So ausgelassen möchten die Russen auch nach ihrer Auftaktpartie gegen den Erzrivalen USA jubeln
Die neuseeländischen Autoritäten haben vor dem Start der Rugbyweltmeisterschaft scheinbar so ziemlich alle Szenarien bedacht. So wurden Barbetreiber angewiesen sichtbar angetrunkenen Rugbyfans keine weiteren alkoholischen Getränke mehr auszuschenken. Darüber hinaus sollen den Konsumenten lediglich geöffnete Bierdosen überreicht werden, um das Risiko schwerwiegender Verletzungen bei missbräuchlicher Verwendung der Bierbehälter zu minimieren. Wer es dennoch nicht lassen kann und seine Bierbehälter als Wurfobjekt missbraucht, soll ohne Gnade von sämtlichen Rugbyveranstaltungen ausgeschlossen werden. Ärger gibt es um die Hotelpreise während der Rugby-Großveranstaltung, so sollen manche Hotelbetreiber das 15-fache der üblichen Preise für eine einfache Übernachtung abrufen. Amie Jane, Ehefrau von All Black Cory, war über diesen Wucher so erbost, dass sie die Aucklands Hotelpreise in einem tweet als „f**** crazy“ bezeichnete. Indes ist zwischen News Ltd und Fairfax Media den zwei größten australischen Newsagenturen ein heftiger Streit entbrannt. Die Presse aus "Down Under" fühlt sich von den strikten Regeln des iRB in ihrer Freiheit zur Berichterstattung eingeschränkt und drohte kurzerhand mit einem Boykott des World Cups. Grund genug für Neuseelands redseligen Premier Key sich auch in die Angelegenheit einzuschalten: „Ich glaube nicht, dass so ein Vorgehen im Interesse von Australien, seinen Rugbyfans, der Medien, oder des iRB sein kann“ so Key. Die Britische Regierung hält ihre Bürger indes zu besonderer Vorsicht im Straßenverkehr an, um Kollisionen mit überquerenden Schafherden zu vermeiden.
Für mächtige Verstimmung im Lager der Australier sorgte Wunderkind James O'Connor, als der 21-jährige Eckdreiviertel die offizielle Vorstellung des WM-Kaders verpasste, weil er stattdessen vorzog sich von den Folgen einer Partynacht zu erholen. Als Reaktion auf diesen jugendlichen Leichtsinn wurde O'Connor von der ARU (Australian Rugby Union) mit einer 1-Spielsperre – diese betraf das entscheidende Tri-Nations-Spiel gegen die All Blacks - sowie mit einer empfindlichen Geldstrafe bedacht.
Das während der Abwesenheit des jüngsten Wallaby, der älteste Spieler im Kader des zweimaligen Weltmeister, als pfeilschneller Vollstrecker einspringen würde hätten vor dem Anpfiff wo die wenigsten Fans vermutet. In seinem ersten Länderspiel von Beginn an, nach einer siebenjährigen Auszeit im Nationaltrikot, gelang dem 35-jährigen Radike Samo nicht nur ein spektakulärer 60 Meter Versuch, sondern der Star der Queensland Reds, stellte auch nach Abpfiff unter Beweis, dass ihn in seinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr allzu viel aus der Ruhe bringt. Zwei Hardchor-Samo-Fans, die sich ihrem Superstar mit Schuhcreme und Afroperücke auch optisch annähern wollten, hatten durch ihre kurze TV-Einblendung just eine Sprecherin der Aborignals auf dem Plan gerufen, die beiden Afroträger Rassismus vorwarf. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Die beiden Jungs haben jedoch lediglich Respekt gezollt. Es war ein bisschen Spaß und ich freue mich darüber einer ihrer Lieblings-Wallabies zu sein. Für mich war die Sache überhaupt kein Thema, ich habe sogar mit Ihnen ein Foto gemacht – ich denke die Reaktionen waren etwas übertrieben“ nimmt der Imitierte seiner selbst ernannten Verteidigerin etwas den Wind aus den Segeln.
