Spielerinnen wie Svetlana Hess haben das Potential, ganz nach oben zu kommen. Was nun dringend entwickelt werden muss, ist ein Förderprogramm, damit auch deutsche Spielerinnen an den weltbesten Wettkämpfen teilnehmen können. Foto: Miriam May
Der international Rugby Board (iRB) hat in der vergangenen Woche den "Women´s Rugby Plan 2011-2016" auf seiner Website veröffentlicht. Den interessierten Mitgliedsländern wurde das Programm bereits im vergangenen November vorgestellt.
Der 50 Seiten umfangreiche Bericht ist der zweite, offizielle iRB Fünf-Jahresplan zur Entwicklung des Frauenrugby. Vorab erfolgt eine Aufzählung der bisherigen, positiven Zwischenergebnisse: Weltweit gibt es zwischenzeitlich 200.000 lizenzierte Spielerinnen (Mädchen und Frauen), das bedeutet einen 33-prozentigen Zuwachs seit 2006. Darüber hinaus wird Rugby in 110 der 117 iRB-Mitgliedsländern auch von Frauen betrieben, das war eines der zu erreichenden Ziele des letzten iRB-Entwicklungsplanes.
Der neue Plan geht nun einen Schritt weiter, ist wesentlich ambitionierter und fokussiert sich weniger auf interne administrative Strategien, sondern konzentriert sich auf quantitativ bestimmbare Ziele, damit die Olympischen Spiele 2016 in Rio zu einem Erfolg werden können.
Das anvisierte Ziel ist, die Anzahl an lizenzierten Spielerinnen bis 2016 zu verdoppeln. Hierfür wird als "weltweites Schaufenster für das Frauenrugby" das 7er-Rugby als vorrangige Strategie zur Erreichung bestimmt. "Es ist zwingend erforderlich, dass die Ressourcen und Investitionen auf den Hochleistungsbereich 7er-Rugby der Frauen gerichtet werden, damit das Produkt 7er-Rugby bei den Olympischen Spielen höchst mögliche Qualität hat." heißt es in dem Bericht. Das Ziel für das 15er Rugby lautet, das bereits erreichte Niveau zu halten bzw. zu bestätigen. Das soll durch die kontinuierliche Förderung der Frauenrugby-Weltmeisterschaft geschehen.
Neben der Förderung von Spielerinnen werden weitere 18 Ziele und Messgrößen, wie zum Beispiel das Einbeziehen von Frauenrugby in die iRB-Aus- und Weiterbildungskurse formuliert (auch wenn es etwas verwunderlich ist, dass dies explizit erwähnt werden muss):
- Verdoppelung der Anzahl lizenzierter Spielerinnen (Mädchen und Frauen) bis 2016 auf 400.000
- Alle iRB-Mitgliedsverbände müssen bis 2015 ein Frauenförderprogramm vorweisen und umsetzen
- Offizieller, internationaler 15er Wettkampfkalender ab 2012
- iRB 7er-Rugbyserie für Frauen ab 2013 (mit mindestens 12 Kernmannschaften, die teilnehmen und mindestens vier Turnieren)
- Nachwuchs-7er-Turniere in allen Regionen sowie eine 7er-Jugendolympiade 2014
- Bis 2014 Entwicklung einer Strategie zur Realisierung: Frauenrugby als wachstumsfähiges Produkt
- Zunehmende Übertragungen von Frauenrugbyspielen; Fernsehen und neue Medien eingeschlossen
- Offizielles, weltweites iRB Ranking ab 2012 (für 15er und 7er Rugby)
- Drastische Erhöhung der Anzahl von Frauen in Führungspositionen innerhalb der Verbände und des iRB
Außerhalb der Mehrsportveranstaltungen sollen Frauenrugbywettkämpfe feste Bestandteile der großen Rugbyevents werden. Events wie der Nations Cup könnten als Schlüssel zum Erfolg für die Bildung einer Rugby-Elite dienen. Weiterhin müssen dem Beispiel der U-20-Meisterschaften zwischen England, USA und Kanada folgend Turniere installiert werden, die als Vorstufe für die großen Turniere dienen. Damit wird dann allen Top-Nachwuchsmannschaften die Möglichkeit geboten, sich in weltweit stattfindenden Wettkampfformen zu messen und dem steigenden Bedarf nach altersgemäßen Wettkämpfe Rechnung getragen werden.
