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Lofty Stevenson: "Können wir Wales im 7er-Rugby schlagen? Meine Antwort lautet, warum nicht!"
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Samstag, 2. Juli 2011

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Lofty Stevenson würde sein Geld in Heidelberg auf Deutschland setzen - (c) Miriam May

Der zweite Teil des Interviews mit Phil „Lofty“ Stevenson; ehemaliger Trainer unserer 7er-Nationalmannschaft. Diesmal geht es nicht nur um die Aufstiegschancen der  7er-Auswahl, sondern auch um seine Bewertung der Arbeit der Wild Rugby Academy und seines ehemaligen Arbeitgebers SC Frankfurt 1880. Außerdem stellt er sein 2009 im Anschluss an die Hannover 7s verfasstes Konzept etwas näher vor.


Lass uns noch einmal die Brücke zum Siebener-Rugby schlagen - schließlich ist Siebener momentan in aller Munde. Was macht die Spanier, was macht die Portugiesen und zuletzt sogar die Holländer zu besseren 7er-Rugby-Nationen als Deutschland?

Sie haben einfach vor uns mit der Umstrukturierung begonnen. In Portugal hat zum Beispiel Evan Crawford, ein Neuseeländer, der inzwischen zurück in Neuseeland ist, vor 10 Jahren damit begonnen Änderungen anzustoßen und es hat schlussendlich gedauert bis er den Verband verlassen hat, bis seine Ideen tatsächlich aufgegriffen wurden. Das gleiche Spiel konnte man damals in Wales mit Graham Henry beobachten. Häufig sind die Sachen zu neu für die Leute und es dauert einfach eine gewisse Zeit, bis man die nötige Akzeptanz für Veränderungen finden kann. Ich würde mir wünschen, dass mein Konzept nicht nur als irgendein Geschwätz abgetan wird, sondern, dass vielleicht irgendjemand erkennt „Hey der Lofty redet nicht nur Unsinn, lasst uns mal schauen was sie in Portugal und Spanien anders gemacht haben“. Wir können es uns nicht erlauben noch einmal 10-15 Jahre zu verschenken bevor wir durchstarten. Ich hätte mir gewünscht, der Start wäre bereits vor drei Jahren erfolgt als ich nach Deutschland kam. Es gab das Konzept mit der Wild Academy. Leider – und ich denke das ist nicht unfair zu sagen, zumal ich es den Verantwortlichen auch schon direkt mitgeteilt habe – hatten sie einen falschen Businessplan. Also nicht falsch verstehen, es geht mir nicht darum die dort geleistete Arbeit zu kritisieren, ich finde es ganz wunderbar, dass da jemand ist, der etwas für Rugby bewegen möchte und sie haben inzwischen wirklich tolle Leute an Bord, die hart arbeiten. Aufgrund des Fehlstarts den sie hingelegt haben, müssen sie sich heute aber immer zunächst gegen irgendwelche Vorbehalte beweisen. Ich war selbst bei der Eröffnungsveranstaltung, bei der versprochen wurde, dass keine Spieler anderer Klubs abgeworben würden. Manche Klubs werden das heute natürlich nicht mehr glauben. Selbstverständlich war die Person, die damals dieses Versprechen abgegeben hat, nicht die gleiche Person, die später die Spieler eingeladen hat den Verein zu wechseln. Doch die meisten Leute interessieren sich heute nicht mehr für die wirklich gute Arbeit die dort geleistet wird, sondern erinnern sich nur an dieses „falsche Versprechen“. Das ist bedauernswert, zumal mit den vorhandenen Strukturen die dort geschaffen wurden, großartiges für das Deutsche Rugby erreicht werden könnte.

Ähnliche Probleme kann man auch bei 1880 beobachten. Die tolle Entwicklungsarbeit die Ulli [Byszio] dort geleistet hat, erlaubt dem Verein schon heute auf einem deutlich höheren Level zu spielen. Doch es gibt immer wieder Stimmen die mehr Einsatzzeiten für die einheimischen Spieler fordern und das ganze daher sehr kritisch bewerten.

Beide Beispiele zeigen ganz deutlich, dass nicht immer alles perfekt laufen kann, aber nur weil etwas schief läuft, muss nicht unbedingt alles schlecht sein. Häufig hält sich Gutes und Schlechtes die Waage. Gerade deshalb müssen wir anfangen über den Tellerrand zu schauen. Man darf nicht nur mit dem Finger auf die Fehler zeigen, sondern muss das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen, um von den Dingen die dort richtig gemacht wurden, aber eben auch aus den Fehlern zu lernen. Erst dann können wir gemeinschaftlich das Deutsche Rugby voran bringen können. Das gilt für HRK und 80 Frankfurt genauso wie Spanien, Portugal, Wales und von mir aus Holland.

