spielverlegungen – sogar das Finale musste aufgrund der Terminenge geschoben werden – und juristischen Streitereien. Doch ab dem kommenden Samstag geht es zwischen den verbliebenen vier Bundesligamannschaften (fast) nur noch um das eine und zwar darum, dem begehrten Bronzeball einen entscheidenden Schritt näher zu kommen. Wir verraten Euch wem das gelingt!
SC Frankfurt 1880 – TV Pforzheim Samstag, 28. April 14:00 Uhr – Feldgerichtsstraße
Der rasante Aufstieg des TV Pforzheim vom Rugby-Regionalligisten zum Bundesliga-Titelkandidaten erinnert etwas an den Durchmarsch des SC Frankfurt 1880 in den Jahren 2005, 2006 und 2007, als die Hessen ihrerseits aus der dritthöchsten Deutschen Spielklasse bis ins Meisterschafts-Finale durchgestartet waren. Ganz ähnlich auch die Kaderzusammensetzung der beiden Halbfinal-Kontrahenten, das Spiel beider Mannschaften geprägt von ausländischen Gastarbeiten auf dem Spielfeld und der Trainerbank.
Doch da hören die Gemeinsamkeiten zwischen den Titelkandidaten, zumindest wenn es nach Frankfurts mächtigen Manager Dr. Ulrich Byszio geht, aber auch schon auf: „Der Unterschied [zwischen dem TVP und dem SC80] ist, dass der 80 bereits in der 3. Liga mit der Jugendarbeit mit dem gleichen Engagement begonnen hat, wie man auch in der ersten Mannschaft agiert hat. Schlussendlich hat das dazu geführt, dass wir heute der Verein mit den meisten Jugendlichen in Deutschland sein dürften“.
Ein Umstand den man in Pforzheim natürlich etwas anders bewertet. „Wir denken, dass kaum ein Verein in Deutschland mehr Schularbeit macht als wir, auch wenn wir natürlich nicht zufrieden sind, dass so wenige Schüler und Jugendliche den Weg in den Verein gefunden haben. Daher haben wir zum Schuljahr 2011/2012 gemeinsam mit dem Sportkreis Pforzheim, in Person von Udo Schwarz einen ersten hauptamtlichen Schulkoordinator eingestellt, der sich ausschließlich um die Verbreitung von Rugby an den Schulen in Pforzheim und dem Enzkreis kümmert“, lobt Pforzheims Manager Jens Poff die eigenen Aktivitäten.
Ein Lob dem sich die DRV-Gerichtsbarkeit nicht anschließen mochte. Diese hatte der Pforzheimer Jugendarbeit schon im September 2011 das Prädikat „mangelhaft“ verpasst und die Nordschwarzwälder dafür vor Wochenfrist mit einem 2-Punktabzug gerüffelt. Dieser hatte zur Folge, dass die Grün-Weißen mit den 80ern die Tabellenplätze tauschten und auch das wertvolle Halbfinal-Heimrecht von der Enz an den Main wechselte. Ein Umstand der dazu führt, dass die Rhinos am Samstag in der Mainmetropole nur unter Protest antreten und wie die Pforzheimer Zeitung berichtet sogar darüber nachdenken Schadensersatzansprüche gegen den Deutschen Rugby-Verband geltend zu machen.
All’ dem politischen Geplänkel zum trotz erwartet den Rugbyfan am Samstag an der Feldgerichtsstraße ein hochattraktives Rugbyspiel. „Bei uns sind bis auf Alexander Hauck [beim TV Pforzheim rechnet man trotzdem mit einem Einsatz des Nationalspielers] alle Mann an Bord“, so Byszio, der die Frage auf die Zielsetzung in diesem Kräftemessen ohne Umschweife beantwortet: „Wir wollen ganz klar und eindeutig einen Sieg. Die bessere Defensive wird das Endspiel erreichen“, nimmt der Goldhändler seine Rugbyprofis in die Pflicht. Das dies aber kein Selbstläufer wird, ist auch dem Frankfurter Mäzen klar: „Pforzheim will uns bestimmt eine Rechnung für die Verlegung des Halbfinales präsentieren. Man wird sehen, ob der 80 genug Herz entgegen zu setzen hat. Wir alle hoffen es“. Gefragt nach den Pforzheimer Stärken antwortet der 47-jährige Ex-Nationalspieler: „Die Hintermannschaft ist sehr schnell und wendig, mit Russel Kupa haben sie außerdem einen sehr guten Kicker, der ja durch seine guten Kicks bereits eine Meisterschaft für 80 gewonnen hat“. Allerdings sieht Byszio auch Schwächen beim Halbfinal-Gegner: „Es fehlt an Endspielerfahrung und körperlich sind sie vielleicht nicht ganz so robust“.