Das Programm hat es in sich, denn mehrfach wird darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft im iRB und damit eine Förderung durch den iRB künftig auch davon abhängt, ob und in welcher Form die einzelnen Verbände ihre Frauenprogramme installieren und umsetzen. In dem Papier gibt es zahlreiche Ideen und Vorschläge für die weitere Förderung und Entwickung des Frauenrugby. Werbe- und Marketingstrategien, die aufgrund von detaillierten Marktanalysen entwickelt werden, sollen dazu dienen, eventuelle finanzielle Schwierigkeiten zu bewältigen und zu überwinden.
Leider gibt das Dokument keine Hinweise darauf, welche Kosten auf die Verbände zur Umsetzung der Forderungen zukommen. Das derzeitige Investmentvolumen wird auf 5 Millionen Pfund geschätzt, die aus den Budgets einzelner Verbände generiert werden. Ein signifikanter, wenn auch nicht weiter spezifizierter Zuwachs wird erwartet. Aber der Plan sieht vor, dass das Einbinden des Frauenrugby an den Olympischen Spielen und der Sevens World Series sowohl neue Finanzierungskonzepte eröffnen als auch neue Möglichkeiten für Sponsoring schaffen und eine verstärkte Förderung durch die Nationalen Olympischen Komitees ermöglichen wird.
Zurück auf das Spielfeld. Der iRB stellt den Weg zu den Sevens Series und der Olympiaqualifikation vor. Ab nächster Saison werden mindestens vier Turniere in der Sevens Series gespielt werden. An diesen Turnieren nehmen jeweils 12 Mannschaften teil. Auch wenn dies nicht klar kommuniziert wird, so kommt beim Lesen doch heraus, dass die qualifizierten Teams im ersten Jahr noch nach ihren weltweiten Erfolgen gemessen selektiert werden. Aber nach 2013 werden die 12 besten Mannschaften der Weltmeisterschaft teilnehmen und danach sollen jährliche Qualifikationswettkämpfe stattfinden, die über Auf- und Abstieg entscheiden.
Die Hälfte der an den Olympischen Spielen teilnehmenden Mannschaften rekrutieren sich aus den regionalen Meisterschaften 2015, zum Beispiel der Europameisterschaft. Die verbleibenden sechs Mannschaften qualifizieren sich im Rahmen des weltweiten Qualifikationsprozesses. So soll gewährleistet werden, dass nur die besten 12 Mannschaften der Welt am Turnier in Rio um die Medaillen kämpfen. Im schlimmsten Fall bedeutet das, dass es nur die Europameister die Tickets nach Rio einlösen können. Im besten Fall könnten es die besten sieben europäischen Teams nach Brasilien schaffen, das scheint aber ziemlich unwahrscheinlich.
Der Bericht schließt mit dem sogenannten "Wettkampfmodell", einem groben Umriss von 15er Turnieren in den kommenden fünf Jahren - mit einigen Überraschungen: Die vorgeschlagene, jährlich stattfindende Meisterschaft in Asien wäre bereits ein großer Schritt nach vorne, eine jährlich stattfindende karibische Meisterschaft dagegen fehlt komplett in der Planung, das gleiche gilt für Australasien und den Pazifik. Es ist schon auffällig, dass es für die Regionen, die genau die Nationen betreffen, die auf der WM 2010 auf Platz 1 und Platz 3 belegten, nicht einmal ein Trans-Tasmanisches Turnier stattfinden soll.
Insgesamt ist der Bericht ausführlich und detailliert, trotzdem muss vieles zwischen den Zeilen gelesen werden. Der Plan ist gleichzeitig realistisch und ambitioniert. Wenn er erfolgreich umgesetzt werden kann, dann werden die Wettkämpfe 2016 nicht mehr viel mit dem momentanen Spiel zu tun haben. Warten wir es ab.
Hier der Link zum Originaltext (englisch): Women´s Rugby Plan.
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