Mustafa Güngör: "Wir sind absolut konkurrenzfähig." - (c) Marco Schmidt
Seit feststeht, dass das Siebener-Rugby ab 2016 eine olympische Sportart ist, unternehmen viele Nationen Anstrengungen, diese Variante zu fördern und entsprechende Rahmenbedingungen für eine möglichst erfolgreiche Zukunft zu schaffen.
Im Interview mit Siebener-Mannschaftskapitän Mustafa Güngör wird allerdings klar, dass sich in Deutschland die ersten Maßnahmen, um sich für die olympischen Spiele in Rio de Janeiro zu qualifizieren, im Gegensatz zu den direkten Kontrahenten als noch nicht ausreichend erweisen könnten.
Mustafa, wie ist der Status quo im deutschen Siebener-Rugby? Man muss leider sagen, dass wir zurzeit genau da stehen, wo wir schon vor fünf Jahren waren. Der Abstieg aus der Top-Gruppe hat uns vielleicht sogar noch weiter zurück geworfen. Allerdings tun sich jetzt ein paar Dinge, die uns wieder ein Stück nach vorne bringen können. Ich denke da an die strukturellen Veränderungen in der Verbandsführung, an die neue Siebener-Liga, die Europameisterschaft in Heidelberg. Wenn wir es jetzt noch schaffen würden, entsprechend Fördermaßnahmen vom DOSB, BMI oder der Bundeswehr zu generieren, dann sehe ich wieder positiv in die Zukunft. Wir müssen nur langsam in die Hufe kommen, uns läuft die Zeit davon.
Wie sind den sportlich gesehen die Voraussetzungen? Ist der DRV im 7er international trotzdem konkurrenzfähig? Ich bin jetzt schon ein paar Jahre dabei und kann sagen: Wir sind absolut konkurrenzfähig. Was uns in Deutschland noch fehlt, ist die Breite an Spielern. Aber der Kern der aktuellen Siebener-Mannschaft kann international mithalten. Wenn wir derzeit in Bestbesetzung antreten, können wir uns mit Teams wie Spanien, Rumänien, Italien oder sogar Russland messen. Das hat man ja bei den Hannover Sevens gesehen, wo wir nur knapp an der WM- Qualifikation vorbei geschrammt sind.
Was muss passieren, damit der DRV nicht den Anschluss verpassen? Wir müssen jetzt schnell die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Andere Nationen sind uns da einfach jetzt schon ein Stück voraus. Ich war vor Kurzem bei einem Trainerlehrgang in Portugal und habe dort einige beeindruckende Konzepte sehen dürfen. Spanien zum Beispiel gibt seinen Spielern jetzt Profi-Verträge für die Dauer der Siebener-Saison. Es wäre ideal, wenn der DRV das auch leisten könnte. Außerdem muss es mehr Möglichkeiten geben, sich international zu messen. Mit nur zwei oder drei Turnieren im Jahr ist aus meiner Sicht kaum eine Steigerung möglich.
Gibt es in Deutschland denn überhaupt Siebener-Trainer, die das Team gegebenenfalls auf das nächste Level führen können? Bislang höchstens eine Hand voll. Mit Reiner Kumm ist derzeit sogar nur ein einziger deutscher Trainer da, der nahezu spezialisiert ist auf Siebener-Rugby. Die Trainer-Lösung, wie wir sie jetzt gefunden haben, ist kurzfristig eine gute Lösung. Langfristig muss jedoch ein hauptamtlicher Trainer her – spätestens, wenn wir wieder aufsteigen sollten, ist das notwendig. Daher ist es dringend nötig, entsprechend Trainer auszubilden. Übergangsweise könnte man vielleicht darüber nachdenken, ob man noch mal Hilfe aus dem Ausland in Anspruch nimmt.
Ist auf dem Level dann nicht auch eine Spezialisierung unter den Spielern nötig? Würdest Du Dich ausschließlich auf Siebener-Rugby konzentrieren? Prinzipiell finde ich, dass Siebener-Spielertypen dem 15er-Rugby durchaus gut tun und umgekehrt. Fakt ist in der Praxis aber, dass es einfach noch zu wenige Turniere gibt, um sich ausschließlich auf Siebener zu konzentrieren – da spiele ich natürlich auch 15er weiter.
Was sind die grundlegenden Unterschiede zwischen einem 15er- und einem Siebener- Spieler? Ich denke, bei Siebener sind mehr Allrounder gefragt, schnelle und individuell gut geschulte Spieler, die die großen Räume gut nutzen können. Ein Beispiel: Ein Spielertyp Alexander Widiker ist im 15er-Team unglaublich wichtig, weil er im Gedränge eine Bank ist. Davon gibt es aber in einem Siebener-Spiel nur zwei. Dafür fehlt es ihm im Vergleich zu anderen sicher an Geschwindigkeit.
Mit Blick in die Zukunft: Haben wir in Deutschland junge Spieler, die diesem Anforderungsprofil entsprechen?Wir haben auf jeden Fall auch junge Spieler, die das können. Aber denen muss mehr Spielpraxis gegeben werden – deutlich mehr als drei Turniere pro Saison. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, ein Nachwuchsteam in Freundschaftsspielen an das internationale Level heranzuführen. Aber auch das wird natürlich nur gehen, wenn wir hier die finanziellen Ressourcen aufbringen können.
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