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Die All Blacks zieht es in den Norden - aber die Situation ist alles andere als ausweglos
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Geschrieben von Manuel Wilhelm   
Freitag, 6. Juni 2008

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Wird Neuseeland am Ende womöglich von der Auswanderungswelle ihrer Superstars profitieren? Und werden die europäischen Nationen am Ende den steigenden Einfluss der Kiwis bedauern? Im vergangenen Jahr gab es in Neuseeland die größte Auswanderungswelle von Profi-Rugbyspielern, die irgendeine Rugbyweltmacht jemals zu verkraften hatte.

Nicht weniger als 14 aktuelle und ehemalige All Blacks haben lukrative Verträge in der Nordhemisphäre unterschrieben und viele vermuteten, dass Rugby in Neuseeland dadurch unglaublich geschwächt würde.

Mit Sicherheit waren die Vertragsverhandlungen nicht förderlich für die unglückliche World Cup-Kampagne der All Blacks, an deren Ende eine zurecht hochfavorisierte neuseeländische XV gegen eine durchschnittliche französische Mannschaft ausschied. Wobei sich die Franzosen im ganzen Spiel auf nichts anderes konzentrierten, als die Neuseeländer zu tacklen – so einfach kann Rugby sein.

Die Kommission, die nach der Weltmeisterschaft die Umstände überprüfte, welche zum Ausscheiden aus der Weltmeisterschaft geführt haben sollen, kam befragt nach den Gründen für die Abwanderung so vieler Spieler in die Nordhemisphäre zu einem ernüchternden Resultat. Ausschlaggebend seien ganz einfach das Geld, schlechte Verbandspolitik, fehlende Perspektiven und die lange Saisonunterbrechung.

Eine der Dinge, die dem Coach der All Blacks vorgeworfen wurden, war seine Rotationspolitik, mit der er auf jeder Position 2-3 Weltklassespieler ausbilden wollte, bei der Weltmeisterschaft erwies sich dies als Blindgänger – da selbst die Trainer unsicher schienen, welches nun ihre Stamm XV sein sollte – in dieser Saison wird Henry aber von seiner Politik profitieren. Sogar nachdem Verlust von inzwischen mehr als 20 Topspielern waren im diesjährigen Super 14 4 neuseeländische Teams unter den ersten 7 in der Tabelle.

Auch der neue 26-Mann Kader der All Blacks unterstreicht diesen Fakt. Auch wenn die üblicherweise starke Tiefe des Kaders diesmal nicht gegeben zu sein scheint, ist es doch möglich eine bärenstarke 1. XV aufzubieten.

Aber was ist mit den Spielern, die jetzt im Ausland aktiv sind? Sie sind für ihre neuen Clubs mit Sicherheit wertvolle Verstärkungen, jeder All Black, der auf dem Spielermarkt zu haben ist, geht nicht zu Unrecht weg wie warme Semmeln. Aber im Laufe der Zeit könnten diese Spieler dafür verantwortlich sein, dass das europäische Spiel geschwächt wird, da sie in ihren neuen Vereinen Schlüsselpositonen einnehmen, welche idealerweise mit einheimischen Spielern besetzt werden sollten. Wo sind die aufstrebenden europäischen Talente? Würde ein englischer oder französischer Jungspund einen Platz im Top 14 oder Guiness Premiership Team finden, wenn seine Positon auch von einem Ex-All Black eingenommen werden könnte? Es gibt nur ganz wenige Nationalspieler aus der Nordhemisphäre, die in Teams aus der Südhemisphäre aktiv sind, das ist einer der Gründe, weshalb die großen SANZAR Nationen Jahr für Jahr zahlreiche großartige Talente hervorbringen.

In Neuseeland tauchen großartige Spieler aus dem Nichts auf – wo war ein Kieran Read oder ein Adam Thompson in der letzten Saison? Australien hatte, noch vor 2 Jahren, keinen Ersatz für Stephen Larkham. Inzwischen haben sie eine Fülle an Verbindern (Quade Cooper, Berrick Barnes und Kurtley Beale). Und Südafrika muss eine Genfabrik haben, in welcher sie ihre monströsen Stürmer züchten.

Während Neuseeland viele Topspieler verliert, nutzen die jungen Spieler ihre Chance auf sich aufmerksam zu machen, Grund hierfür ist ein beeindruckendes Scouting System, welches hochtalentierte Spieler registriert, noch bevor sie ins Teenager-Alter kommen. Und obwohl diese Spieler noch keine große internationale Erfahrung haben, verfügt das Land immernoch über ausreichend talentierte Schlüsselspieler, die die Jungen bei ihren ersten Schritten auf der großen Bühne unterstützen können. Zudem bleiben den Ex-All Blacks noch ein paar Jahre in ihren Karrieren und ihre Auslandserfahrung wird dazu führen, dass sie als noch komplettere Spieler zurückkehren.

Dan Carter – zugegebenermaßen ein Sonderfall – wird von seinem Kurztrip nach Toulon mit Sicherheit zurückkehren und vermutlich auch ein paar wichtige Erfahrungen gesammelt haben. Auch Luke McAllister und Aaron Mauger haben ausgedrückt, nach Neuseeland zurückkehren zu wollen. Wird das neuseeländische Rugby von der Auswanderungswelle am Ende sogar profitieren?