Begonnen hatte das beachtliche Comeback des Superafros Übrigens in der vergangenen Saison, als er aus dem Vorruhestand für zwei Spiele in den Kader der Reds aufgenommen wurde, um dort den Verletzten Zweite-Reihe-Stürmer James Horwill zu vertreten. Eben dieser Horwill, wird die Mannen aus Down Under in Neuseeland als Kapitän aufs Spielfeld führen. Der 26-jährige, der in dieser Saison schon die Queensland Reds zu ihrem ersten Super-Rugby-Titel geführt hatte, übernimmt das Amt von Flanker Rocky Elsom, der nach langer Verletzungspause weiterhin nach seiner Höchstform sucht.
Diese Höchstform nicht gefunden hat Spielmacher Matt Gitteau, die Ausbootung des vielseitig einsetzbaren 28-jährigen hatte bei der Bekanntgabe des Kader für jede Menge Gesprächsstoff gesorgt.
Auf Gitteaus angestammter Verbinderposition soll während des World Cups Reds-Playmaker Quade Cooper die Fäden ziehen. Dieser kann sich nach einem Zusammenprall mit Kiwi-Kapitän Richie McCaw allerdings glücklich schätzen, dass er nicht mit einer Sperre für den WM-Auftakt belegt worden ist. Der Kontakt von Coopers Knie mit dem Kopf des weltbesten Rugbyspielers, war nicht das erste Scharmützel der beiden Streithähne. „Ich habe kein Problem mit Richie. Seine Aufgabe ist es uns daran zu hindern schnelle Bälle zu produzieren, mein Job ist es unseren Spielfluss aufrechtzuerhalten – da ist es klar, dass wir uns ab und zu in die Quere kommen“ so der Australier. Geht nach dem Super-Rugby-Titel und Tri-Nations-Sieg auch der William Webb Ellis Cup nach Down Under?
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Die Stimmen aus dem irischen Lager klingen nach vier Testspielniederlagen in Folge schon jetzt wie Durchhalteparolen. „Wir können viel lernen aus diesen Niederlagen, wenn wir die richtigen Lehren ziehen, sieht es nicht so schlecht für uns aus. Es waren enttäuschende vier Wochen, aber wir werden in Neuseeland unsere Leistung abrufen. Wir haben hervorragende Spieler und wir wissen wie gut wir sein können“ versucht Sturmführer Paul O'Connell sich und seinen Mitspielern Mut zu machen.
Neben den Verlust von Weltranglistenplatz sieben an den keltischen Rivalen aus Schottland, müssen die Grünen insbesondere den Ausfall von Dauerbrenner David Wallace verkraften, der sich im finalen Test gegen England bei einer Kollision mit dem urgewaltigen Manu Tuilagi einen Riss des Kreuzbandes zuzog und für mindestens sechs Monate ausfällt. Auch Prop Cian Healy hatte zuletzt mit Verletzungsorgen zu kämpfen, dürfte aber rechtzeitig fit werden.
Das gilt auch für den verletzungsanfälligen Gordon D'Arcy, der Innendreiviertel flog nicht mit dem Rest der Mannschaft nach Neuseeland, um zu verhindern, dass sich seine Wadenverletzung aus dem England Spiel während des langen Flugs verschlimmert.
Mit Sicherheit der letzte World Cup wird es für Irlands Kapitän Brian O'Driscoll. „Das wird meine letzte WM und ich werde in 5-10 Jahren nicht zurückschauen und sagen 'hätte ich doch ein bisschen mehr getan'. Ich werde die nächsten sechs, hoffentlich sieben, Wochen genießen und dabei hoffentlich auch ein paar unvergessliche Momente mitnehmen“ gewährt Irlands größter Spieler der Gegenwart einen seltenen Einblick in sein Seelenleben.
Damit die Weltmeisterschaft zum krönenden Abschluss von O'Driscolls Karriere werden kann, muss das Team von der „Grünen Insel“ deutlich besser spielen als 2007, damals war nach Niederlagen gegen Frankreich und Argentinien und wenig überzeugenden Siegen über Georgien und Namibia schon in der Gruppenphase Schluss.
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Formchecks: Pool A | Pool B
Obwohl ein Dauerbrenner bei der Weltmeisterschaft hat es für die Südeuropäer noch nie weiter als für die Gruppenphase gelangt. Im Sturm sind die Azzurri schon seit vielen Jahren Weltklasse, insbesondere die erste Sturmreihe, mit den kräftigen Pfeilern Martin Castrogiovanni, Salvatore Perugini und Andrea lo Cicero sowie die erfahrenen Hakler Leonardo Ghiraldini und Fabio Ongaro, kann es mit jedem Gegner aufnehmen.
