Die Ära CPB geht zu Ende - (c) Miriam May
Was lange als Vermutung durch die deutsche Rugbyszene geisterte, ist seit dem Deutschen Rugby-Tag (DRT) traurige Gewissheit: dem Deutschen Rugby-Verband droht zum 1. August die Zahlungsunfähigkeit. So desolat die finanzielle Lage ist, so konzept- und ideenlos präsentierte sich das DRV-Präsidium während des DRT. Nun ruhen alle Hoffnungen auf dem neu gewählten DRV-Präsidenten Ralph Götz (44). Er tritt damit für zwei Jahre die Nachfolge von Claus-Peter Bach (51) an, der sich nach sechs Jahren nicht zur Wiederwahl stellte. Ein Wechsel, den viele Personen im Hintergrund forciert und gefordert hatten. Nun haben Götz und sein Team lediglich noch zwei Wochen Zeit, die drohende Insolvenz des Rugbyverbandes abzuwenden.
Die prekäre Lage ist dem Umstand geschuldet, dass sich der DRV in finanzielle Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln begeben hat. Folge: Für das Jahr 2010 blieben Fördergelder des Bundesminsiterium des Inneren (BMI) in Höhe von 126.000 Euro aus. Denn das BMI sprach dem DRV die Förderungswürdigkeit ab, da der Verband nicht über genügend finanzielle Eigenmittel verfüge. So konnte ein finanzielles Minus in Höhe von 38.000 Euro in 2008 ein Jahr später nicht ausgeglichen werden. Das BMI hatte somit Sorge, dass der DRV die Fördergelder zum Schuldenabbau zweckentfremde. Dennoch ließ es sich die DRV-Spitze nicht nehmen, George Simpkin als Trainer anzustellen - obwohl dafür kein Geld vorhanden war. Zwar legte der DRV dem BMI vergangenes Jahr auch ein Sanierungskonzept zur Entschuldung vor, doch statt geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die Förderungswürdigkeit wieder herzustellen, verfiel das DRV-Präsidium in einen nicht zu gewinnenden Kleinkrieg mit dem BMI.
DRV-Schirmherr und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel sollte das schwebende Verfahren auf Kurs bringen. Doch das Gegenteil trat ein. Durch den entstandenen "Druck von oben" nahmen die zuständigen Sachbearbeiter beim BMI den DRV genau unter die Lupe und forderten immer wieder neue Unterlagen an, um die Förderungswürdigkeit des Rugby-Verbandes zu prüfen. Ergebnis: Das Bundesverwaltungsamt sah das Sanierungskonzept als "nicht schlüssig" an. Moniert wurden die Rolle der Erich-Kraft-Stiftung in der Struktur des DRV und Liquiditätslücken im Sanierungsplan. Für Claus-Peter Bach kein Grund, die Fördergelder dennoch zu verweigern. "Das ist doch logisch, wenn Gelder von mehr als 120.000 Euro nicht fließen", sagte Bach. "Man wollte uns beim BMI durch Verschleppung der Anträge ein Bein stellen." DRV-Geschäftsführer Volker Himmer wurde sogar noch deutlicher: "Es war ein Kleinkrieg." Jetzt sei der DRV aber mit dem BMI wieder im Gespräch und habe den Widerspruch gegen die Entscheidung aus 2010 auf Anraten des BMI zurückgezogen. Nun stünden für dieses Jahr wieder Fördermittel in Höhe von 126.000 Euro in Aussicht, die noch diesen Monat fließen sollen. "Doch was Schriftliches haben wir nicht in der Hand", betonte Himmer. Damit stehen auch Gelder des IRB aus. Der Rugbyweltverband wartet laut Himmer die Entscheidung des Bundes ab. Sollten diese finanziellen Mittel aber nicht fließen, habe das DRV-Präsidium auf Nachfrage aus dem Plenum keinen "Plan B" für die Zeit nach dem 31. Juli - und unterstreicht damit seine Konzept- und Ideenlosigkeit in dieser prekären Situation. So setzt der DRV lediglich auf das Prinzip Hoffnung und auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Vermarkter SportsWork. Doch die bereits im Haushalt 2011 vermerkten Gelder aus der Vermarktung in Höhe von 47.500 Euro sind noch nicht annähernd geflossen. Auf die Frage, wie das Konzept des neuen Vermarkters hinsichtlich Sponsorengewinnung, öffentliche Präsenz und Veranstaltung von DRV-Spieltagen aussehe, gab es von Claus-Peter Bach keine Antwort. Er verwies lediglich auf "vertrauliche Vertragsinhalte". Der Rest war Schweigen. Die Folge: das DRV-Präsidium wurde mit einer Mehrheit von 187:136 Stimmen nicht entlastet. Nun soll es der neue DRV-Präsident Ralph Götz als Heilsbringer richten.