Du hast die Wild Academy und den HRK eben selbst in einen Topf geworfen und vermutlich würde uns heute auch niemand mehr erzählen, dass es sich dabei um zwei paar Stiefel handelt. Offensichtlich funktioniert das Wild-Academy-System sehr gut für den HRK, sie spielen nicht nur gut, sondern auch sehr erfolgreich. Alles wirkt  äußerst durchdacht und ist darüberhinaus sehr erfolgreich. Die Spieler scheinen sich ständig verbessern zu wollen und sind bereit dafür hart zu arbeiten. Jeder Beteiligte scheint voll hinter dem „Projekt HRK“ zu stehen. Ähnlich bei 1880 Frankfurt, vielleicht nicht in der ersten Mannschaft, aber dafür umso im Jugendbereich. Vor einigen Jahren wäre es schließlich noch undenkbar gewesen, dass Frankfurt in mehreren Altersklassen zu den Titelanwärtern zählt. Warum sind wir nicht in der Lage, die Dinge die dort richtig gemacht werden zu übernehmen, ohne dabei neidisch auf die sportlichen Erfolge zu sein?

Natürlich müssen wir von ihnen lernen. Eben weil sie viele Fehler gemacht haben - was sie selbst vermutlich als erste einräumen werden. Diese Fehler hätten bei entsprechenden Analysen nicht gemacht werden müssen. In Neuseeland wollten sie Geld in manche Gegenden pumpen, um besser zu werden. Riesige Akademien wurden gegründet, von denen nur die in Wellington wirklich funktioniert hat. Also haben sie die Wellington-Akademie gebeten, alle anderen Akademien zu „managen“. Zeitgleich haben sie sich dazu entschieden sich strukturell wieder anders aufzustellen und das ganze in Regionen zu organisieren – ein großer Fehler wie sich später herausstellte. Ähnlich ist es in Deutschland, das schlechteste was man fürs Deutsche Rugby machen könnte, wäre regionale „Rugby-Entwicklungshelfer“ zu installieren. Es klingt auf den ersten Blick wunderbar, aber wie ich bereits gesagt habe, muss es jetzt darum gehen den Klubs zu helfen und zwar sofort. Das heißt die entsprechenden Kräfte müssen nach zwei oder drei Vereinen schauen und diese zum laufen bringen. Ein regionaler Manager hätte ein schönen Job und ein schönes Auto und wäre darüber hinaus überall respektiert, aber am Ende vom Tag würde er gar nichts tun. Ich weiß das, weil es exakt nach diesem Muster in Neuseeland gelaufen ist. In Neuseeland war der nächste Schritt, dass jeder Klub seine eigene Akademie gegründet hat, auch das hat nicht funktioniert, weil die Spieler nicht die Zeit hatten, sich darum zu kümmern. Also wurde es mit den Super-Provinzen probiert, das lief schon deutlich besser, weil dabei die Konzepte aus Wellington Anwendung fanden. Doch auch diese Struktur hatte nicht lange bestand und es wurde alles in die 14 Provinz-Verbände unterteilt, das alles geschah zweimal innerhalb der 10 Jahre, die ich meine Finger im Spiel hatte, funktioniert jetzt aber seit circa vier Jahren sehr ordentlich.

Auch in Neuseeland kam mit der Umstrukturierung ein gewisser Neid auf, jeder wollte sein Stück vom Kuchen. Aber dort ist man jetzt soweit, dass die Sache mit den regionalen Managern sehr gut funktioniert, weil als erster Schritt in den Klubs die entsprechenden Starthilfen gegeben worden sind.

Was bedeutet das für Deutschland?

Wir müssen erkennen was für uns funktioniert und dabei wird schnell klar, was wir bisher probiert haben funktioniert nicht. Es geht nicht ein High-Level-Konzept, von den Sharks oder sonst wem, nach Deutschland zu bringen.  Die Sharks müssen keine Entwicklungsarbeit mehr leisten, sondern sind bereits auf dem Toplevel. Wir brauchen Strukturen die uns eine Entwicklung erlauben. Damit das erkannt werden kann müssen wir uns zusammensetzen, um uns auszutauschen. Nicht jeder kann alles wissen, daher sollte versucht werden, gemeinschaftlich Lösungen zu finden, die für alle funktionieren.

Du hast über die verschiedenen Phasen der Umstrukturierung gesprochen und wie dynamisch das dort alles ablief. Hier scheint aber die Denkweise vorzuherrschen, dass wir bevor wir wieder etwas ändern, erst mal ein Plan zu Ende gebracht werden muss. Ist das richtig oder falsch?