Probleme haben die Blauen auf der Verbinder Position, seit dem Ausscheiden des legendären Italo-Argentiniers Diego Dominguez - bis heute Italiens Topscorer bei WM-Endrundenturnieren (98 Punkte), hofft man auf einen weiteren Spielmacher von internationalen Format.
Große Hoffnungen hatte man in den australisch-stämmigen ehemaligen Rugby-League-Star Craig Gower gesetzt, der nach einer langwierigen Verletzung allerdings keinen Vertrag bei einem der beiden italienischen Teams in der "Celtic League" [RaboDirect Pro12] ergattern konnte und sich daher für eine frühzeitige Rückkehr zum Rugby League entschied. Sehr zum Missfallen von Italiens Nationaltrainer Nick Mallet: „Wir haben viele Länderspiele investiert, um Craig als Verbinder weiterzuentwickeln. Ich denke er hat große Fortschritte gemacht, er ist ein sehr guter Verteidiger, verfügt über außerordentliches Skills und weiß wie man die Vorteilslinie attackiert. Es kann nicht sein, dass unsere beiden Top12-Teams zu 60 Prozent vom Verband finanziert werden und es dennoch nicht schaffen einen Platz für einen Nationalspieler zu finden“ klagt Mallet.
Dennoch geht der scheidende Azurri-Coach mit großen Hoffnungen in die Gruppenphase. „Aus Italien ein wettbewerbsfähiges und hoffentlich erfolgreiches Team zu machen ist die größte Herausforderung mit der ich mich in meiner bisherigen Trainerlaufbahn konfrontiert sah. Wenn alles nach Plan läuft sind wir technisch und taktisch dazu in der Lage Irland zu schlagen. Wenn wir allerdings zu spielen wie in unseren letzten beiden Vorbereitungspartien dann wird uns das nicht gelingen. Wir wissen, dass es ganz ganz schwer wird - obwohl Irland alle vier Vorbereitungs Spiele verloren hat – wird jedes einzelne eine sehr enge Angelegenheit“ vermutet der Südafrikaner.
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Die russische Nationalmannschaft ist der einzige Neuling bei den diesjährigen Titelkämpfen. Zuvor waren die Russen 2003 in der Quali aus dem Rennen genommen worden, nach dem sie drei südafrikanisch stämmige Spieler in ihrem Aufgebot hatten, die nach Meinung des Schiedsgerichts nicht für Russland Spiel berechtigt gewesen wären. Beim letzten RWC war die Auswahl aus dem größten Land der Erde in einem Ausscheidungsspiel mit 26:23 am späteren WM-Teilnehmer Portugal gescheitert. Im Churchill Cup 2011 hat der Weltranglisten 19. zwar alle drei Spiele verloren, gegen die USA (32:25) und gegen Italien A (24:19) war man aber alles andere als chancenlos. Lediglich im Auftaktspiel gegen Kanada (18:34) mussten die Cup-Neulinge noch etwas Lehrgeld zahlen. Vom internationalen Rugbyverband (iRB) werden die Osteuropäer als Mannschaft der zweiten Stärkeklasse (tier 2) geführt.
Trainiert wird die Mannschaft von Nikolai Nerush und vom Waliser Kingsley Jones, der mit Andrey Ostrikov (Sale Sharks) und Vasily Artemiev (Northampton Saints) zwei Spieler aus der englischen Premiership in seinen Reihen hat. Vor seinem Länderspiel Debüt steht der gebürtige Australier Adam Byrnes, der im Super Rugby für die Melbourne Rebels aktiv ist. Der 30-jährige Zweite-Reihe-Stürmer (201 cm und 118 kg) qualifiziert sich für die Nationalmannschaft über seine russischen Großeltern. „Meine beiden Großeltern mütterlicherseits sind russisch, ich habe eine russische orthodoxe Erziehung genossen und habe daher eine starke Verbindung zu meinen russischen Wurzeln. Als Kind hat meinem Mutter wird mir nur russisch gesprochen, weshalb ich es damals fließend sprach. Mit der Zeit hat leider das Englisch an Dominanz gewonnen, weshalb ich wohl einen kleinen Crashkurs machen werde, um meine verstaubten Kenntnisse zu reaktivieren“ so Byrnes.
