'Um das deutsche Rugby richtig vorwärts zu bringen, muss man nicht aus Klubsicht denken, sondern Regional-Auswahlen gründen oder die Landesverbandauswahlen wieder aufleben lassen' - (c) Jürgen Keßler
Quo Vadis Rugby-Bundesliga heißt unsere neue Interview Reihe, die wir mit den Entscheidungsträgern der Rugby-Bundesligaclubs geführt haben. Wo führt er hin der Weg des deutschen Rugbys? Trennt sich die Spreu vom Weizen und die Liga verliert sich in einem Kampf reich gegen arm? Was sind die Ziele und Visionen der jeweiligen Vereine. TotalRugby hat nachgefragt und präsentiert Euch wöchentlich die Antworten, den Anfang macht Jens Steinweg, der Trainer des RK Heusenstamm.
TotalRugby: Die aktuelle Spielrunde ist vor kurzem zu Ende gegangen. Was ist Dein Fazit für die gesamte Saison und war Deiner Meinung nach mit diesem Verlauf zu rechnen? Jens Steinweg: Für uns ist der sportliche Abstieg natürlich nicht schön und ich persönlich habe auch nicht damit gerechnet. Die Hinrunde haben wir wirklich schlecht gespielt und viele Punkte liegen lassen. Mit der Rückrunde war ich eigentlich zufrieden und wir konnten z.B. in den Spielen gegen den SCN und TSV gut mithalten. Das der HRK und SC80 das unter sich ausmachen war klar, allerdings dachte ich, dass es 80 im Finale schaffen würden und mit ein bisschen mehr taktischer Disziplin hätten sie es wohl auch gewonnen.
TR: Der HRK und Frankfurt ließen, bis auf wenige Ausnahmen, relativ wenig zu und standen unentwegt an den Spitzenpositionen – fehlt es der Liga an Spannung? JS: Ich glaube die Frage ist, wird es für den HRK und 80 nicht langweilig? Wir als RKH haben in der Liga genug Spannung, aber bietet die Liga genug Wettkampf für die beiden Klubs? Es ist ja nicht nur Spannung da wenn es um Platz 1 geht, sondern die Spannung hat sich erhöht, wer in die Play Offs kommt.
TR: Mit dem TV Pforzheim ist ein weiteres finanzstarkes Team in die Bundesliga aufgestiegen, wird die Liga zunehmend zu einer 2. Klassengesellschaft? Welche Chancen siehst Du dem entgegen zu wirken? JS: Ich denke Pforzheim ist finanziell weit entfernt vom HRK und SC80. Andere Heidelberger Klubs stecken mindestens genauso viel Geld in ihre Mannschaften. Vereine wie der RKH, 78 und RK03 werden zu den anderen Mannschaften aufholen, da dies junge Mannschaften sind. Die anderen Mannschaften sind von der Altersstruktur am anderen Ende der Skala und haben meist den Verjüngungsprozess noch nicht einmal eingeleitet. Entweder brauchen die Vereine viel Geld, welches im Normalfall nicht da ist, oder aber das Leistungsniveau fällt und sie kommen Vereinen wie uns entgegen.
TR: Frankfurt und HRK spielen in der kommenden Saison zusammen mit der belgischen Mannschaft Kituro und zwei Auswahlmannschaften der Holländer im North Sea Cup. Wie beurteilst Du die Teilnahme deutscher Teams an europäischen Wettbewerben und was bringen diese Maßnahmen dem deutschen Rugby? JS: Was es dem deutschen Rugby bringt muss man getrennt sehen. Im Fall von SC80 bringt es dem deutschen Rugby nichts. In der Mannschaft spielen die Deutschen nur, damit die Quote erreicht wird. Beim HRK sehe ich das anders. Hier spielen viele Nationalmannschaftsspieler, die mehr Spiele auf hohem Niveau bekommen. Allerdings schätze ich das Niveau bei diesem Cup nicht sehr hoch ein, so dass wahrscheinlich unsere deutschen Mannschaften die ersten beiden Plätze belegen werden. Um richtig positive Auswirkungen zu bekommen, müsste man noch ein, zwei Sprossen der Niveau-Leiter hochgehen. Denn eine Niederlage auf richtig gutem Level bringt oft mehr als ein Sieg!
TR: Was denkst Du über eine generelle Ausgliederung der deutschen Profiteams in andere Ligen, wie es zum Beispiel in der Celtic League praktiziert wird (die Liga besteht aus zwölf Profimannschaften aus Wales, Irland, Schottland und Italien)? JS: Um diese Frage gründlich zu beantworten müsste man ziemlich weit ausholen. Ich glaube um das deutsche Rugby richtig vorwärts zu bringen, muss man nicht aus Klubsicht denken, sondern Regional-Auswahlen gründen oder die Landesverbandauswahlen wieder aufleben lassen. Es war damals der größte Fehler vom DRV die Landesverbandmeisterschaft im 15er-Rugby sterben zu lassen. Der Weg wird wieder in diese Richtung gehen. Aus Vermarktungssicht ist es einfacher Sponsoren für eine Region zu finden als z.B. für Heusenstamm. Da müsste aber ein klares Konzept her und alle müssten die berühmte Vereinsbrille abziehen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt!
TR: DRV-Präsident Bach wurde abgelöst. Angenommen Du bist DRV-Präsident, was wären Deine ersten Maßnahmen die Du durchführen würdest? JS: Ich würde mir an allen wichtigen Stellen, im DRV-Vorstand, in den Landesverbänden Mitarbeiter positionieren, die alle das Gleiche wollen und an einem Strang ziehen.
TR: Was für ein Vorgehen wünschst Du Dir vom neuen DRV-Präsidenten um das deutsche Rugby nach vorne zu bringen? JS: Ein klares, realistisches und transparentes Konzept, das auch eine breite Unterstützung hat. Im 7er-, als auch im 15er-Rugby, von der Jugend über die Frauen bis hin zu den Männern. Für die Spieler, aber auch für Trainer und Schiedsrichter!
TR: Letzte Frage – wenn Du an Rugby in Deutschland denkst, was geht Dir dabei als erstes durch den Kopf? JS: Unprofessionalität und Strukturlosigkeit auf allen Ebenen und in allen Bereichen!!!
|