Polens Rugby ist auf dem Vormarsch - (c) Miriam May
Das IRB hat kürzlich im unten verlinkten Videobeitrag einen Blick auf die Entwicklung des Rugbysports in Polen geworfen und neben einigen Spielern auch Nationaltrainer Tomasz Putra zu Wort kommen lassen.
Seit 2006 leitet Putra, der in jungen Jahren als Rugbyspieler in Frankreich tätig war, die polnische Nationalmannschaft. Seine persönliche Geschichte und seine Französischkenntnisse passen dabei hervorragend zu seinem Job, in dem er vor allem viel mit Franzosen zu tun hat.
Während er in seinen Anfangsjahren nämlich oft auf polnischstämmige Spieler aus Frankreich zurück gegriffen hat, um die eigene Mannschaft international konkurrenzfähiger zu machen und erfahrene Rugger ins Team zu holen, kann er mittlerweile stolz sein, dass immer mehr Polen in Frankreichs Ligen engagiert werden und dort wichtige Erfahrung sammeln. Mit Jean Claude Skrela, dem technischen Leiter des französischen Rugbyverbandes FFR, hat er zudem einen wichtigen Berater an seiner Seite, der selbst kein Polnisch kann, aber aufgrund seiner polnischen Herkunft Verbundenheit mit dem neuen Rugbyaufsteiger empfindet. Für diesen gibt es keinen Zweifel daran, dass Polen auf dem richtigen Weg ist, im Rugby voran zu kommen.
Rein sportlich hat sich in den letzten Jahren durchaus Einiges getan, auch wenn man international derzeit auf Ranglistenplatz 34 gerutscht ist und neidisch auf die Erfolge anderer osteuropäischer Verbände blickt. Die Leistung der polnischen XV ist konstant und von den letzten fünf Pflichtspielen innerhalb des European Nations Cup der Division 1B hat man nur zwei Partien knapp verloren. Die technischen und finanziellen Möglichkeiten des polnischen Rugbyverbandes PZR sind trotz des Fehlens reicher Investoren, wie man sie etwa in Russland findet, die besten in der Geschichte des polnischen Rugby. So konnte z. B. im vergangenen Jahr in Gdingen an der Ostsee ein eigenes Rugbystadion samt modernem Trainingszentrum gebaut werden. Das Stadion besitzt eine steile Tribüne mit 2.500 Sitz- und weiteren Stehplätzen. Angewiesen ist man generell aber weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit den Vereinen der polnischen Rugbyliga. Diese verzeichneten in den letzten Jahren einen Anstieg an neuen Mitgliedern und Interessierten. Aufgrund begrenzter Budgets und infrastrukturellen Probleme gibt es allerdings noch viel zu tun, um das Zusammenwirken zwischen den, über das ganze Land verstreuten, Vereine zu verbessern.
Rund 80 Rugbyvereine gibt es derzeit in Polen, die am 1957 gestarteten Ligabetrieb teilnehmen. Unterteilt ist das polnische Ligasystem in zwei überregionale, vier regionale und verschiedene Hochschulspielklassen unterteilt. In der höchsten Spielklasse, der Ekstraliga, spielen derzeit acht Mannschaften um die polnische Meisterschaft. Neben dem Ligabetrieb wird seit 1974 auch eine Pokalmeisterschaft unter allen Rugbyvereinen Polens ausgetragen.
Gut hat es, wer aus einer Rugbyhochburg kommt, wie etwa dem Großraum Danzig. Vor allem hier hat man es geschafft, Rugby auch Sportlehrern und Eltern als Alternative zu Fußball, Handball & Co. schmackhaft zu machen. Längst ist auch der Ruf des Sports Vergangenheit, eine Beschäftigung für glatzköpfige Rüpel zu sein. Im Gegenteil, die Aktiven in Polen stammen aus allen Schichten der Bevölkerung und vor allem im akademischen Bereich ist Rugby ein beliebter Sport. Hier liegen auch die Wurzeln des polnischen Rugby, dessen Initiator 1921, man ahnt es schon, ein Franzose war.
