Das Verbandsligaturnier in Karlsruhe war ein voller Erfolg - (c) Greulich
Eigentlich wollte ich diesmal einen gnadenlos objektiven Bericht mit punktgenauen Spielergebnissen und Platzierungen schreiben, aber als gegen 16h ein Wolkenbruch auf das Karlsruher Spielgelände niedergeht, verliere ich, während ich mich unter der seitlichen Zeltwand hindurch in den dicht gefüllten Zeltunterstand rette, den einzigen existierenden Spielpaln mit den Ergebnissen. Der verschwindet irgendwo im weichen Boden, und jetzt muss ich den Ablauf mühsam rekonstruieren, subjektiv formulieren und objektiv überhöhen.
Dabei ist das 8. Turnier in mancher Hinsicht bemerkenswert. 11 Standorte (St.Blasien, Lörrach, Freiburg, Bühl, Karlsruhe, RGH, Uni Heidelberg, Uni Tübingen, Stuttgart, Heilbronn) haben bei den Herren gemeldet, dazu sind 5 Jugendmannschaften aus Stuttgart, St.Blasien, Karlsruhe, Heilbronn und Worms gekommen. Gottseidank hat Micha 'Jackson' ein zweites Spielfeld organisiert, und das hilft uns, im Eiltempo einen vernünftigen Spielplan nach der Mannschaftsbesprechung zu erstellen. Eben den Spielplan, der jetzt unter der Grasnarbe endet.
Ich mache aus der Not des großen Andrangs eine Tugend, lasse einige Spielgemeinschaften bilden und 12er statt 10er spielen; wir hätten an dem Tag auch 15er-Teams spielen lassen können. Bei den Herren sehe ich meinen alten Verein, das Drittligateam der RGH, als Favoriten und bilde zwei Vorgruppen unterschiedlicher Spielstärke, damit die Heidelberger wenigstens ansatzweise auf Widerstand treffen.
Bei der Jugend überlasse ich es den Betreuern, den 15er Spielbetrieb in den 5 eingeschobenen U17-Blöcken zu organisieren. Die kooperieren auch ganz gut, z.T. in Spielgemeinschaften, aber St.Blasien kann als eigene Mannschaft auch mal gegen den Rest der Welt spielen. Ansonsten wird um das Kern-Team eines Vereins (Heilbronn, Karlsruhe, Stuttgart und Worms haben jeweils etwa 10 Spieler) mit Poolspielern eine Mannschaft aufgebaut. Auf den letzten Turnieren dieser Spielzeit kann man wohl reine Vereinsteams spielen lassen, auch damit die Standorte testen können, ob es für eine Teilnahme an der Jugendrunde des RBW spielerisch und zahlenmäßig langt.
Bei den Herren hat sich Lörrach aufs erste VL-Turnier getraut, unterstützt von den Freiburgern, deren Häuptling Manuel Meiborg an dieser Stelle herzlich gedankt sein soll, denn er hat im Hintergrund die Fäden gezogen. Die Lörracher schlagen sich wacker, gewinnen auch zwei Spiele, sind aber am Ende so platt, dass sie auf das Endrundenspiel verzichten. Die Stammgäste der VL-Turniere zeigen ausgeglichene ansehnliche Spiele, wobei die Begegnung Freiburg gegen Tübingen an Einsatz und Dramatik alles zu bieten hat, was Rugby attraktiv macht.
Weiter erfreulich für mich der Auftritt von St.Blasien; die Schulmannschaft hat sich offensichtlich stabilisiert. Der Cheforganissator Thilo Chillon hat die Häuptlingsfunktion offensichtlich von seinem Bruder übernommen; die sportliche Leitung hat ein am Ort ansässiger Australier, der selbst mitspielt. Die Jungs starten diesmal in der Vorgruppe der schwächeren Mannschaften.