Auch der TV Pforzheim, der für seine Fans eigens eine ganze Busflotte reserviert hat, kommt beinah in Bestbesetzung an den Main. Lediglich Prop Sam Anderson-Heather fehlt aufgrund einer Mandelentzündung. „Natürlich wollen wir gewinnen. Wir haben nicht umsonst die ganze Saison über so hart gearbeitet, um dann in ein Halbfinalspiel zu gehen und es herzuschenken. Wir haben uns seit der Bekanntgabe des Punktabzugs psychisch auf ein Spiel in Frankfurt eingestellt und sind daher noch motivierter“, berichtet TVP-Pressesprecher Uwe Herrmann, der am Samstag auch wieder selbst die Stiefel schnüren wird. Freilich hat man dennoch gehörigen Respekt vor dem amtierenden Vizemeister. „Die schnellen Richtungswechsel im Angriff, das machen die Frankfurter schon klasse und auch das Unterstützungsspiel ist sehr gut“, lobt Herrmann. „Vom Hinspiel wissen wir, dass man die 80er auch in den Griff bekommen kann, wir müssen sie einfach nur früh stören und unter Druck setzen, damit sie ihr Angriffsspiel gar nicht erst entfalten können“, weiß der Zweite-Reihe-Stürmer.
Head-to-Head: Auf dem Spielfeld gibt es einige Duelle zum Zunge schnalzen. Für uns findet das entscheidende Kräftemessen jedoch Abseits des Rasens statt. Ulrich Byszio und Jens Poff haben ihre Vereine beinah aus dem Nichts zu großen Playern im Deutschen Rugby aufgebaut, indem sie ihre Teams Stück für Stück, teilweise unter großem finanziellen Einsatz, durch den Einkauf von ausländischen Spitzenspielern herauspoliert haben. Doch in einem K.O.-Spiel zählen nicht nur technische Finessen und taktische Fähigkeiten, sondern es entscheidet in erster Linie der Kampf. Es gewinnt die Mannschaft, der es gelingt sich besser mit dem Wappen auf ihrer Brust zu identifizieren und hier sind in erster Linie die Manager gefragt!
TotalRugby Prognose: Uli Byszio tippt auf einen 3-Punkt-Sieg seiner Frankfurter. Pforzheims Pressesprecher Uwe Herrmann sieht seine Rhinos mit 5 Punkten vorne. Im Hinspiel gewannen die Pforzheimer mit 27:17. Das Rückspiel ging mit 49:17 deutlich an den SC Frankfurt 1880. Die Rhinos aus dem Nordschwarzwald haben den etwas breiteren Kader, als die 80er, allerdings haben die Rot-Schwarzen den Heimvorteil und den deutlich stärkeren Sturm. Diese beiden Faktoren werden die Partie schlussendlich entscheiden. Wir sehen den SC 80 mit 12 Punkten vorne.
Wir werden von beiden Halbfinal-Spielen per Video-Stream mit LiveTicker berichten! Wer uns dabei unterstützen möchte, sollte sich nicht scheuen uns mit einer Spende zu unterstützen. Wir sind auf Eure Hilfe angewiesen! Bank- und Paypal-Verbindung findet ihr hier.
Heidelberger RK – SC Neuenheim Samstag, 28. April 18:00 Uhr – Heidelberger RK
Der Heidelberger RK erhielt vom Deutschen Rugby-Verband den Zuschlag für die Ausrichtung des Meisterschafts-Endspiels, weil die Verbands-Oberen, genau wie der Großteil der selbsterklärten Rugby-Experten es sich nicht vorstellen kann, dass der Triple Champion über den Sportclub Neuenheim stolpert. 17 Siege in 18 Spielen. Nicht eine einzige Heim-Niederlage. Ein mit Profis gespickter Kader und die Erfahrung von zwei Meisterschaften in Folge, betrachtet man es logisch, dann kann diese Partie nur einen Sieger kennen. Zumal der Sportclub Neuenheim mit dem Erreichen des Halbfinal-Spieles ja das selbstgesteckte Saisonziel bereits erreicht hat.