Ihr Endspiel haben die Newcomer gleich im ersten Duell mit Erzrivale USA. „Wir wollen nicht nur dabei sein. Wir sind bis hierhergekommen, das ist großartig, jetzt wollen wir diese Möglichkeit aber nicht einfach verstreichen lassen. Wir wollen in jedem Spiel unsere Leistung abrufen, sogar gegen die Spitzenmannschaften und wir wollen zeigen, dass die russische Nationalmannschaft aus topmotivierten und hart arbeitenden Profis mit einer vorbildlichen Einstellung besteht. Unser Ziel Nummer eins ist ein Sieg. Wir spielen zuerst gegen die USA und das ist mit Sicherheit die größte Chance ein positives Ergebnis zu erzielen. In den verbleibenden Spielen sind wir natürlich die klaren Außenseiter“ stellt Eckdreiviertel Vasily Artimev klar. In den Vorbereitungsspiel gegen die walisischen Spitzenteams Ospreys (46:19) und die Newport Gwent Dragons (40:12) gab es zwar zwei deutliche Niederlagen, allerdings fielen Russlands Versuche stets in der zweiten Spielhälfte, was Rückschlüsse auf eine gute körperliche Verfassung zulässt.
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Die Testspiele der US Amerikaner verliefen nicht ganz nach Plan. Gegen die gut aufgelegten Kanadier kassierten die US Boys zwei schmerzhafte Schlappen, dennoch will das Team in Neuseeland mindestens seinen dritten Sieg bei einer Weltmeisterschafts-Endrunde.
Etwas ganz besonderes ist die Auftaktpartie für Coach Eddie O'Sullivan, 2007 war der Ire noch für die Nationalmannschaft seines Heimatlandes verantwortlich, 2011 trifft er gleich im Premierenspiel auf die "Grünen". Allerdings ist man im Lager der Amerikaner nicht so vermessen, dass man gegen den Six-Nations-Teilnehmer ernsthaft mit einem Sieg rechnet, sondern will die Partie eher als finalen Test vor dem "Endspiel" gegen Russland verstanden wissen. "Für die Jungs ist das Spiel eine gute Möglichkeit etwas WM-Luft zu schnuppern. Auch wenn wir die Aufstellung wohl etwas durcheinander würfeln werden, versuchen wir eine Aufstellung zu finden, die ganz nah an unserer besten Formation ist" sagt der 52-jährige Übungsleiter, der zahlreiche WM-Neulinge in seinem Kader hat.
"Das Spiel gegen Russland ist das, das wir gewinnen wollen, da machen wir kein Geheimnis draus. Ich bin mir sicher die Russen sehen die Sache ganz ähnlich" so O'Sullivan. "Wir wollen stark starten, dass ist natürlich keine leichte Aufgabe gegen ein Team wie Irland. Aber nur vier Tage später wartet Russland und das wir mit Sicherheit eine ganz harte Partie, aber das ist das Match wo wir uns die höchsten Siegchancen ausrechnen" bläst auch der Super-Rugby-erfahrene Kapitän Todd Clever ins gleiche Horn. "Wir haben so hart gearbeitet um bis hierher zu kommen und alle sind ziemlich aufgeregt. Als US-Nationalspieler spielst Du nicht immer gegen die Topnationen, daher müssen wir das beste daraus machen, wenn es alle vier Jahre dazu kommt" ergänzt Clever.
Erfahrung mit großen Gegnern haben die US-Amerikaner allerdings in den letzten Jahren auf der iRB 7s Series gesammelt, aus der Mannschaft die sich mit guten Leistungen im Kreise der Core Teams etablieren konnte, werden zahlreiche Spieler auch beim Rugby World Cup das rot-weiß-blaue Trikot überstreifen. Außerdem hat man mit dem gebürtigen Zimbabwer Takudza Ngewenya, der beim französischen Erstligisten Biarritz Olympique seine Brötchen verdient, einen der schnellsten Finisher im Weltrugby auf der Außenbahn, Südafrikas Bryan Habana wird davon ein Lied singen können.
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