Die Spielgemeinschaft Stuttgart/Heilbronn findet in der Vorgruppe der Etablierten erst spät zu einem gemeinsamen spielerischen Nenner, obwohl mit Stuttgarts Bachhofer ein ausgesprochener Brecher mitspielt. Karlsruhe schont seine erste Garnitur für die Regionalliga, hat aber trotzdem 20 Mann auf dem Platz. Freiburg wirkt noch etwas geschwächt von einer langen Nacht - sie haben ihre Damen an diesem Wochende als Schlachtenbummler begleitet und in Karlsruhe genächtigt bzw. durchgemacht. Die Uni Heidelberg ist eine interessante Mischung aus Anfängern und erfahrenen Studierenden aus Heidelberger Vereinen, darunter einer, und damit schließt sich ein Kreis, der über die Schulmannschaft von St.Blasien zum Rugby gekommen ist.
Wiederesehen habe ich auch den Betreuer der RGH-Mannschaft, den Werle Schorsch. Wenn ich ihn beim Coachen seiner Jungs beobachte, erinnere ich mich an meine Zeit als RGH-Jugendwart, als ich, es könnte 1969 gewesen sein, in der Grundschule von Heidelberg-Wieblingen eine Schulrugby-Aktion machte - ja, so fortschrittlich waren wir damals schon! - und eine Turnstunde lang eine Klasse ins Rugby einführte. Der Schorsch war damals ein groß gewachsener Junge, dessen Rugby-Talent mit gleich auffiel. Auffallend war aber auch Georgs ungarisches Temperament: als ich ihn ermahnte, mannschaftsdienlich zu spielen, zog er sich gestenreich schmollend auf die Kante der Schulbühne zurück und nahm zehn Minuten Auszeit.
Seine Mannschaft gefällt mir als ihrem Quasi-Rugby-Großvater im Turnierverlauf immer mehr. Anfangs habe ich Bedenken, ob Bundesliga-Spieler wie Ueberle oder Ahl die nötige Empathie für den Verbandsliga-Level aufbringen, doch spielen die Schwarz-Orangenen diese Bedenken weg, und ich fühle mich in meiner Auffassung bestätigt, dass Fortschritt im Rugby der Provinz nur mit und gegen Heidelberg möglich ist. Den Unterschied macht in diesem Fall die Rugby-Kultur, die naturgemäß nur entstehen kann, wenn mehrer Generationen einen Standort prägen. Das haben fast alle Vereine der Verbandsliga noch vor sich, aber sie arbeiten daran, und sie machen Fortschritte: mit jeder Generation von Rugby kennenlernden Kids wächst diese Rugby-Kultur ein bisschen.
Dann kommt der große Regen mit Donner und Blitz, mitten in das letzte Jugendspiel. Alles flüchtet triefnass in das Catering-Zelt der Karlsruher, das sich bei einer Grundfläche von 4 auf 10 Meter bald mit 120 Leuten füllt. Diese Gelegenheit nutze ich, einen Verzicht auf die Endrundenspiele in die Debatte zu werfen. Die Jungs wollen aber nur eins: spielen, und so schicke ich, nachdem der Aprilhimmel wieder klar ist, die Teams in die drei Endrundenspiele, die auf tiefem Geläuf und gutem Niveau abgehen. Im Endspiel liegt 10 Minuten lang eine Sensation in der Luft, als Uni Heidelberg, verstärkt durch einige Heilbronner Spieler, die RGH in einen Zwei-Versuche-Rückstand schickt. Die RGH fängt sich jedoch wieder und gewinnt das Spiel gegen die konditionell am Rand operierenden Studenten doch noch und wird Turniersieger.
Bei der Siegerehrung gebe ich der Hoffnung Ausdruck, sowohl Turniersieger als auch Newcomer bei den nächsten Turnieren wieder zu sehen, denn profitieren werden davon beide Seiten. Die Verbandsliga-Turniere werden in einer terminlich grandios fehlgeplanten Spielzeit Spielpraxis in der schönsten Jahreszeit geben.
Und ich versuche, aus meiner Erinnerung einen Turnier-Endstand zu rekonstruieren (ohne Gewähr!): 1. RGH 2. Uni Heidelberg 3. Uni Tübingen 4. Freiburg 5. Karlsruhe/Bühl 6. St.Blasien 7. Heilbronn/Stuttgart 8. Lörrach/Freiburg
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