Hier sind wir am springenden Punkt. Was passiert mit den “Nachrückern”? Werden sie ihre Positionen behaupten können? Wird Stephen Donald, jetzt der Ersatzverbinder der All Blacks, wieder ins zweite Glied rücken wenn Carter zurückkehrt?
Am Ende wird wieder die Menge und der Biss der Spieler dafür ausschlaggebend sein, in welche Richtung sich das Spiel der All Blacks entwickelt. Der World Cup 2007 hat dem neuseeländischen Rugby-Fan eine schmerzhafte Lektion beigebracht, es ist völlig egal ob man 100 Spieler auf höchstem Niveau hat – Wettbewerbe und Spiele werden höchstens mit 22 Mann gewonnen.

Wenn es also geschickt geregelt wird, wird die Auswanderungswelle das neuseeländische Rugby nicht schwächen, aber zu oft machen die verantwortlichen der All Blacks Fehler, die selbst ein Wald- und Wiesentrainer nicht machen würde. Am Ende werden also die Konzepte und nicht die Spieler entscheiden, ob die All Blacks 2011 endlich wieder den WM-Titel – im eigenen Land – ergattern können.

Genügt die Fülle an Talenten in Neuseeland um die großen Namen zu ersetzen? Teil uns deine Meinung in einem Kommentar mit, oder schreibe selbst einen Artikel für TotalRugby

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Kommentare (7)add comment

king carlos said:

217
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Ich glaube nicht, dass eine Zunahme der Anzahl von Spielern aus der Südhemisphäre in den europäishen Vereins- und Provinzmannschaften die europ. Nationalmannschaften schwächen. Im Fußball ist das Legionärstum viel stärker ausgeprägt und die europäischen Nationalmannschaften gehören trotzdem zu den besten der Welt.

Dass die Europäer auch Talente haben, zeigt doch Cipriani. Es spielen kaum Europäer in der Südhemisphäre, da die Super 14 parallel zu den Six Nations läuft, und weil man dort einfach zu wenig Geld verdient. Wenn die Sup14-Franchises die Mittel und Möglichkeiten hätten, würden sie genau das Gleiche machen wie die Europäer. Es geht also nicht um den Schutz von einheimischen Talenten.

Die Vertragsverhandlungen hatten nichts mit der Niederlage im Viertelfinale zu tun. Im Nachhinein muss einfach sagen, dass 2007 keine gutes Jahr für die All Blacks war. Die drei Junitests gegen unterklassige Gegner waren völlig ohne jede Aussagekraft. Ähnlich war es in den Tri Nations, da Südaf
Juni 09, 2008

king carlos said:

217
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Ähnlich war es in den Tri Nations, da Südafrika viel experimentierte und oft Reservisten einsetzte, und gegen Austalien verlor man ein Spiel. Die Gruppenphase war auch keine Herausforderung für die All Blacks. Hinzu kam, dass Daniel Carter seit der Weltmeisterschaft ein mehr als durchwachsenes Kickspiel hat (wie man gegen Irland sehen konnte). Am Ende waren sie dann mental nicht stark genug. Deswegen kommt es sehr wohl eher auf die Spieler an als auf das System, wenn man den Titel 2011 holen will.

Klar bringt Neuseeland immer neue Talente hervor und wahrscheinlich ist ein radikaler Schnitt bei den Spielern positiv (Baby Blacks '87). Doch es bleibt immer der bittere Beigeschmack, dass die aktuellen All Blacks nur eine 1B-Mannschaft sind.
Juni 09, 2008

ImperialRugby said:

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Beim Spiel gegen Irland war das Wetter aber auch zum abgewöhnen ...
Juni 09, 2008

king carlos said:

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Stimmt schon, aber O'Gara hat trotzdem besser gekickt smilies/smiley.gif Wahrscheinlich waren die Iren so ein Wetterchen eher gewöhnt.^^ Nun wissen wir auch warum die Super-14-Franchise aus Wellington Hurricanes heißt...
Juni 09, 2008

ImperialRugby said:

68
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Wellington hat wirklich öfters mal verrücktes Wetter, aber Carrisbrook ganz im Süden ist da noch schlimmer ... die Highlanders - siehst du die Namensverbindung zur Nordhemisphäre? smilies/wink.gif)
Juni 09, 2008

king carlos said:

217
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Klar, aber ich glaube der Name hat eher weniger mit dem schlechten Wetter in den schottischen Highlands zu tun ;P

Ich glaube die dritte "große" Insel Neuseelands, Steward Island, ist noch schlimmer als Carrisbrook - vom Regen her. Dort regnet es statistisch gesehen 300 Tage im Jahr...
Juni 09, 2008

ImperialRugby said:

68
...
Deswegen spielen die dort auch kein Rugby - na gut, ob da überhaupt 15 Menschen leben? ^^ ... Auf jeden Fall war Carters Kickspiel nicht gerade klasse gegen Irland. Vielleicht darf ja Stephen Donald gegen England ran? smilies/wink.gif)
Juni 09, 2008

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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 6. Juni 2008 )
 
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