Beim Klub zeigt man sich allerdings trotzdem gewarnt. „Wir werden den SCN nicht unterschätzen, die können jederzeit über sich hinaus wachsen“, so HRK-Manager Alexander Wiedemann vor der Partie. „Die SCN Hintermannschaft zählt zu den stärksten in Deutschland“, warnt auch Nationalspieler Steffen Liebig, der „ein typisches enges Finalspiel“, erwartet, „indem dem die Mannschaft die Nase vorne hat, die ihre Chancen besser nutzt“. Personell können die Gastgeber aus den Vollen schöpfen. Bis auf die Langzeitverletzten sind alle Mann an Bord. Auch Schlussspieler Luke Muggeridge den zuletzt muskuläre Probleme plagten, kann mitwirken. Doch trotz dem Respekt vor dem kommenden Gegner ist das Ziel beim Klub natürlich klar. „Wir richten das Finale aus und wollen auch teilnehmen“, sagt Wiedemann. Dafür wurde in den letzten Wochen enorm hart gearbeitet, besonders auf Neuenheims Supersprinter Manasah Sita hat man sich vorbereitet. „Der SCN kann unheimlich schnell von Verteidigung auf Angriff umschalten und hat mit Manasah Sita einen brandgefährlichen Mann auf der Außenbahn, da müssen wir besonders aufmerksam verteidigen“, warnt der Wiedemann seine Truppe.
Für Neuenheims Übungsleiter Mark Kuhlmann könnte es am Samstag schon ein Abschiedsspiel sein. Der 42-jährige hat angekündigt seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen, doch natürlich würde der ehrgeizige Hannoveraner, der vor der Saison das Ziel ausgegeben hat, einmal einen der Großen zu schlagen, sich lieber mit einem Endspielsieg von den Königsblauen verabschieden. „Ich brauche hier nicht betonen, dass wir die Rolle des Davids gegen einen übermächtigen Goliath haben. Der HRK hat sehr viele Stärken und leider nur sehr wenige beziehungsweise gar keine wirklichen Schwächen. Gerade deshalb haben wir in diesem Spiel nichts zu verlieren und werden alles versuchen, um die Partie irgendwie zu unseren Gunsten zu entscheiden“, so der Gästecoach. Vom letzten Auswärtsspiel beim RK 03 Berlin haben die Blauen außerdem ein paar angeschlagene Spieler mitgebracht. Die Stürmer Stelio Da Fonseca, Oscar Merinho, Michael Wiegandt und Björn Strauch, Armon Trick und Pascal Drügemöller haben genauso wie Eckdreiviertel Gardner Nechironga kleinere Blessuren davongetragen. Im Gegensatz zu Flanker Shalva Didebashvili, der sich eine Absplitterung der Kniescheibe zugezogen hat, werden die oben Aufgezählten am Samstag aber sicherlich auflaufen können und selbst bei Didebashvili sollte eine ur-plötzliche Wiederauferstehung zum jetzigen Zeitpunkt nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Head-to-Head: Neuenheims Rückraum ist mit Manasah Sita, Gardner Nechironga und Sam Harris außerordentlich stark besetzt, noch etwas stärker sogar als die „Back Three“ der Gastgeber, die sich in erster Linie dadurch auszeichnen eine relativ geringe Fehlerquote zu haben. Doch damit der Sportclub seine schnellen Männer in Szene setzen kann, brauchen die Königsblauen Bälle und die bekommen sie nur, wenn es gelingt die HRK-Flanker Kehoma Brenner und Tim Kasten aus dem Spiel zu nehmen. Eine schwere – vielleicht zu schwere Aufgabe – für Adam Taylor & Co?
TotalRugby Prognose: Das an einem guten Tag durchaus was drin ist hat der SC Neuenheim bei der 32:33 Hinspielniederlage unter Beweis gestellt. Beim Rückspiel allerdings war dann gar nichts zu holen und es setzte eine deutliche 34:3-Schlappe. Wenn die Blauen einen frühen Rückstand verhindern können, sie im Sturm gut dagegen halten und die Puste reicht, kann es allen Unkenrufen zum trotz eine hochspannende Partie werden. Wir glauben daran, dass das Halbfinale beim SCN Extra-Kräfte freisetzt und es daher spannender wird als die meisten vermuten, am Ende setzt sich freilich die überlegene Physis und stärkere Auswechselbank der Platzherren durch. Es wird ein unterhaltsames Spiel mit einem 16 Punkte Vorsprung für den Heidelberger RK.
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