Bad Köstritz. Ich weiß nicht einmal genau, wo das liegt. Bei Jena oder Gera oder so. Auf jeden Fall irgendwo am Meer. Denn immerhin ist es ja ein Beach-Rugby Turnier.
Die Hinfahrt auf die Schnelle nur in Stichpunkten: Freitag 17:30 Uhr. 35 Mädels und Jungs treffen sich.
10 Kästen Bier sind auch dabei, aber nicht mehr lange. Ein Tour-Captain wird gewählt und wir setzen dem Teufel (oder in unserem Fall: der Teufelin) die Krone auf. Jackie hält von nun an die Zügel in den Händen (wenn sie nicht gerade aus ihrem Plastikpenis trinkt). Eine halbe Stunde nach der Wahl finde ich mich wieder, wie ich in rosa Bikini über einen Parkplatz laufe. Weitere fünf Minuten später finde ich mich wieder, wie ich nackt über einen Parkplatz laufe. Was geht hier vor? Und ich bin noch nicht einmal betrunken.
Wir fahren etwa 1000 Stunden in Schlangenlinie über die Autobahn, weil wir wirklich jede einzelne Raststätte mitnehmen. Deshalb müssen auch die Zelte auch im Dunkeln aufgebaut werden, was sich bei mir dadurch bemerkbar macht, dass alles, was nach Innen gehört, draußen ist und umgekehrt. Macht nichts, steht trotzdem. Danach geht’s auf die Welcome-Party. Alle fühlen sich sehr welcome, besonders am Bierstand. Die Stimmung ist prima, alle tanzen, trinken, feiern. Es könnte uns nicht besser gehen!
Und der Meeresblick ist atemberaubend.
Ich wache am nächsten Tag auf. Samstag. Spieltag. Trotz stark grassierender Katerkrankheit scheinen alle recht motiviert zu sein, was auch so sein muss. Immerhin haben wir als amtierende Vizemeister unsere Ehre zu verteidigen. Letztes Jahr schaffte es der BSV bis ins Finale, wo man sich nur den Rosenkriegern der Romantics geschlagen geben musste. Da ich erst Anfang der letzten Saison vom BRC zum BSV gewechselt bin, passierte das alles allerdings noch ohne meine Beteiligung. Deshalb bin ich auch ziemlich motiviert, was sich aber eindeutig nicht beim Warmmachen bemerkbar macht. Da macht sich eher mein Kater bemerkbar. Lautstark. Es dauert also eine Weile, bis wir uns alle einigermaßen fit sind fürs erste Spiel. Das Wetter spielt eigentlich auch noch mit, zwar nicht übermäßig warm, aber (noch) kein Regen. Auf jeden Fall freuen wir uns, dass es endlich losgeht.
Und ab jetzt würde wohl normalerweise in einem Tourbericht stehen, wie die einzelnen Spiele abliefen, welche Mannschaften sich zu Favoriten mauserten, wie sensationell manche Versuche herausgespielt wurden und so weiter. Nicht in diesem Tourbericht! Denn ich kann eigentlich wirklich nur von etwa 7 Minuten berichten. Unser Eröffnungsspiel gegen die Lokalmannschaft der Eastern Province fing etwas holperig an, wir waren zwar besser, aber nicht gut als Team, fast immer zu eigensinnig. So fielen Versuche auf beiden Seiten. Ich hatte das Glück den allerersten Versuch für den BSV zu legen und in der letzten Aktion der ersten Halbzeit den letzten. Da wusste ich noch nicht, dass es meine einzigen bleiben werden. Denn kurz nach dem Wiederanpfiff stehe ich nach einer Kontaktsituation wieder auf und will mir den störenden Sand von meinem linken Auge wischen. Aber kein Sand, sondern Blut behindert meine Sicht. Verdammt. Ich eile vom Platz und hoffe, dass es nicht so schlimm ist. Tja, denkste. Die Sanitäter meinen sofort, mein Cut müsse im Krankenhaus genäht werden. Na super. Daraufhin verbrachte ich dreieinhalb Stunden damit nach Gera zu fahren, (das zweifelhafte Glück zu haben, eine Nazidemo zu sehen), ewig lang in der Notaufnahme zu warten, in zwei Minuten geflickt zu werden und mich schließlich als böser Teletubbi wiederzufinden. Netterweise wurde mir nämlich ein im höchsten Maße peinlicher Netzturban verpasst. Na danke. So fiel ich wenigstens auf, was in der Tat schwierig war, weil jeder zweite irgendwelche Häschenkostüme, Bikinis, wilde Mottohemden trug. Genauso wie man es auf einem sehr fröhlichen, unbeschwerten Sommer-Beach-Turnier erwartet. Das Meer rauschte im Hintergrund.