Götz steht vor einem Scherbenhaufen. "Den Weg, den wir gehen, ist finanziell schwer belastet", betonte er in seiner Rede. Doch gebe es Geldgeber, "die dem DRV unter die Arme greifen und aus der Misere helfen wollen". Diese Personen seien dazu aber nur bei einem Personalwechsel im Präsidium bereit. Sprich: Claus-Peter Bach muss den Weg für seinen Nachfolger freimachen, damit der schlingernde Tanker DRV wieder auf Kurs gebracht werden kann. Erst dann wollen Personen ihre Zusagen wahr machen, die drohende Insolvenz finanziell abzuwenden. Diese Personalrochade ist nun erfolgt. Daher blickt der ebenfalls neu gewählte DRJ-Vorsitzende Jürgen Zeiger hoffnungsvoll nach vorne. "Wir gehen davon aus, dass wir nicht zum Amtsgericht gehen müssen", betonte er. "Dafür müssen wir aber Verträge schnell abschließen." Heißt: Auch hier gibt es lediglich Zusagen - Geld ist bisher nicht geflossen. Entsprechend will der neue DRV-Präsident die Vermarktungsagentur SportsWork "leiten und zielgerichtet einsetzen." Zumal die Position des Vizepräsidenten Öffentlichkeitsarbeit nach dem Ausscheiden von Christian Düncher bis auf Widerruf nicht mehr besetzt wird. Und an die anwesenden Vereins- und Verbandsvertreter appelierte Götz: "Wir sind Rugby-Deutschland. Daher müssen wir wieder eine Einheit werden." Zudem legte er ein Grobkonzept vor, wie sich das deutsche Rugby sportlich unter seine Ägide positionieren soll. "Die Teilnahme an den olympischen Spielen 2016 im 7er-Rugby ist utopisch. Realistisch ist eher die Teilnahme vier Jahre später", erklärte Götz." Mit Blick auf dieses sportliche Ziel sollen die Gelder inverstiert werden, "besonders in die heutige Jugend, die dann in der Verantwortung steht." Doch bis dahin haben Götz und sein Team noch viel Arbeit vor sich, die auch die strukturelle und sportliche Ausrichtung des DRV betrifft, wie die anschließende Diskussion des Plenums über verschiedene Anträge zeigte.
Nicht nur finanziell zeigt sich der DRV von seiner desolaten Seite - auch organisatorisch liegt vieles im Argen. So konnten sich die Anwesenden nicht des Eindrucks erwähren, dass Anträge seitens des DRV-Präsidums in völliger Unkenntnis der bestehenden Satzung, Ordnungen und Richtlinien sowie unter Nichtberücksichtigung der Bedürfnisse der Vereine verfasst wurden. Folge der Diskussionen: Schweigen auf dem Podium, ändern, zurückziehen und ablehnen von Anträgen. Besonders wurde dies bei den Vorlagen zu den Kosten für die Klubs im Rahmen der neu geschaffenen 7er-Serie sowie zur Aufstiegsregelung für die 2. Bundesliga deutlich. Vielleicht wäre hier die angekündigte, aber nicht praktizierte, Veröffentlichung der Anträge auf der Verbandshomepage hilfreich gewesen, Widersprüche und Ungereimtheiten im Vorfeld des DRT aus dem Weg zu räumen. Unkenntnis von strukturellen Veränderungen bewies dann auch nochmal der scheidende DRV-Präsident in seinem letzten Jahresbericht. So erhofft er sich in Analogie zur 3. Liga Süd/West das selbe Konstrukt für den Spielverbund Nord/Ost. Dabei gibt es dort bereits seit Jahren ein sportliche Äquivalent in Form einer "Meisterrunde", aus der sich die Regionalligen Nord und Ost neu aufgestellt haben, um die sportliche Qualität unterhalb der Bundesligen auf ein höheres Niveau zu heben. Und dass es in der Kommunikation auch beim neuen DRV-Personal hakt zeigte sich, als Jürgen Zeiger nebenbei anmerkte, dass die offizielle Internetpräsenz des DRV als neues Verbandsorgan fungiere und damit auch die Print-Version des Deutschen Rugby-Journals in dieser Funktion ablöse. Erst durch einen Hinweis aus dem Plenum nahm er anschließend wahr, dass somit auch die Zwangsabnahme durch die Vereine und die entsprechenden Abogebühren für das Magazin künftig wegfallen. Auf den neuen DRV-Präsidenten Ralph Götz und sein Team warten somit große Herausforderungen in finanzieller, sportlicher, struktureller und kommunikativer Sicht - und das nicht nur in den kommenden zwei Wochen.
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