Erfolgreich ist Rugby in Polen aber in jedem Fall als Unterhaltungsform. Auch wenn die Rekordzuschauerzahl von 1968, als in Warschau rund 100.000 Zuschauer ein Länderspiel zwischen Polen und Frankreich miterleben durften, bisher nicht geknackt werden konnte. Die Zuschauerzahl in den Stadien steigt kontinuierlich. Heute sind durchschnittlich zwischen 5.000 und 30.000 Gäste bei Länderspielen anwesend. Auch wenn Rugby noch lange nicht so populär ist, wie Fußball, Handball, Basketball oder Eishockey, bzw. Skispringen, Judo und Speedway, die beliebtesten Sportarten in Polen, landesweit bekannt ist Rugby allemal. Die Spiele der Ekstraklasa werden nämlich im regionalen rechtlich-öffentlichen Fernsehen TVP3 und einigen privaten Sportsendern übertragen. Sämtliche Länderspiele versucht man zudem generell in Multifunktions- oder Fußballstadien stattfinden zu lassen, da das Fernsehen mittlerweile immer dabei ist und man den Sport publikumswirksamer präsentieren möchte. Neben den Partien innerhalb Polens werden im polnischen Fernsehen zunehmend auch internationale Events ausgestrahlt. Beliebt sind neben der Weltmeisterschaft und dem Sechs-Nationen-Turnier vor allem die französische Top 14 und Super Rugby. In beiden Ligen spielen Rugbygrößen mit polnischen Wurzeln, wie Dimitri Szarzewski, Romain Millo-Chluski, Frédéric Michalak oder Ryan Kankowski.
Neue Hoffnungen macht man sich allerdings durch die in Großbritannien und Irland lebenden Landsleute. Als 2004 Polen Mitglied der EU wurde, zog es viele junge Familien der Arbeit wegen auf die Inseln. Deren Kinder haben zwangsläufig Kontakt mit dem Ei aufnehmen dürfen und nun gehen viele Jugendliche, die mit ihren Eltern nach Polen zurück gekehrt sind, dem in der Ferne lieb gewonnenen Rugby weiterhin nach. Das Ziel des polnischen Rugbyverbandes ist daher vor allem, den Sport verstärkt in die Schulen zu bringen, die Jugendmannschaften zu fördern und den Sport auch außerhalb der Rugbyhochburgen und den Großstädten populär zu machen. Der in den letzten Jahren immer engere Kontakt mit den Rugbyverbänden westlich des Kanals dürfte dabei sicherlich helfen.
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Noch ein kleiner Nachtrag am Rande zur Rolle des IRB. Der Weltverband glänzt in Polen nicht gerade durch starke Präsenz. Die jeweiligen Verbände von Sportarten, wie American Football oder Baseball sind da viel aktiver und greifen den polnischen Vereinen unter die Arme. Im Rugby sind Polens Aktive hingegen auf sich allein gestellt. Ein Problem ist auch immer noch das Equipment, welches in Polen deutlich schwieriger zu besorgen ist und dadurch teurer ausfällt, als in Deutschland, wo man mehr Anbieter hat und die Entfernung zu Herstellern aus Großbritannien und Frankreich geringer ist. Probleme hatte der polnische Rugbyverband PZR zudem im vergangenen Jahr mit seinem Ausstatter, einem irischen Unternehmen. Dieses meldete Konkurs an und man blieb auf seinen Kosten ohne die nötige Ware sitzen. Nun hat man einen polnischen Hersteller gefunden, der Rugbyequipment vor Ort produziert. Die Kosten sind aber immer noch ein problematischer Faktor im polnischen Rugby. Diese werden nur teilweise durch Sponsoring aufgefangen, denn Großinvestoren und Gönner, die etwa das Rugby in Russland voran getrieben haben, gibt es in Polen nicht. Vielleicht auch zum Glück, denn das Oligarchensystem in Russland schafft wiederum kaum Kontinuität und Stabilität. In Polen arbeitet man daher eher langsam, aber solide Schritt für Schritt an seinem Erfolg.
April 29, 2011
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Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 27. April 2011 )