Das Spiel entwickelt sich ständig weiter, die Dinge um uns herum entwickeln sich ständig, die Wirtschaft erlebt Aufs und Abs daher können wir uns nicht auf einen 10-Jahres-Plan versteifen. Wir müssen natürlich ein Ziel im Auge behalten, aber flexibel auf die Entwicklungen um uns herum reagieren können und das ganze in Teilprojekte unterteilen, welche wir entsprechend anpassen können. Manche Dinge die ich vor drei Jahren mit den Jungs in der 7er-Nationalmannschaft gemacht habe, wären heute vielleicht wieder sinnvoll, oder wären es im letzten Jahr gewesen. Aber vielleicht brauchen sie auch etwas absolut Neues und anderes, wenn wir uns aber davor verschließen, dann können wir uns nicht entwickeln und werden stagnieren. Vielleicht wurde in der Vergangenheit nach dem Motto gehandelt „das hat funktioniert, das machen wir noch einmal“, aber was passiert wenn es drei- oder viermal gemacht worden ist? Wir müssen also unseren Businessplan ständig hinterfragen und wenn der Businessplan nicht transparent ist, dann weiß ich auch nicht ober er tauglich ist.

Du hast die Trainingsspiele der Deutschen 7er-Auswahl gegen 1880 Frankfurt gesehen. Schau bitte mit uns in die Zukunft und verrate uns, ob diese Deutsche Mannschaft das Zeug dazu hat den Aufstieg in die Grand Prix Series zu schaffen? Ist diese Mannschaft auf einem höheren Level als die Mannschaft, die Rainer Kumm und Du 2008 und 2009 betreut haben?

Das ist eine harte Frage, aber ich werde mich nicht davor drücken sie zu beantworten, das ist nämlich genau die Transparenz und Ehrlichkeit die ich ja unentwegt fordere. Die Spieler sind vermutlich nicht genauso fit wie 2008 und 2009. Aber die Leidenschaft der Spieler wird auf dem gleichen Level sein wie damals. Die Jungs bzw. Männer die in dieser Mannschaft stehen wollen unbedingt gewinnen, sie wollen das Beste für Deutschland und das ist der Aufstieg in die europäische Topebene. Ich habe vorhin schon über meinen Plan gesprochen. Ich wusste genau was wir zu leisten im Stande waren, wir waren körperlich fitter als jede andere europäische Mannschaft – sogar als Portugal - da besteht für mich kein Zweifel. Sorge bereitete mir damals was die anderen Teams tun würden. Wir hatten leider nicht die spielerischen Fähigkeiten, die Spiele einzutüten. Wir haben vier Spiele mit zwei Punkten Unterschied verloren, die entscheidenden Punkte vielen dabei stets in der Nachspielzeit.  Es bringt jetzt nichts mehr über „hätte, wäre, wenn“ zu philosophieren, aber wir waren nah genug dran und hätten die Spiele genauso gut gewinnen zu können. Die Jungs sind wie gesagt vielleicht nicht alle so fit, wie noch bei den Hannover 7s. Es sind diesmal vielleicht nur 1-2 Spieler die sich mit dem gleichen Einsatz wie 2008 und 2009 vorbereiten konnten, wir hatten damals ein Kollektiv vor dem ich heute noch den Hut ziehe. Es war wirklich ein sehr hartes Programm.

Zurück zu dem Projekt welches ich damals erstellt habe und dem Deutschen Rugby-Verband genauso wie Ulli und dem HRK vorgestellt habe, es handelt sich dabei um einen 10-Monats-Plan, welcher sicherstellen sollte, dass wir mit der 15er-Nationalmannschaft in der Division 1 bleiben und mit der 7er-Nationalmannschaft weiter auf dem höchsten europäischen Level spielen. Es würd sich unter Umständen lohnen, in unserer jetzigen Situation noch einmal einen Blick darauf zu werfen.