Inzwischen sind natürlich schon einige Spiele gelaufen und BRC, HTV und die Franzosen von Saint Savin Sportiv dominieren das Teilnehmerfeld bei den Männern, während bei den Frauen die German Allstars sehr stark spielen. Es wird bei den Männern wie bei den Frauen schnell, hart und manchmal geradezu sensationell aufgespielt. Obwohl ich zugeben muss, dass nicht mehr so ganz ins Turniergeschehen komme. Da ich nicht mehr spielen kann, konzentriere ich mich auf anderes: trinken, in der Sonne relaxen. Die meisten Spiele nehme ich nur noch als Hintergrundunterhaltung wahr. Meine Jungs gewinnen in der Vorrunde zwei Spiele, einmal unentschieden. So werden wir Gruppensieger, was wichtig ist, um nicht auf die haushohen Turnierfavoriten BRC zu treffe. Also heißt es, unser Ligakonkurrent Potsdam wird der Gegner sein. Sie sind nur mit wenigen, aber sehr motivierten Leuten angereist, aber eigentlich müssten wir es packen. Tun wir aber nicht. Meine Jungs verteidigen sehr bescheiden und so kommt es, dass der USV Potsdam mit vier Versuchen führt. Und ich drehe derweil an der Seitenlinie am Rad. Das kann doch nicht wahr sein, wie wir spielen. Obwohl es in den zweiten fünf Minuten etwas besser läuft und wir noch zweimal punkten können, hilft es nicht mehr. Man kann ja verlieren, das ist kein Problem, aber doch nicht so… Grrr. Die anderen konnten sich wenigstens im Freibad Köstritz abkühlen (das Meer war doch etwas zu weit weg), aber auch das fiel ja mit meiner Platzwunde flach.
Mittlerweile sieht man immer mehr bandagierte, bekrückte, sonnenverbrannte Schlachtenbummler, was aber der überall herrschenden entspannten Stimmung kein bisschen schadet. Ich entspanne mich auf dem Zeltplatz, esse bröckelige Kekse und quatsche mich irgendwie fest, weshalb ich die letzten paar Spiele nicht wirklich mitbekomme. Potsdam schlägt sich wacker, aber wird vom BRC niedergerungen, die Franzosen unterliegen dem HTV, so dass es zum erwarteten Erstligafinale kommt, das der BRC trotz roter Karte und darauffolgender Unterzahl klar für sich entscheiden kann. Glückwunsch, Jungs! Natürlich freue ich mich für sie, weil ich bis vor einem Jahr ja auch noch mit ihnen gespielt habe. Bei den Frauen machen die German Allstars alles klar. Und währenddessen fangen die meisten schon wieder an zu trinken oder planschen im Becken. Leider ziehen später nach den Spielen heftige Regenschauer über die Plätze und wir suchen irgendwo Schutz. Aber auch das geht vorüber und wirklich alle sind jetzt in Feierstimmung. Zum Glück konnte ich meinen dämlichen Bandagenturban inzwischen ablegen, weil mein früherer Mannschaftskamerad und angehender Arzt Colin vom BRC klarstellte, dass das Ungetüm nicht wirklich nötig ist. Puh!
Später verpassen vor lauter Feierei die meisten von uns irgendwie die Siegerehrung. Durch unser Punkteverhältnis erreichen wir den fünften Platz. Respektabel, obwohl ich uns schon ganz gerne im Halbfinale gesehen hätte. Unsere BSV-Mädels haben sich auch wacker geschlagen, sind aber leider nicht über die Vorrunde hinausgekommen.
Auf der Abschlussparty spielt dann noch eine Coverband, Alkohol fließt in Strömen, allgemeine Flirtstimmung, Feuerwerk. Alles prima. Ich werde immer betrunkener und habe das Gefühl, so ziemlich allen anderen geht es ähnlich. Wann ich dann schließlich in meinen Schlafsack gekrochen bin, weiß ich nicht mehr. Am Sonntag bleibe ich dann ewig im Zelt und lausche den Geräuschen auf dem Zeltplatz: Jetzt kenne ich mich prima mit verlorenen Schlafsäcken aus. Übrigens traurige Nachrichten: der schlafsacksuchende Megafon-Frankfurter ist nicht mehr fündig geworden. Dafür hat er uns aber die ganze Zeit per Megafon hervorragend entertaint.
Als ich schließlich aus dem Zelt krabbele, sieht der Zeltplatz schon vollkommen verändert aus. Nur noch wenige Zelte stehen und ich muss mich mit dem Abbauen beeilen. Ein paar unserer lustigen Reisegruppe gehen noch schwimmen. Dass ein paar von ihnen mal wieder nackt sind, schockiert mittlerweile kaum noch jemanden.
Dann geht’s wieder zurück in unseren Bus und ab nach Berlin. Die meisten liegen müde und zerschlagen im Bus, aber ein paar Tapfere trinken schon wieder (oder immer noch) und stimmen Rugbylieder an. Nur schleppend kommt unsere Busfeier in die Gänge, kein Wunder, sind doch alle durch Tackles, Schlafmangel, Sonnenbrände und Alkohol erschöpft. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt: Das Wochenende hat jedem wahnsinnig Spaß gemacht, denke ich, auch wenn ich mir natürlich gewünscht hätte, länger als sieben Minuten spielen zu können. (Ganz abgesehen vom weiteren (siebten) blauen Auge, meinem Fluch diese Saison!) Vielen Dank an Bad Köstritz, die Organisatoren, alle anderen Teams und alle, die irgendwie mitgewirkt haben. Danke, danke, danke! Es war klasse. Hoffentlich sehen wir uns alle nächstes Jahr wieder. In Bad Köstritz. Am Meer.
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