Können wir Wales im 7er-Rugby schlagen? Meine Antwort lautet, warum nicht!. Wenn wir ein Team von walisischen Sprintern gegen deutsche Sprinter antreten lassen, wer wird gewinnen? Die Deutschen! Jetzt brauchen sie nur noch einen Ball und müssen in Richtung Malfeld rennen. Wieso nicht? Ich habe scherzhaft schon oft überlegt nach Jamaika zu gehen und die Sprinter zu trainieren, die es nicht zu Olympia schaffen. Natürlich ist die Idee nicht auf meinem Mist gewachsen, das erfolgreiche jamaikanische Bob-Team der 80er und 90er Jahre hat es vorgemacht und ist zweimal zu Olympia gekommen. Wenn die Leute heute also sagen, Deutschland schafft es niemals zu Olympia, dann weil sie sich geistig verschlossen haben. Wir müssen sie aufwecken und sagen, wenn wir gegen Wales und Schottland nicht mithalten können, weil wir nicht schnell genug sind, dann müssen wir sehen, dass das statistisch nicht korrekt ist. Wenn ich nicht gegen sie bestehen kann, dann weil ich nicht das richtige Konzept und nicht die richtige Mentalität für das Training habe. Jeder weiß, dass die Deutschen großartig sind, wenn es um Trainingseifer geht, aber vielleicht machen wir nicht die richtigen Dinge? Als nächstes schauen wir auf die spielerischen Fähigkeiten. Im 7er-Rugby gibt es da wirklich nicht so viel zu lernen. Natürlich muss man passen und fangen können, aber dafür braucht man keine Spieler über 10-15 Jahre von Kindesbeinen an auszubilden. Viele mögen dies vielleicht behaupten, aber das ist nicht richtig. Es gibt Kinder die es innerhalb von 4-5 Jahren erlernen, manche brauchen nur 2 oder 3 Jahre dafür, weil sie begnadete Athleten sind. Wir müssen also ein paar von diesen wundervollen Talenten finden und ihnen Rugby beibringen. Schneller als die Schotten und Waliser sind sie ohnehin und dann lass uns mal ne Runde Siebener spielen!

Auf dem Weg dorthin müssen wir natürlich noch eine zweite Baustelle beackern und da kommen die Kräfte ins Spiel, die wir heute zur Verfügung haben. Schließlich müssen wir uns mit der Gegenwart und der Zukunft gleichzeitig auseinandersetzen. Das ist schlicht und einfach zu viel für einen Präsidenten alleine. Das Management muss für die Umstrukturierungsphase besser aufgestellt werden. Damit wir unser Flaggschiff zumindest aufs Wasser bekommen. Kobus [Potgieter] und Torsten [Schippe] stehen mit dem Rücken zur Wand. Das Projekt würde auch den beiden helfen, da es unseren jetzigen Spielern das Beste aus sich herauszuholen. Vielleicht sind sie jetzt noch keine Sprintchampions und auch noch nicht die eifrigsten Trainierer, aber sie sind das Beste was wir haben und sie sind unsere Männer – und natürlich Frauen! Frauen ist ein Thema bei dem noch nachgebessert werden müsste. Rugby ist jetzt olympisch und auch wenn ich fest an die Aufnahme ins olympische Programm geglaubt habe, muss ich zugeben, mir 2009 noch nicht allzu viel Gedanken über das Frauenrugby gemacht zu haben. Für die deutschen Frauen gilt das gleiche wie für die deutschen Männer. Die deutschen Mädels sind groß, schnell und gute Athleten. Wir haben hier eine ganze Menge junge Mädchen die sich schon sehr gut schlagen, aber sie müssen einfach viel mehr spielen. Hier sind die Vereine gefragt und dafür brauchen sie Hilfe. Wir müssen von ganz unten anfangen und erkennen, dass jeder Hilfe gebrauchen kann.

Schaffen die 7er-Herren jetzt den Aufstieg oder nicht?

Ich habe leider keine Kristallkugel. Wir waren 2009 ganz knapp dran Portugal zu schlagen und die 15000-20000 Leute in Hannover sind fast ausgeflippt, ich wiederhole mich, aber wir waren verdammt nah dran. Ich bin mir sicher, dass die Jungs zu ähnlichem im Stande sind. Jetzt geht es gegen Belgien und schwächere Gegner, aber die Intensität wird sich nicht unterschieden. Mathematisch haben wir keine Chance, wenn wir vor dem Finale nicht auf die Belgier treffen – auch wenn ich mir sicher bin, dass wir Belgien im direkten Vergleich schlagen können. Alles ist möglich, wir müssen einfach darauf hoffen, die Belgier auf dem falsch Fuß zu erwischen. Das wird keine leichte Aufgabe, weil der belgische Verband sehr ordentlich organisiert ist, dort arbeiten fünf Leute in der Zentrale. Aber genau das kann sich vielleicht auch zu ihrer größten Schwäche entwickeln. Vielleicht fühlen sie sich zu sicher, haben sich zu sehr vorbereitet, sind zu aufgeregt, sind im Kopf schon einen Schritt weiter, als sie tatsächlich sind, weil sie vorher einfach noch nie in solch einer Situation waren. Wie schnell man in einem Halbfinale zum Beispiel über Schweden stolpern kann, haben wir ja in Danzig gesehen. Mathematisch ist es für mich also unmöglich zu sagen, dass wir es schaffen. Aber ich würde in Heidelberg bei jedem möglichen Duell mein Geld auf Deutschland setzen – das Team wird bereit sein.

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